Jobs
Newsroom

Zu wenige Aufträge, kein neuer Job: So lösen Journalistinnen und Journalisten ihre mentalen Bremsen

Zu wenige Aufträge, kein neuer Job: So lösen Journalistinnen und Journalisten ihre mentalen Bremsen Mediencoach Attila Albert

Wie kommt es, dass viele Medienprofis genau wissen, was sie tun müssten, um ihre Lage zu verbessern – es aber nicht tun, sondern passiv bleiben, sich lieber an anderen abarbeiten oder ablenken? Vier mentale Bremsen sind schuld, sagt Mediencoach Attila Albert.

Berlin – Eine freie Journalistin, seit Jahren selbstständig, war gelangweilt von den immer gleichen Themen und unzufrieden mit ihrem Umsatz. Gleichzeitig arbeitete sie weiterhin nur für denselben Auftraggeber, hatte keine eigene Webseite oder andere Werbematerialien und sprach auch keine potentiellen neuen Kunden an. Warum? Ähnlich ein Ressortleiter, der seit langem „unbedingt wechseln“ wollte, aber weiterhin nur zwei bis drei Bewerbungen pro Jahr verschickte und sich kaum je bei möglichen anderen Arbeitgebern vorstellte. Wieso?

 

Auch im privaten Bereich lässt sich dieses Verhaltensmuster beobachten. Eine Autorin, seit mehr als zehn Jahren allein, vereinbarte gelegentlich einmal ein Date, traf sich eher lustlos und hatte an jedem etwas auszusetzen. Woran lag es? Eine Redakteurin war unzufrieden damit, wie sich die Hausarbeit und Betreuung der Kinder zwischen ihr und ihrem Mann verteilte. Sie klagte fortlaufend auf Twitter darüber, schrieb auch Blogbeiträge. Aber es gelang ihr nicht und ihrem Partner nicht, gemeinsam das familiäre Problem zu lösen.

 

Wie kommt es, dass so viele Medienprofis genau wissen, was zu tun wäre, um ihre Lage zu verbessern oder ein Ziel zu erreichen – und es trotzdem nicht tun, sondern passiv bleiben, sich lieber an anderen abarbeiten oder ablenken? Es sind vier mentale Bremsen, die unnötig Kraft kosten und verhindern, dass Sie vorhandene Spielräume besser erkennen, ausprobieren und nutzen. Je weniger Sie sich selbst ausbremsen, desto mehr Kraft bleibt Ihnen, reale Herausforderungen praktisch anzugehen.

(Die vier Bremsen sind absteigend nach ihrer negativen Kraft geordnet. Entscheiden Sie anhand der Beschreibungen, wo Sie sich aktuell einordnen würden.)

 

Bremse 1: Blockiert durch Hoffnungslosigkeit und Angst

Diese Bremse ist die stärkste und beruht auf der Annahme, anderen Menschen oder den Umständen weitgehend hilflos ausgeliefert zu sein. Wer so denkt, hält zwar viel durch, bleibt aber weitgehend passiv („Ich kann ja sowieso nichts ändern“). Beklagt sich viel, will getröstet werden und hofft auf bessere Zeiten („Irgendwann muss das doch einmal besser werden ...“). Typische Ablenkung: Motivationssprüche, rührende Tiervideos o.ä.

 

Das hilft Ihnen sofort: Sagen Sie möglichst viele Termine und Verpflichtungen ab oder verschieben Sie sie und erholen Sie sich. Schreiben Sie sich jeden Abend drei Dinge auf, für die Sie dankbar sind, scheinen sie auch noch so unbedeutend oder alltäglich (zum Beispiel ein gutes Essen oder ein anregendes Gespräch mit Freunden). Es motiviert schon, sich daran zu erinnern, dass Ihr Leben trotz aller Schwierigkeiten viele schöne Seiten hat.

 

Das bringt Sie weiter: Jammern und Selbstmitleid halten Sie fest. Verwenden Sie daher möglichst wenig Zeit dafür, sich über andere oder Ihre Umstände zu beklagen. Nutzen Sie sie besser dafür, Ideen zu sammeln, wie Sie sich aus der Lage befreien könnten, ohne sie sofort als unmöglich oder zu schwierig zu verwerfen. Probieren Sie sie aus. Jeder kleine praktische Schritt bringt Sie ein wenig weiter und gibt Ihnen gleichzeitig mehr Hoffnung.

Wichtigstes Umdenken: Daran glauben, dass kleine Schritte bereits viel bewegen.

 

Bremse 2: Vereinnahmt durch Streit und Rechtfertigungen

Die zweitstärkste Bremse ergibt sich aus der Annahme, ständig kämpfen, angreifen und sich verteidigen zu müssen. Wer so herangeht, zeigt zwar eine oft beachtliche Willens- und Entschlusskraft. Gleichzeitig ist er ständig in unnötige Konflikte verwickelt, die langfristig den eigenen Beziehungen und Zielen schaden, selbst wenn man oberflächlich Recht behält. Typische Ablenkung: Streitereien auf Social Media, in den Kommentaren zu Artikeln.

