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dpa - Deutsche Presseagentur GmbH

Titelseite der gedruckten Ausgabe nicht mehr wichtigste Frage der „New York Times“

Vieles ändert sich in der Medienbranche, manches behält seine Gültigkeit. Beim Kongress „Zeitung Digital 2017“ stehen diese Fragen im Mittelpunkt. Eine lautet: Wie sieht der digitale Wandel in der Praxis aus − zum Beispiel bei der „New York Times“?

Berlin (dpa) − Die Zeitungsbranche ist im Wandel. Die journalistischen Werte aber blieben die gleichen, sagte Thomas Düffert, Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) am Donnerstag in Berlin. „Digitaler Journalismus ist vor allem eines: Journalismus“, so Düffert zum Auftakt des Kongresses „Zeitung Digital“. „Die Werte, die für guten Journalismus stehen, gelten im Digitalen genau wie im Analogen.“ Dazu gehörten Wahrhaftigkeit, Unabhängigkeit und Mut.

 

Düffert zitierte die „New York Times“: „Die Wahrheit ist wichtiger denn je.“ Das gelte auch für die Zeitungen in Deutschland. Die Suche nach der Wahrheit sei die Geschäftsgrundlage der Branche. „Aber auch nur, wenn wir wirtschaftlich erfolgreich sind, können wir guten Journalismus liefern.“

 

Und dabei seien die Verlage noch nicht weit genug gekommen. „Wir haben nur eine vage Vorstellung davon, wie wir in der Zukunft im Digitalen Geld verdienen können“, räumte Düffert ein. „Es sind unsichere Zeiten, es sind harte Zeiten“, so der BDZV-Vizepräsident und CEO der Madsack Mediengruppe. Aber auch: „Harte Zeiten sind oft erst in der Rückschau richtig cool.“

 

Düffert widersprach den pessimistischen Stimmen, die den Journalismus am Endes seines Weges sehen. „Der Journalismus ist nicht in der Krise. Gesellschaft und Journalismus wandeln sich.“ Der Schlüssel zum Erfolg liege in der Zusammenarbeit, sagte Düffert. „Wenn wir als Branche die Antworten auf die digitalen Fragen finden wollen, dann geht das nur gemeinsam.“

 

„Der Kampf für die Meinungs- und Pressefreiheit ist heute so relevant wie vor 50 Jahren“, betonte er und erinnerte an den in der Türkei inhaftierten „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel, der am Abend zuvor mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet worden war. Dass er im Gefängnis sitzt, treffe den Kern des Journalismus, egal ob digital oder analog.

Michael Golden, Präsident des Weltverbands der Zeitungen und Nachrichtenmedien (WAN-IFRA), plädierte für mehr Tempo beim digitalen Wandel: „Wir müssen uns schneller verändern als das Leseverhalten unserer Kunden“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der New York Times Company. „Wir müssen vieles schneller ausprobieren und dürfen auch schneller scheitern.“ In der Praxis sei es oft noch so, dass nur Geschäftsmodelle eine Chance bekämen, die als völlig sicher gälten.

 

Wie gravierend der Wandel bei der „New York Times“ vorangeht, zeigte Golden an drei Beispielen:

 

Erstens seien die Werbeerlöse eingebrochen. „Im ersten Quartal 2017 haben wir 38 Prozent des Gesamtumsatzes mit Werbung gemacht, vor fünf Jahren war es noch doppelt so viel − und es ist nicht so, dass wir Werbung nicht mögen.“ Inzwischen setze die „NYT“ deshalb viel stärker auf Abonnenten.

 

Zweitens habe sich der Redaktionsalltag komplett geändert. Die wichtigste Frage sei nicht mehr, wie die Titelseite der gedruckten Ausgabe aussehe. Stattdessen gebe es schon morgens um 4.30 Uhr eine Konferenz, bei der entschieden werde, was zur ersten Primetime ab 6 Uhr online die wichtigsten Themen seien. „Früher ging die Zeitung ab 21 Uhr in den Druck und wurde ab 6 Uhr ausgeliefert.“ Heute gebe es abends ab 21 Uhr noch einmal eine Spitze bei der Onlinenutzung.

 

Drittens sei das Geschäftsmodell inzwischen digital getrieben. „Print macht noch 60 Prozent unserer Erlöse aus − aber der Anteil nimmt ab. Und wir glauben nicht, dass wir das ändern können.“ Deshalb sei es schlicht unverzichtbar, die digitalen Erlöse zu steigern.

 

Zu dem Kongress haben der BDZV und der Weltverband der Zeitungen und Nachrichtenmedien (WAN-IFRA) eingeladen. Dabei beschäftigen sich rund 300 Verleger, Geschäftsführer, Verlags- und Digitalverantwortliche mit Themen rund um den digitalen Wandel.