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dpa

Deniz Yücel erhält Medienpreis und kritisiert Erdogans Staatsbesuch

Ein Jahr lang saß Deniz Yücel in türkischer Haft. Nun wird er mit einem weiteren Medienpreis ausgezeichnet. In seiner Dankesrede kritisiert er die Lage in der Türkei, aber auch die Bundesregierung.

Potsdam (dpa) − Beim Empfang eines Medienpreises hat der „Welt“-Journalist Deniz Yücel den bevorstehenden Deutschland-Besuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan kritisiert und der Bundesregierung „Verrat“ vorgeworfen. Es scheine, „als würde sich die Bundesregierung anschicken, ein weiteres Mal all jene Menschen in der Türkei zu verraten, die sich nach einer freiheitlichen, demokratischen und säkularen Gesellschaft sehnen“, hieß es am Dienstag in einem vorab verbreiteten Redetext zur Ehrung Yücels mit dem Medienpreis M100 Media Award in Potsdam. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier werde einen „Verbrecher zum Staatsbankett empfangen“, der sich „des Menschenraubs schuldig gemacht habe“.

 

Yücel, der für die „Welt“ als Türkei-Korrespondent gearbeitet hatte, war bis zu seiner Freilassung im Februar ein Jahr lang in Istanbul inhaftiert. Nach seiner Entlassung reiste er aus. Sein Prozess wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda und Volksverhetzung geht jedoch weiter. Yücel erhielt den M100 Media Award für seine mutige und unbestechliche Arbeit, wie es hieß. Der Preis geht an Persönlichkeiten, die sich für Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit einsetzen.

Erdogan wird am 28. und 29. September zu seinem ersten Staatsbesuch in Berlin erwartet. Dazu gehören ein Empfang mit militärischen Ehren, ein Staatsbankett beim Bundespräsidenten und Gespräche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Idee, Erdogan im Rahmen eines groß angelegten Staatsbesuchs anstatt im Rahmen eines reinen Arbeitsbesuchs zu empfangen, wurde von vielen Seiten kritisiert.

Yücel, der seine Untersuchungshaft als „Geiselnahme“ bezeichnete, räumte laut Redetext ein, dass es eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Türkei geben müsse, diese müsse aber an Bedingungen geknüpft werden. In der Türkei müsse die „gängige Praxis, erst verhaften, dann Beweise suchen und schließlich schmoren lassen“, aufhören. Yücel kritisierte auch den Umgang mit dem deutschen Fußball-Profi Mesut Özil und warf denjenigen, die Özils Rausschmiss aus der Nationalmannschaft gefordert hatten, Rassismus vor.

In der Türkei sind nach wie vor mehrere deutsche Staatsbürger aus „politischen Gründen“ inhaftiert. Außerdem sitzen zahlreiche türkische Journalisten und Oppositionelle im Gefängnis.

An der Medienkonferenz M100 Sanssouci Colloquium, zu deren Abschluss der Preis verliehen wurde, nahmen rund 60 Chefredakteure, Historiker und Politiker aus Europa und den USA teil. Sie diskutierten zum Thema „Home Alone? Europe in the Post-American Age“. Im Mittelpunkt stand dabei der Zustand des transatlantischen Verhältnisses.

Bisherige Preisträger waren unter anderem der Rockmusiker Bob Geldof, der Boxer Vitali Klitschko, der dänische Karikaturist Kurt Westergaard oder das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“.