 

Das hilft Ihnen sofort: Gönnen Sie sich mehr Abstand! Regelmäßig freie Tage, weniger Überstunden und Zeit im Internet, dafür mehr für Sport, Freunde und Hobbys - all das senkt Ihre Anspannung. Mancher Konflikt wird dadurch von selbst weniger bedeutsam. Nicht alles muss ausgetragen und geklärt werden. Das schadet Ihrem Erfolg nicht. Im Gegenteil: Es schont Ihre Nerven, verschafft Ihnen Freunde und verbessert Ihre Lebensqualität.

 

Das bringt Sie weiter: Lernen Sie, weniger zu urteilen. Achten Sie bewusst darauf, wann Sie gedanklich eine Meinung formulieren, sprechen Sie sie dann aber nicht immer gleich aus. Stellen Sie stattdessen eine offene, interessierte Frage, um mehr zu erfahren. Im Laufe der Zeit werden Sie dadurch weniger schwarz-weiß, also in Gegensätzen denken, sondern mehr Zwischentöne wahrnehmen und sehen, wie viel Sie doch mit anderen verbindet.

Wichtigstes Umdenken: Darauf vertrauen lernen, dass Sie nicht ständig kämpfen müssen.

 

Bremse 3: Unfokussiert durch angenehme Ablenkungen

Die drittstärkste Bremse ist das ständige eigene Ablenken durch grundsätzlich positive Dinge wie Sport, Reisen, Wellness, Genuss oder Meditation. Das kann kurzfristig hilfreich sein, löst aber Ihr grundlegendes Problem nicht, sondern verschleppt es manchmal über Jahre. Sie verlieren Ihren Fokus und stellen selbst fest, wie wenig sich bewegt. Typische Ablenkung: Surfen auf Shopping- und Reiseseiten, Mode-, Fitness- und Lifestyle-Accounts.

 

Das hilft Ihnen sofort: Notieren Sie sich, welche kleinen Alltagsfluchten für Sie inzwischen zur Gewohnheit geworden sind und was Sie das über die Zeit kostet, beispielsweise der tägliche Kaffee von Starbucks, Wellness-Wochenenden oder Kurzreisen nach stressigen Arbeitswochen. Selbst kleine Beträge addieren sich über das Jahr. Das zeigt Ihnen den Preis Ihrer aktuellen Strategie auf und kann Sie motivieren, bessere Alternativen zu finden.

 

Das bringt Sie weiter: Verschieben Sie möglichst viele Ressourcen - Zeit, Aufmerksamkeit und Geld - von Ihren Alltagsfluchten zu etwas, das Ihr Problem grundsätzlich löst. Beispiel: Statt dem nächsten Urlaub eine Weiterbildung buchen, damit Sie sich bald nicht mehr über Ihren frustrierenden Job ärgern müssen, wegen dem Sie ständig Extraurlaub brauchen. Lassen Sie nicht entmutigen, dass diese Umstellung dauert, denken Sie langfristig.

Wichtigstes Umdenken: Dass kleine Budget-Verschiebungen langfristig viel verändern.

 

Bremse 4: Schon voll ausgelastet durch andere

Die viertstärkste Bremse ist, sich vor allem mit anderen Menschen zu befassen, ständig anderen helfen oder sie gar retten zu wollen und sich dabei selbst zu vernachlässigen. Diese grundsätzlich positive Ansinnen geht zu weit, wenn es andere aus den besten Motiven heraus entmündigt und dazu führt, dass Sie sich selbst überlasten und erschöpfen. Typische Ablenkung: Videos zu sozialer Arbeit, Tierrettung etc., Mama- und Papa-Blogs u.ä.

 

Das hilft Ihnen sofort: Planen Sie regelmäßig eine feste Zeit ein, die nur Ihnen gehört (zum Beispiel abends eine Stunde). Ohne Partner oder Kinder, auch die Hausarbeit darf liegen bleiben. Nutzen Sie diese Zeit für etwas, das Ihnen Freude macht, etwa Sport, Musik hören, lesen oder einfach nur träumen. Das hilft Ihnen, sich immer wieder zu erholen, Ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen und von anderen den dafür notwendigen Respekt einzufordern.

 

Das bringt Sie weiter: Begrenzen Sie Ihre Hilfe und geben Sie Verantwortung auch wieder zurück bzw. weiter. Bei eigenen Kindern dauert das länger, ist aber ein natürlicher Prozess. Aber auch bei Projekten, in Ausschüssen und Ehrenämtern ist es keine Schande, sie nach einer festen Zeit (zum Beispiel nach einem Jahr) niederzulegen. Lass Sie sich nicht in die Rolle drängen, selbst einen Ersatz organisieren zu müssen. Das ist nicht Ihre Aufgabe.

Wichtigstes Umdenken: Einsehen, dass es auch ohne Sie gehen wird.

 

Wenn es darum geht, warum ein Problem nicht gelöst wird, werden praktisch immer zuerst Varianten von „keine Zeit“, „kein Geld“ oder „keine Kraft“ genannt. Das mag eine Rolle spielen, ist aber nie allein entscheidend. Je mehr mentale Bremsen Sie lösen, desto weniger verschwenden Sie Ihre knappen Ressourcen und können sich darauf konzentrieren, sie dort einzusetzen, wo sie Ihnen am meisten weiterhelfen.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: So werden Journalistinnen und Journalisten mental fit für jede Krise

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.