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Nannen-Preise: Neben Deniz Yücel andere nicht vergessen

Bei der Verleihung der Nannen-Preise werden alljährlich die besten Journalisten in Print- und Webjournalismus sowie Fotografie gekürt. Routine, könnte man meinen. Aber stets gibt es Berührendes und Überraschendes

Hamburg (dpa) − Aufrüttelnde Reportagen, berührende Bilder, mutiger Einsatz: Bei der Verleihung der Nannen-Preise am Donnerstag in Hamburg standen nicht nur die Preisträger und ihre Werke im Vordergrund. Auch unter schwierigsten Bedingungen arbeitende oder inhaftierte Journalisten wurden bedacht. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) forderte, neben dem in der Türkei festgenommenen Deniz Yücel auch andere Journalisten mit diesem Schicksal nicht zu vergessen. „Er ist der bekannteste Fall.“

Vor rund 500 Gästen aus Medien, Politik, Wirtschaft und Kultur fügte Gabriel hinzu: „Wir wollen vor allen Dingen, dass er (Yücel) frei kommt.“ Angesichts weltweiter Einschränkungen der Pressefreiheit mahnte der Minister: „Freiheit der Presse ist kein Accessoire, das man sich leisten kann, wenn die Zeiten gut sind.“ In Europa und auch in Deutschland müsse stets etwas für diesen Grundwert der Demokratie getan werden, die Haltung dürfe nicht Selbstzufriedenheit sein.

Die in mehreren Kategorien vergebenen undotierten Preise erinnern an den „Stern“-Gründer Henri Nannen (1913-1996). Die Chefredaktion des Magazins vergab ihren Sonderpreis an die türkische Fernsehmoderatorin Banu Güven, die seit 2014 für den kurdischen TV-Sender IMC arbeitete. Im September 2016 wurde der Sender laut „Stern“ von der Polizei wegen angeblicher Nähe zu Terrororganisationen geschlossen. Güven machte in sozialen Medien weiter, unter anderem mit einem Podcast auf Facebook.

Sie und ihre türkischen Kollegen seien in großer Sorge um ihre Zukunft, berichtete Güven. Sie erinnerte an mehr als 150 in der Türkei inhaftierte Journalisten und an ihren Freund, den früheren Zeitungsherausgeber Hrant Dink, Nannen-Preisträger 2006. Im darauffolgenden Jahr war er in Istanbul auf offener Straße erschossen worden.

„Es geht uns etwas an, was dort passiert. Wir machen uns mitschuldig, wenn wir nichts tun“, sagte „Stern“-Chefredakteur Christian Krug zu den aktuellen Entwicklungen in der Türkei.

Durch die Veranstaltung führte die „Tagesthemen“-Moderatorin Caren Miosga. Sie stellte mit Laudatoren der Jury die Preisträger vor, die folgende Kategorien gewannen:

Beste Reportage: Die vor 40 Jahren in Erinnerung an den Reporter Egon Erwin Kisch erstmals verliehene Auszeichnung ging an das Autoren-Duo Amrai Coen und Tanja Stelzer von der Wochenzeitung „Die Zeit“. Sie recherchierten, wie Überlebende der Anschläge von Brüssel am 22. März 2016 weiterlebten, und porträtierten diese.

„Mit ihrem Einfühlungsvermögen ist ihnen eine einzigartige Reportage gelungen“, lobte „Spiegel“-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer. Auch der erste Reportage-Preisträger 1977, der heute 80 Jahre alte Peter Sartorius (ehemals „Süddeutsche Zeitung»), war unter den Gästen.

Beste Reportage-Fotografie: Bieke Depoorter zeigte im Magazin „Geo“ unter dem Titel „Dürfen wir bei Ihnen schlafen?“ Nahaufnahmen aus dem Alltag ägyptischer Familien − fünf Jahre nach der Arabischen Revolution. Für ihren Mut, „an fremde Türen zu klopfen“, wurde sie ausgezeichnet.

Beste inszenierte Fotografie: Mit „Jody war eine Frau“ brachte Jean François Bouchard im Magazin „Stern“ Porträts von Männern, die als Frauen geboren wurden. Er habe die Transsexuellen nicht bloßgestellt, sondern intim und respektvoll dargestellt, würdigte die Jury.

Beste investigative Leistung: Ein sechsköpfiges Team der „Süddeutschen Zeitung“ brachte die „Panama Papers“ ans Licht und enthüllte, wie eine panamaische Kanzlei weltweit unter anderem Unternehmern, Politikern und Prominenten half, ihr Geld zu verstecken. Keine Enthüllung sei folgenreicher gewesen, befand die Jury.

Beste Dokumentation: Nicola Meier von der Wochenzeitung „Die Zeit“ überzeugte mit „Wer rettet Klara?“. In dem Beitrag geht es um ein todkrankes Kind, für das es ein allerdings nicht zugelassenes Medikament geben könnte.

Bestes Web-Projekt: Der aktuelle Jahrgang der Axel-Springer-Akademie hat 13- bis 17-Jährigen den Holocaust erklärt − mit Hilfe des sozialen Dienstes Snapchat. Mit ihrem „innovativen und mutigen“ Web-Projekt „Sachor Jetzt!“ setzten sich die Nachwuchsjournalisten durch.

 

Von Almut Kipp, dpa