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Meine größte Story: Journalist Juris Kaza über den „Baltischen Weg“

Der „Baltische Weg“ war eine entscheidende Weichenstellung in der sogenannten „Singenden Revolution“, die im Herbst 1991 in der Unabhängigkeit der baltischen Staaten und dem Zerfall der Sowjetunion mündete.

Riga (dpa) − Nur wenige dürften vor 30 Jahren einen so guten Blick auf den „Baltischen Weg“ gehabt haben wie Juris Kaza. Der 69-jährige Lette war einer der wenigen Journalisten, die die gigantische Menschenkette durch die damaligen Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen am 23. August 1989 aus der Vogelperspektive gesehen und gefilmt haben − aus einem Hubschrauber.

„Ich habe damals sofort verstanden: Der einzige Weg, wie man der Welt das Ausmaß und die Bedeutung des „Baltischen Wegs“ vermitteln kann, ist von oben. Wenn sich tatsächlich Hunderttausende von Menschen aufreihen und an den Händen fassen, kann dies nur aus einem Flugzeug gezeigt werden“, sagte Kaza der Deutschen Presse-Agentur in Riga.

Am 23. August 1989 hatten rund zwei Millionen Esten, Letten und Litauer mit einer 600 Kilometer langen Menschenkette von Tallinn (Estland) über Riga (Lettland) bis nach Vilnius (Litauen) für ihre Freiheit demonstriert. Damit erinnerten sie an den 50. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts, in dessen Gefolge die Baltenstaaten von der Sowjetunion erobert worden waren.

Der in Deutschland geborene Exil-Lette Kaza lebte damals in Schweden und reiste wenige Tage vor dem Zustandekommen des „Baltischen Wegs“ nach Lettland. „Ich kam mit einem Camcorder und der Absicht, die geplante Menschenkette und andere Ereignisse für das schwedische Fernsehen zu filmen“, sagte Kaza. Per Zufall erhielt er die Gelegenheit, in einem auf halblegalen Weg vom lettischen Fernsehen organisierten Helikopter mitzufliegen.

„Ich bin das Risiko ohne längeres Nachdenken eingegangen, denn dies war die größte Story damals in den baltischen Staaten. Für mich war es klar, dass dieses Ereignis den Lauf der Geschichte verändern könnte. Journalistisch war es daher nötig, Grenzen zu überschreiten und sich im Graubereich der Legitimität zu bewegen“, sagte Kaza.

Im Rückblick war der „Baltische Weg“ in der Tat eine entscheidende Weichenstellung in der sogenannten „Singenden Revolution“, die im Herbst 1991 in der Unabhängigkeit der baltischen Staaten und dem Zerfall der Sowjetunion mündete. Doch für Kaza endete er zunächst weniger glücklich: Wegen der Hubschrauberaktion verhängten die Sowjetbehörden gegen ihn ein fünfjähriges Einreiseverbot.

So lange aber sollte die Sowjetunion nicht mehr Bestand haben: Schon zwei Jahre später betrat Kaza wieder sein Heimatland − mit dem ersten Visum, das von der diplomatischen Vertretung des wieder unabhängigen Lettlands in Stockholm ausgestellt wurde.