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„Lächerliches“ Gutachten oder Sieg: Wie geht es mit Assange weiter?

Lange war es ruhig um ihn, jetzt steht Julian Assange wieder im Mittelpunkt. Welches Gewicht hat die Rückendeckung der UN? Was bedeutet es für den Wikileaks-Gründer? Und was sagt Edward Snowden?

London/Genf (dpa) − Seit 189 Wochen sitzt Julian Assange in der Botschaft von Ecuador fest. Im Streit mit England und Schweden stellt sich ein Expertenteam der Vereinten Nationen jetzt hinter den Wikileaks-Gründer. 

 

Wie fiel die Entscheidung der UN-Arbeitsgruppe aus?

Das Rechtsexperten stellten sich auf die Seite von Assange, wenn auch mit knapper Mehrheit. Laut dem Gutachten ist Assange das Opfer einer „willkürlichen Inhaftierung“. Sein Recht auf Bewegungsfreiheit müsse akzeptiert werden. Zudem habe er Anrecht auf eine Entschädigung. Allerdings: Von den fünf Mitgliedern der Gruppe stimmten nur drei zu Gunsten des 44-Jährigen. Gewöhnlicherweise fallen die Gutachten des Gremiums einstimmig aus.

Wie geht es nun mit Assange weiter?

Assange selbst spricht von einem Sieg, der ihn ein „Lächeln in sein Gesicht gezaubert“ habe. Das Gutachten sei „rechtlich bindend“. „Es ist jetzt die Aufgabe von Schweden und Großbritannien, diese Entscheidung umzusetzen“. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass er die Botschaft bald als freier Mann verlässt, ist eher gering. Das Urteil sei bestenfalls ein „moralischer Sieg“, schrieb der britische „Guardian“. Dennoch könnte es bald Bewegung in dem Fall geben: Die Justizbehörden Schwedens, Großbritanniens und Ecuadors verhandeln seit längerem über Möglichkeiten einer Befragung Assanges im Botschaftsgebäude. Und Assange bleibt immer noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Was sagen Großbritannien und Schweden?

Als „lächerlich“ bezeichnet der britische Außenminister Philip Hammond das Gutachten. Für ihn ist Assange ein „Flüchtiger vor der Justiz“. Im schwedischen Außenministerium heißt es: „Es steht Herrn Assange frei, die Botschaft zu jeder Zeit zu verlassen.“ Er halte sich freiwillig dort auf. Whistleblower Edward Snowden, selbst im Exil in Moskau, übt deutliche Kritik an beiden Ländern: Sie hätten einen „gefährlichen Präzedenzfall“ geschaffen, twitterte Snowden. Das erlaube jeder Diktatur, sich UN-Entscheidungen zu widersetzen.

Welche Macht hat das UN-Gremium überhaupt?

Die Arbeitsgruppe selbst erklärte, die Entscheidung sei „indirekt juristisch bindend“, da sie sich auf internationale Konventionen stütze. Das internationale Recht biete allerdings keine Möglichkeit, eine Anerkennung zu erzwingen. Allerdings kann die Entscheidung eine klare Signalwirkung haben, wie andere Fälle zeigen. 2009 hatte die WGAD die Inhaftierung der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi verurteilt, die ein Jahr später freigelassen wurde. Auch im Fall des US-Reporters Jason Rezaian, der bis vor kurzem im Iran wegen Spionage und Propaganda festgehalten wurde, war das Gremium eingeschaltet.

Wie steht es um Assanges Gesundheit?

Anwältin Melinda Taylor bezeichnete die Lage ihres Mandanten als „seelische Folter“. Seit dem 19. Juni 2012, also mehr als 189 Wochen, sitzt dieser in der Botschaft fest. Medienberichten zufolge lebt er auf 20 Quadratmetern. „Sein Körper gibt langsam auf, er hat schon Herzprobleme, eine chronische Lungenentzündung und schwere Schulterschmerzen“, sagte seine Mutter dem australischen Rundfunksender ABC. Assange selbst betonte am Freitag, dass die Trennung von seiner Familie besonders schwer für ihn sei.

Was wird Assange nochmal konkret vorgeworfen?

Assange soll 2010 mit zwei Frauen in Schweden Sex gehabt und dabei gegen deren Willen kein Kondom benutzt haben. Die Vorwürfe der sexuellen Belästigung und Nötigung sowie des sexuellen Missbrauchs wurden inzwischen fallengelassen. Der Vorwurf einer minderschweren Vergewaltigung in einem der beiden Fälle hat noch Bestand. Er würde erst nach zehn Jahren, also 2020, verjähren. Deshalb liegt gegen ihn weiterhin ein europäischer Haftbefehl vor. Assange, der maßgeblich an der Veröffentlichung geheimer US-Dokumente auf der Plattform Wikileaks beteiligt war, sagt, er fürchte eine Auslieferung von Schweden in die USA, wo ihm eine lange Haft drohe.

Was ist eigentlich aus Wikileaks geworden?

Mit ihren spektakulären Enthüllungen aus anonymen Quellen führte Wikileaks die US-Regierung vor und offenbarte die Verletzung von Menschenrechten. Medien wie die „New York Times“, der „Guardian“ oder „Der Spiegel“ griffen immer wieder auf die geheimen Dokumente zurück. Darin ging es etwa um die Kriege in Afghanistan und im Irak oder um das Guantanamo-Gefangenenlager. Chelsea Manning, die als IT-Expertin in den US-Streitkräften geheime Informationen an Wikileaks weitergereicht haben soll, wurde 2013 zu 35 Jahren Haft verurteilt. Nachdem es dann deutlich ruhiger um Wikileaks geworden war, sorgte die Plattform hierzulande 2015 wieder für einen Paukenschlag. In Wikileaks-Informationen hieß es, die NSA habe weite Teile der Bundesregierung ausgespäht.

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