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dpa - Benedikt von Imhoff

Historische Aussage: Prinz Harry in Londoner Prozess im Zeugenstand

Liebe, Partys, Drogen − was auch immer Prinz Harry (angeblich) machte, es stand bald darauf in der Zeitung. Häufig aber sollen die Blätter illegal an die Informationen gekommen sein. Dagegen wehrt sich der britische Königssohn nun vor Gericht.

London (dpa) − Großbritannien rüstet sich für einen historischen Gerichtstag: Mit Prinz Harry tritt erstmals seit mehr als 130 Jahren ein Mitglied der Royal Family in den Zeugenstand. Der Sohn von König Charles III. soll am Dienstag persönlich im Londoner Prozess gegen den Verlag Mirror Group Newspapers (MGN) aussagen. Der 38-Jährige wirft den MGN-Blättern „Daily Mirror“, „Sunday Mirror“ und „People“ vor, ihn jahrelang illegal abgehört und bespitzelt zu haben − bereits als Minderjährigen.

 

Insgesamt 33 Artikel nimmt der High Court in der britischen Hauptstadt unter die Lupe. Der erste stammt vom 16. September 1996. „Diana so traurig an Harrys großem Tag“, überschrieb der „Mirror“ einen Bericht, laut dem Mutter Prinzessin Diana nur wenig Zeit mit ihrem Sohn an dessen zwölften Geburtstag verbracht haben soll. In einem anderen Artikel geht es um eine kleinere Operation Harrys nach einem Sportunfall an seiner Schule − medizinische Details inklusive. Immer wieder im Fokus: das Liebesleben des Prinzen. So berichtete „People“ im April 2009, Harry habe seine langjährige Freundin Chelsy Davy geradezu mit Nachrichten „bombardiert“, um sie zurückzugewinnen.

 

„Kein Aspekt im Leben des jungen Prinzen war sicher“, sagte Harrys Anwalt David Sherborne am Montag. Schule, Freunde und Familie seien Ziele der Presse gewesen auf der Jagd nach privaten Details und Skandalen. Dadurch sei Misstrauen gesät worden zwischen Harry und seinem älteren Bruder Prinz William, die Beziehung zu Chelsy Davy sei an der Öffentlichkeit zerbrochen. „Die Höhen und Tiefen und Besonderheiten ihrer Beziehung, der Anfang, die Trennungen und schließlich der Bruch wurden in den drei Blättern der Mirror Group offenbart und auseinandergenommen“, betonte Sherborne.

 

Die Enthüllungen seien offensichtlich von „rechtswidrigen Aktivitäten“ getrieben worden. „Diese Methoden wirkten wie ein Spinnennetz um den Prinzen, in der Hoffnung, wertvolle Informationen abzufangen, nach denen sie mit illegalen Mitteln suchten und von denen einige zu Geschichten wurden“, kritisierte Sherborne. Mit Harrys Freund Guy Pelly sei dabei auch einer der engsten Vertrauten des Royals ins Visier der MGN-Zeitungen geraten.

 

Bei der zivilen Sammelklage werden exemplarisch die Fälle von mehreren Prominenten verhandelt. Im Vordergrund steht dabei, wie sehr die Führungsebene des Verlags in die Praktiken verwickelt war. MGN-Anwalt Andrew Green wies die Vorwürfe als „märchenhaft“ und „völlige Spekulation“ zurück. Der Prozess hatte am 10. Mai begonnen und soll bis Ende Juni beendet sein. Das Urteil wird aber erst später im Jahr erwartet. Erhalten Harry und die anderen Prominenten Recht, dürfte ihnen das Gericht Schadenersatz zuerkennen.

Eigentlich war erwartet worden, dass Harry bereits am Montag an dem Verfahren teilnimmt. Überraschend erschien der 38-Jährige aber nicht − zum offenkundigen Ärger des Richters. Er kritisierte, Zeugen müssten sich bereits einen Tag vor ihrer Aussage zur Verfügung halten.

 

Harry muss sich nun im Kreuzverhör den Fragen des Anwalts der Gegenseite stellen. Das Gericht genehmigte dem MGN-Vertreter Andrew Green einen halben Tag mehr für die Befragung. Das Verhör könne eine schmerzhafte Erfahrung für Harry werden, sagte der Medienanwalt Matthew Dando der BBC. Es stehe unglaublich viel auf dem Spiel, und die Vorlage von Beweisen sorge für zusätzliche Unsicherheit. Ziel sei, die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu untergraben. „Es gibt kaum etwas, das tabu ist. Es könnte in alle Bereiche des persönlichen und privaten Lebens eindringen“, sagte Dando.

 

Für Harry gehören die Aussage und die Klagen gegen insgesamt drei Verlage von Boulevardmedien − in den anderen beiden Fällen steht ein Prozess noch aus − zu seinem erklärten Lebensziel, die Presselandschaft zu reformieren. Er wirft der „tabloid press“ seit langem vor, schuld am Unfalltod seiner Mutter Prinzessin Diana 1997 zu sein und sein eigenes Leben zerstört zu haben.

 

Zur Außendarstellung der Monarchie gehört, es nicht auf Prozesse ankommen zu lassen. Als letzter Royal stand 1891 der spätere König Edward VII. im Kreuzverhör, er wurde in einem Verfahren um Betrug beim Kartenspiel als Zeuge gehört.

 

Vor allem unter jungen Menschen, die die Institution zunehmend kritisch sehen, könnte das Verfahren aber Harrys Beliebtheit steigern, sagte die Royals-Expertin Pauline Maclaran von der Londoner Universität Royal Holloway der BBC. Er gelte in dem Fall als Außenseiter. „Viele junge Leute sehen in ihm eine heldenhafte Figur, die gegen das Establishment kämpft“, sagte sie.