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dpa - Deutsche Presseagentur GmbH

Im Visier der Mafia: Journalisten in Italien als Spielball der Macht

Italien ist zwar nicht China oder Nordkorea, aber wenn es um die Pressefreiheit geht, dann ist die Situation im europäischen Vergleich bedenklich. Morddrohungen und millionenschwere Verleumdungsklagen gehören zum Alltag − und selbst der Vatikan steht in der Kritik.

Rom (dpa) − Als im vergangenen Jahr der Mafia-Boss Vittorio Casamonica prunkvoll im Herzen Roms beigesetzt wurde, regnete es dabei aus Hubschraubern abgeworfene Rosenblätter. Einmal mehr wurde klar, welche Macht das organisierte Verbrechen in Italien hat. Auch über die Presse: Ein Reporter, der über das Beisetzungsspektakel berichten wollte, wurde kurzerhand von vier Mafiosi mit dem Tod bedroht. „Ich werde Dich umbringen“, sagte einer von ihnen und ließ sich dabei nicht einmal von der noch laufenden Kamera des Reporters beirren.

 

Solche Szenen gehören für so manchen im Mediensektor beschäftigten Italiener zum Arbeitsalltag. Grund genug für Reporter ohne Grenzen, das Land kritisch zu sehen: 2015 rutschte Italien in der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation bereits um 24 Plätze auf den 73. von insgesamt 180 Rängen ab. 2016 kommt es nun mit Platz 77 sogar noch schlimmer. Für einen europäischen Staat ist das eine miserable Platzierung, das Land liegt hinter Madagaskar, der Mongolei und der Republik Moldau und nun sogar hinter Nicaragua.

Experten von Reporter ohne Grenzen (ROG) analysieren für die Liste verschiedene Indikatoren, die vom Pluralismus der Medien über Selbstzensur bis hin zu Transparenz und Infrastruktur reichen. „Das Ausmaß der Gewalt gegenüber Reportern ist alarmierend (inklusive verbaler und physischer Einschüchterung und Todesdrohungen)“, begründete ROG die Herabstufung. Journalisten, die in Italien Geschichten über Korruption und das organisierte Verbrechen recherchierten, seien am schlimmsten betroffen.

 

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Organisation von gewalttätigen Angriffen auf Journalisten, von Brandanschlägen auf deren Häuser und Autos sowie ungerechtfertigten Verleumdungsklagen berichtet. „Leute, die in öffentliche Ämter gewählt wurden, haben den Großteil dieser Klagen angestrengt − und das ist eine Form von Zensur“, monierte ROG.

 

Kritik gab es jetzt auch am Vatikan − wegen des Umgangs des Kirchenstaats mit den Medien im Zusammenhang mit dem Vatileaks-Skandal. Der Vatikan macht derzeit zwei italienischen Enthüllungsjournalisten den Prozess, weil ihnen vorgeworfen wird, illegalerweise geheime Vatikan-Dokumente veröffentlicht zu haben. Den Journalisten drohten acht Jahre Gefängnis, nur weil sie Intrigen hinter den Mauern des Heiligen Stuhls aufgedeckt hätten, kritisierte Reporter ohne Grenzen.

 

In Italien kommt der massive Einfluss hinzu, den die Regierung weiterhin auf die staatlichen Medien nimmt. „Die Einmischung der Politik in das Management des öffentlichen Senders RAI und deren negative Auswirkungen auf die Unabhängigkeit in der Berichterstattung machen uns schon lange Sorgen“, so Elen Aghekyan, Europa-Analystin bei der internationalen Nichtregierungsorganisation Freedom House.

„Das Parlament hat kürzlich eine neue Gesetzgebung für Reformen innerhalb der RAI verabschiedet, und wir beobachten genau, ob diese Veränderungen auch zu mehr Unabhängigkeit in der Berichterstattung führen“, so Aghekyan. Laut dem Ende Januar in Kraft getretenen Gesetz gewinnen die Regierung ebenso wie der neue Generaldirektor auf Kosten der Parteien an Einfluss. Der Intendant hat neuerdings große Vollmachten, die fast dem eines Vorstandsvorsitzenden in einem Wirtschaftsunternehmen gleichen. Ministerpräsident Matteo Renzi will den Staatssender so in eine moderne Media Company umwandeln.

 

Dies rief bereits Kritiker auf den Plan, etwa Roberto Fico, Vorsitzender des zuständigen Parlamentsausschusses und Mitglied der Oppositionspartei Movimento Cinque Stelle (M5S). Die RAI sei nun eine Rundfunkanstalt, „die von einem einzigen Mann auf dessen Befehl hin geführt“ werde, monierte er und fügte hinzu: „In jeder anderen Demokratie wäre so etwas undenkbar.“

 

Dennoch, es ist kaum zu übersehen, dass Italien in puncto Meinungsfreiheit Fortschritte gemacht hat, seit Medienmogul Silvio Berlusconi nicht mehr an der Macht ist. Denn der heute 79-Jährige herrschte − mit kleinen Unterbrechungen − von 1994 bis 2011 nicht nur über seine eigene Mediengruppe Mediaset, zu der die größten Privatsender des Landes gehören, sondern als Regierungschef auch über die staatliche RAI. Wer sich damals an politischer Satire übte, der konnte schon mal seinen Posten verlieren.

 

Seit Berlusconi abgetreten sei, gebe es „weniger Selbstzensur, weniger Druck seitens der Regierung und größere Anstrengungen, die Medien-Gesetzgebung zu stärken“, sagt Aghekyan. „Aber Berlusconi ist trotzdem immer noch der Chef einer großen politischen Partei“, meint sie. „Und es ist auch besorgniserregend, dass es keine Regeln gibt, um einem solchen Interessenskonflikt in Zukunft vorzubeugen.»