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BGH könnte Klarheit über Werbeblocker im Internet schaffen

Ob beim Nachrichten lesen oder Urlaubsangebote sichten − im Web wird nahezu jede Seite von Werbung begleitet. Werbeblocker versprechen Abhilfe. Diese Programme unterdrücken Werbeeinblendungen und sorgen bei den Anbietern von Internetseiten für Ärger.

Karlsruhe (dpa) − Wenn Werbung im Internet nervt, greifen etliche Anwender zu einem Werbeblocker. Da aber die viele Unternehmen ihr Angebot durch Werbung finanzieren, entstehen Konflikte. So erlaubt das Medienunternehmen Axel Springer den Zugriff nur bei ausgeschaltetem Werbeblocker. Außerdem führt es einen Prozess gegen den Anbieter des populären Filters Adblock Plus, das Kölner Unternehmen Eyeo. Jetzt ist der Bundesgerichtshof in diesem Fall gefragt. 

 

Was sind Werbeblocker und wie arbeiten sie?

Ein Werbeblocker oder Adblocker ist ein Programm, das die Einblendung von Werbung verhindert oder nur bestimmte Werbung durchlässt. Die Anzeigen werden zum Beispiel anhand der Internetadresse der Server erkannt, die die Werbung ausspielen. Adblock Plus arbeitet mit zwei Listen: Wer auf der schwarzen Liste, der Blacklist, steht, wird blockiert, wer auf der weißen Liste, der Whitelist, steht, darf passieren. Die Listen werden ständig angepasst.

Warum wehrt sich Springer gegen Werbeblocker?

Für Medienhäuser wie Axel Springer steht wirtschaftlich viel auf dem Spiel. Werbung macht einen beträchtlichen Teil der Einnahmen aus. Wenn jeder Nutzer Werbung blockiert, gibt es keine Werbeerlöse. „Dass digitaler Journalismus dann nicht mehr refinanzierbar ist und die Medienvielfalt im Internet gefährdet wird, liegt auf der Hand“, sagt der Leiter Medienrecht bei Axel Springer, Claas-Hendrik Soehring.

Das Unternehmen hält das Blockieren von Werbung über eine sogenannte Blacklist für rechtswidrig und ist nicht bereit, Eyeo Geld dafür zu bezahlen, um auf die weiße Liste zu kommen. Die Whitelist enthält Internetseiten, auf denen Werbung nach bestimmten Regeln zu sehen ist. Solche als akzeptabel eingestufte Werbung lässt Adblock Plus passieren. Soehring kritisiert das als „erpressungsähnlichen Vorgang: erst jemanden wegblocken und dann gegen Zwangsprovision wieder freischalten“.

Was sagt der Hersteller?

Auch Eyeo ist nach Angaben von Unternehmenssprecherin Laura Sophie Dornheim der Überzeugung, dass journalistische Inhalte finanziert werden müssen. Es gebe aber weitere Möglichkeiten neben der Werbung. „Wir sind der Meinung, dass es Werbung in einem akzeptablen Rahmen geben soll“, sagt Dornheim. Das sei der Grund für das Whitelisting. Ihr Unternehmen respektiere die Linie von Springer, bei Benutzung eines Adblockers den Zugang zu den Angeboten zu sperren.

Eyeo trete aber für einen Kompromiss ein, nämlich weniger und nicht aggressive Werbung zuzulassen. Solche Werbung laufe auch bei Adblock Plus Nutzern. Weil das mit Aufwand verbunden sei, verlange der Hersteller der Software eine Vergütung.

Was halten die Adblocker für angemessene Werbung?

„Sie darf nicht nerven“, sagt Dornheim. Kriterien seien etwa, dass Werbung höchstens 15 Prozent der Startseite einnimmt und nicht in der Mitte von Texten steht. Außerdem dürfen Video oder Sound nicht automatisch starten und keine Popups verwendet werden. Dornheim betont, dass Eyeo nur in Deutschland rechtliche Auseinandersetzungen wegen Adblocker führen müssen.

Um welche Rechtsfragen geht es vor dem BGH?

Der Rechtsstreit dreht sich um die Paragrafen 4 und 4a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Springer wirft Eyeo wettbewerbswidriges Handeln vor. Nach Paragraf 4 UWG handelt unlauter, wer Mitbewerber gezielt behindert. In Paragraf 4a UWG geht es um aggressive geschäftliche Handlungen, die Verbraucher oder andere Marktteilnehmer zu einer Entscheidung veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten.

Was haben die Vorinstanzen entschieden?

Axel Springer unterlag vor dem Landgericht und erzielte vor dem Oberlandesgericht (OLG) einen Teilerfolg. Laut OLG-Urteil erfüllt Eyeo mit AdBlock Plus nicht den Tatbestand der gezielten Behinderung nach Paragraf 4 UWG, jedoch den der aggressiven geschäftlichen Handlung nach Paragraf 4a UWG. Eyeo veranlasse Unternehmen, die Blockade der Werbung durch Aufnahme in die Whitelist zu beseitigen. Damit müssten sie eine Dienstleistung in Anspruch nehmen, die sie ohne die Blockade nicht benötigt hätten.

Welche Folgen könnte die BGH-Entscheidung haben?

Wenn der BGH Blacklisting für rechmäßig erklärt, müssten Anbieter von Inhalten ihr Erlösmodell überdenken. Nach Springer-Angaben sind nur wenige Medien im Internet in der Lage, Erlöse über eine Bezahlschranke zu erzielen. Solle das vom OLG ausgesprochene Verbot des Whitelistings Bestand haben, könnten die Anbieter von Werbeblockern nicht mehr dafür kassieren, dass sie bestimmte Werbung durchlassen.

Für die Nutzer von Werbeblockern würde ein generelles Verbot bedeuten, dass sie wieder verstärkt Werbung auf ihren Bildschirm zu sehen bekämen. Allerings wäre ein Verbot gegenüber Wettbewerbern von Eyeo, die im Ausland sitzen, schwer durchzusetzen.

Für Anbieter von Webseiten gibt es noch einen weiteren Weg, gegen Werbeblocker vorzugehen. Es wäre zu klären, ob Internetseiten in ihrer Gesamtdarstellung vom Urheberrecht (Paragraf 69c Urheberrechtsgesetz) geschützt sind und der mögliche Eingriffgriff durch einen Werbeblocker in den Programmiercode unzulässig ist.