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dpa

Zeitungsverleger fordern Abbau von Wettbewerbsnachteilen

Seit Jahren machen den Zeitungsverlegern sinkende Auflagen zu schaffen. Nun trafen in Sonthofen im Allgäu die Verlegerverbände von Bayern und Baden-Württemberg zusammen, um Strategien abzustimmen − und um sich die Ratschläge eines Bloggers anzuhören.

Sonthofen (dpa) − Zur Stärkung der Zeitung als journalistisches Medium haben Verleger die Politik zu einem raschen Abbau von Wettbewerbsnachteilen aufgefordert. So brauche es etwa Erleichterungen für Zusteller, teilten die Zeitungsverlegerverbände von Bayern und Baden-Württemberg am Montag in Sonthofen im Allgäu mit. Wegen der Kosten durch den Mindestlohn sehen viele den Zeitungsvertrieb bedroht und eine flächendeckende Auslieferung der Zeitungen in Gefahr. Eine Lösung könne es sein, die Zustellung als haushaltsnahe Dienstleistung einzustufen und die 450-Euro-Grenze für Minijobs anzuheben.

 

Den Zeitungsverlegern machen seit Jahren sinkende Auflagen zu schaffen. Bundesweit lag der Rückgang 2017 bei 3,9 Prozent im Vergleich zur Auflage von 2016.

Die Verbandsvorsitzenden Andreas Scherer (Bayern) und Valdo Lehari jr. (Baden-Württemberg) riefen zudem die EU-Politik auf, das „unfaire Treiben“ von Internetriesen wie Google und Facebook zu beenden. Dazu müsse etwa das EU-Parlament ein europäisches Urheberrecht verabschieden, sagte Scherer als Vorsitzender des Verbandes Bayerischer Zeitungsverleger (VBZV). „Die Unkultur des Kostenlosen ist unser Fluch“, betonte Lehari jr. als Vorsitzender des Verbandes Südwestdeutscher Zeitungsverleger (VSZV).

Die Verbandschefs kritisierten auf ihrer gemeinsamen Jahrestagung, dass die digitalen Plattformen im Internet sich bisher weigerten, für die Nutzung fremder und wertvoller Verlagsinhalte Geld zu bezahlen. Schon seit Jahren machen die Verlage Druck auf die Politik, ihre Lage zu verbessern. Sie argumentieren damit, dass Zeitungen mit viel Aufwand und Geld regionale journalistische Inhalte produzieren.

Insbesondere durch die globalen Internetkonzerne sehen sie sich aber im Nachteil auf dem digitalen Markt. Ein Urheberrecht könne es den Verlagen ermöglichen, für die Nutzung ihrer Inhalte im Internet Gebühren zu verlangen, sagte Lehari jr. Er ist auch Vizepräsident des Europäischen Zeitungsverlegerverbandes (ENPA). Dass die Monopolisten im Internet heute ohne Verantwortung agierten, zeigten aus Sicht der Verlage auch der Daten-Skandal bei Facebook sowie das Ausnutzen von Steuervorteilen.

Der Blogger und Journalist Richard Gutjahr riet den Verlegern, ihren Kampf gegen presseähnliche Internetangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufzugeben und den Spieß umzudrehen: „Wenn Ihnen die „Tagesschau“-App zu presseähnlich ist, dann werden Sie doch einfach bewegtbildähnlicher“, sagte Gutjahr in seiner Festrede. Denn für Videos im Netz werde es schon bald einen riesigen Werbemarkt geben. Mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G werde auf jedem Smartphone in Deutschland das Zehnfache an Glasfaser-Bandbreite zur Verfügung stehen. „Das ist eine Schlacht, für die es sich zu kämpfen lohnt.»

Der Kampf für das Leistungsschutzrecht sei dagegen vergeblich, meinte Gutjahr: «Sie glauben, Sie kämpfen gegen Facebook. In Wahrheit kämpfen Sie gegen das Internet.“ Der Blogger riet den Zeitungshäusern auch, das Bezahlen für Online-Artikel nutzerfreundlicher zu machen: „Bezahlen so einfach wie das Liken bei Facebook − das müssen Sie erreichen.“ Niemand im Netz habe Geduld − das sei eine Grundweisheit, „gegen die Sie auf allen Plattformen verstoßen“.

Gutjahr, der unter anderem als Moderator im BR Fernsehen arbeitet, rief die Verleger dazu auf, sich für einen höheren Rundfunkbeitrag stark zu machen. Im Gegenzug könnten ARD und ZDF ihre Archive für die Zeitungen öffnen. Die Schätze in den TV-Archiven seien über den Rundfunkbetrag von allen bezahlt worden und gehörten daher auch allen.

Die Zeitungsverleger beklagen auch einen unfairen Wettbewerb durch kommunale Amtsblätter mit redaktionellen Inhalten und kostenlose Anzeigenportale der öffentlichen Hand. VSZV-Chef Lehari jr. kritisierte, dass die Blätter und Online-Portale fast schon den Charakter von Lokalzeitungen hätten. „Die Inhalte gehen weit über die staatliche Informationsaufgabe einer verwaltungsbezogenen Berichterstattung hinaus“, sagte er. Deshalb bedrohten sie die Geschäftsgrundlage von Zeitungen.

Die Auflagenrückgänge bei den Zeitungen in Bayern und Baden-Württemberg liegen traditionell unter dem Bundesdurchschnitt. Die verkaufte Auflage im Freistaat sank um 2,9 Prozent auf 2,26 Millionen Exemplare. Die verkaufte Auflage der lokalen und regionalen Abonnementzeitungen im Südwesten lag Ende 2017 bei 1,75 Millionen Exemplaren. Das waren 2,65 Prozent weniger als Ende 2016.

Auch auf dem Werbemarkt stehen die Zeitungen unter Druck. Die Zeitungsverleger sind trotzdem zuversichtlich. Denn laut einer Studie erreichen sie mit ihren Printausgaben und Digitalauftritten 87 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung.