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dpa

Erneutes Urteil − Türkischer Journalist aus Haft in Hausarrest

Ist die Türkei noch ein funktionierender Rechtsstaat? Zumindest konnte das Verfassungsgericht jetzt eine eigentlich schon einmal getroffene Entscheidung zugunsten eines Journalisten durchsetzen. Viele seiner Kollegen bleiben aber weiter in Haft.

Istanbul (dpa) − Nach 20 Monaten in Untersuchungshaft ist der Journalist Sahin Alpay in der Türkei aus dem Gefängnis entlassen und unter Hausarrest gestellt worden. Das berichteten türkische Medien am Samstag. Das türkische Verfassungsgericht hatte zuvor erneut entschieden, dass die Haft seine Grundrechte unrechtmäßig einschränke. Es sprach ihm am Freitag eine Entschädigung zu. Ein Strafgericht in Istanbul ordnete daraufhin die Entlassung des 74-jährigen prominenten Regierungskritikers an.

 

Alpay war nach dem gescheiterten Militärputsch vor knapp zwei Jahren festgenommen worden, für den die türkische Regierung den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen verantwortlich macht. Alpay schrieb für die inzwischen geschlossene Zeitung „Zaman“, das wichtigste Medium der Gülen-Bewegung.

Das Verfassungsgericht hatte bereits im Januar geurteilt, dass die Untersuchungshaft von Alpay und dem ebenfalls klagenden Journalisten Mehmet Altan gegen das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit verstoße. Damit hätten beide eigentlich aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen. Nach harscher Kritik der Erdogan-Regierung an dem Urteil hatten untergeordnete Gerichte es aber verweigert, die Freilassung umzusetzen.

Der Europarat hatte die Türkei daraufhin scharf kritisiert und zur Achtung ihres eigenen Verfassungsgerichts aufgerufen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf die Frage auf, „ob die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei funktioniert“.

Alpay und Altan waren gegen die Weigerung erneut vors Verfassungsgericht gezogen. Das betonte am Freitag, dass seine Urteile bindend seien. Altans Fall werde zu einem späteren Zeitpunkt beraten. Am kommenden Dienstag befasst sich zudem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg mit beiden Fällen.

Am 16. Februar hatte ein Strafgericht Altan und weitere Beschuldigte wegen versuchten Umsturzes zu lebenslanger Haft. Das Verfahren gegen Alpay, dem Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen wird, läuft dagegen noch. Das Datum für einen Prozess gegen ihn steht noch nicht fest.

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind in der Türkei derzeit rund 150 Journalisten und Medienschaffende im Gefängnis. Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen liegt das Land auf Platz 155 von 180, zwei Plätze hinter Weißrussland. In den vergangenen Wochen kamen allerdings einige prominente Journalisten frei, unter anderem Ahmet Sik von der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“ und der deutsch-türkische „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel.