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Hass im Netz: Löschquote steigt

Braucht es ein Gesetz wie in Deutschland, um das Problem von Hasskommentaren im Internet in den Griff zu bekommen? Die jüngsten Zahlen der EU-Kommission scheinen auf diese Frage eine klare Antwort zu geben.

Brüssel (dpa) − Hasskommentare im Internet werden von sozialen Netzwerken deutlich häufiger gelöscht als noch vor einem Jahr. Nach einer am Freitag veröffentlichten Untersuchung der EU-Kommission nahmen die Unternehmen Facebook, Twitter und YouTube zuletzt rund 70 Prozent aller in den EU-Staaten beanstandeten Inhalte auf Grundlage ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung aus dem Netz. Dies war deutlich mehr als bei der Überprüfung im Mai vergangenen Jahres. Damals konstatierte die Kommission eine Löschquote von 59 Prozent. Ende 2016 lag sie noch bei nur 28 Prozent.

Den Daten zufolge kommt der Kampf gegen Hass und Hetze im Internet auch ohne gesetzliche Regelungen, wie es sie in Deutschland gibt, voran. Gleichzeitig zeigen die neuen Zahlen, dass auch das deutsche Gesetz zur Eindämmung von Hasspropaganda im Internet seine Berechtigung haben könnte. Kein anderer EU-Staat kam nämlich zuletzt wie Deutschland auf eine Löschquote von 100 Prozent.

Die EU-Kommission verweist allerdings darauf, dass andere Staaten ohne Gesetze nur knapp dahinter liegen. So kommt Litauen beispielsweise auf eine Quote von rund 99 Prozent.

„Die neuesten Ergebnisse zeigen uns deutlich, dass die freiwillige Selbstverpflichtung derzeit sehr gut funktioniert, wenn es um Hass im Netz geht“, sagte EU-Justizkommissarin Vera Jourová zur Vorlage der neuen Zahlen der Deutschen Presse-Agentur. Der vor eineinhalb Jahren vereinbarte Verhaltenskodex habe sich „als wirksames und treffsicheres Instrument“ erwiesen.

Jourová kündigte zudem an, dass sich künftig auch das Foto-Netzwerk Instagram und Google+ bei dem freiwilligen System mitmachen werden.

Die Kommissarin warnte die Branche allerdings davor, sich auf den Erfolgen auszuruhen. „Ich würde von den IT-Unternehmen ähnliche Entschlossenheit erwarten, wenn es um andere wichtige Themen wie terroristische Inhalte oder unfaire Geschäftsbedingungen für User geht“, sagte sie. Sollten die Bemühungen nicht fortgesetzt werden oder sich abschwächen, werde die Kommission zusätzliche Maßnahmen in Erwägung ziehen.

Die neuen Zahlen zeigen auch, dass sich die meisten Beschwerden auf Hetzpropaganda gegen bestimmte Volksgruppen, Muslime, Fremde oder Schwule und Lesben beziehen. Am stärksten betroffen ist den Zahlen zufolge das soziale Netzwerk Facebook, das rund die Hälfte aller Beschwerden bearbeiten musste. Über den Kurznachrichtendienst Twitter und die Video-Plattform YouTube werden demnach weitaus weniger Inhalte veröffentlicht, die Anlass zu einer Beanstandung geben.

Überdurchschnittlich gut reagierten die sozialen Netzwerke im Schnitt auf aus Deutschland gemeldete Hasskommentare. Von ihnen wurden sogar 80 Prozent gelöscht. Benachrichtigungen aus Spanien führten hingegen nur in rund 17 Prozent der Fälle zu Löschungen.

In der EU-Kommission werden die jüngsten Daten als weiterer Beleg dafür gesehen, dass Deutschland eventuell zu schnell ein Gesetz gegen Hass im Netz eingeführt hat. Die Brüsseler Behörde hatte den deutschen Alleingang zuletzt mehrfach kritisiert. Sie befürchtet einen Flickenteppich an Regeln in Europa und einen möglichen Missbrauch durch Regierungen, die die Meinungsfreiheit einschränken wollen.

Das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz hatte zuletzt auch in Deutschland heftige Kritik ausgelöst. Gegner der Regelung bemängeln, dass es in der Hand der Plattformbetreiber liege, neben klaren Rechtsverstößen auch über juristisch zweifelhafte Fälle zu urteilen.

Befürchtet wird zudem, dass die Betreiber in vorauseilendem Gehorsam in Zweifelsfällen lieber löschen oder sperren. Das könne zu einer Zensur von unliebsamen Beiträgen und letztlich zur Einschränkung der Meinungsfreiheit führen. Unlängst hatte die Sperrung des Twitter-Accounts der Satire-Zeitschrift „Titanic“ Empörung ausgelöst.

Das Gesetz soll eigentlich dazu führen, dass Online-Netzwerke strafbare Inhalte schneller löschen. Bei systematischen Verstößen gegen die Vorgaben sind Bußgelder von bis zu 50 Millionen Euro vorgesehen.