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dpa - Deutsche Presseagentur GmbH

Nächste Frage, bitte − Mühsame WM-Beziehung zwischen Stars und Medien

Wenn Journalisten bei der WM in Russland mit Stars sprechen wollen, müssen sie Glück haben. Neymar, Ronaldo und Co. müssen nur öffentlich reden, wenn sie gerade Lust haben. Und schließlich kommt es auch noch auf die Frage an.

Sotschi/Rostow am Don (dpa) − Dieses Problem kennt Cristiano Ronaldo aus Russland schon. Und die Lösung auch. Fragen zu kritischen Themen, wie seinem Steuerprozess in Spanien, lässt der portugiesische Superstar nicht zu − und die FIFA hilft ihm dabei. Das war beim Confederations Cup im vergangenen Sommer so und wiederholt sich nun bei der Fußball-WM. Der fünffache Weltfußballer wird somit zum Musterbeispiel für eine schwierige Beziehung zwischen Profis und Medien. Ausgerechnet in Russland, dass für fehlende Pressefreiheit international kritisiert wird, bestimmen auch die Superstars der Fußball-Branche, wo und wie sie sich öffentlich äußern.


Nach seinem Dreierpack gegen Spanien marschierte Ronaldo an rufenden und teils flehenden Medienvertretern vorbei. Dass er kurz zuvor als „Spieler des Spiels“ auf die offizielle Pressekonferenz hatte kommen müssen, brachte die Journalisten auch nicht weiter. Dort waren lediglich zwei Fragen einer FIFA-Sprecherin zugelassen. Wie er sich denn nun fühle, war die eine. Und was nun Portugals Ziele für die WM seien, die andere. Dann war Ronaldo entlassen.

 

Neymar bleibt immerhin noch stehen. Rund 100 Sekunden nahm sich der Superstar nach dem 1:1 der Brasilianer gegen die Schweiz, um auf Fragen der Journalisten zu antworten. Ein riesiger Pulk hatte sich in den Katakomben des Stadions in Rostow am Don um den 26-Jährigen gebildet. Wer am lautesten rief, bekam eine knappe Antwort. Aber immerhin bekam er eine.

 

Auch die Verbände haben auf den teils selbst verursachten WM-Hype reagiert und regulieren Zugänge zu den Stars wie transportierte Inhalte selbst. Beim DFB wurden nach der Auftaktpleite gegen Mexiko alle Medienkontakte am Montag abgesagt. Eine Pressekonferenz mit Ehrenspielführer Philipp Lahm wurde gestrichen, bei einem Termin mit dem WM-Kapitän von 2014 in der deutschen Schule in Moskau waren Journalisten-Fragen nicht erlaubt. Immerhin konnte ein Schüler so die interessanteste Frage des Tages stellen, wie Lahm denn die Probleme im deutschen Team sieht.

Als Bundestrainer Joachim Löw auf einer Pressekonferenz im Trainingslager in Südtirol bekanntgab, dass er Leroy Sané, Nils Petersen, Jonathan Tah und Bernd Leno nicht mit zur WM nehmen würde, waren im offiziellen Teil keine Fragen gestattet.

 

Das Phänomen der selbst regulierten Informationspolitik ist nicht neu. Auch in der Bundesliga bereiten Clubs ihre Botschaften über diverse Medienkanäle immer intensiver selber auf. Gezielte Meinungsmache? Schutz vor aggressivem Journalismus? Oder schlicht eine ökonomisch interessante Vermarktungschance?

 

Die freiwillige Ronaldo-Zensur wäre nicht weiter überraschend gewesen, wenn allen „Spielern des Spiels“ keine Fragen von Journalisten gestellt werden dürften. Für viele ist das aber weiterhin kein Problem. Manche Akteure können etliche Dinge gefragt werden. An den Brasilianer Philippe Coutinho waren nach dem Schweiz-Spiel immerhin zwei Fragen zugelassen. Doch gerade Ronaldos Meinung wäre zu verschiedensten Themen interessant gewesen.

 

Nicht nur zur nächsten sportlichen Bestmarke seiner Karriere, sondern auch zu seiner Bereitschaft, 18,8 Millionen Euro an Nachzahlungen, Geldstrafe und Zinsen an den spanischen Fiskus zu leisten und eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung zu akzeptieren. Diese Einigung mit der Justiz war kurz vor dem Anpfiff der Partie gegen Spanien bekanntgeworden.

 

Fragen, die nichts mit der WM zu tun haben, werden aber nicht gerne gesehen. „Sie haben nichts Besseres zu fragen“, ätzte Kroatiens Topstar Luka Modric gegen einen Journalisten, der ihn nach seiner Verwicklung in einen Steuerskandal gefragt hatte. „Das ist eine WM und wir sprechen nicht über andere Dinge.“

 

Ähnlich handhabt es der polnische Verband. Als Bayern-Angreifer Robert Lewandowski bei einer Pressekonferenz im polnischen WM-Quartier in Sotschi von einem Reporter zu seinen Wechselabsichten gefragt wurde, unterbrach ihn Polens Sprecher mitten im Satz. Begründung: Das hier sei eine WM, da solle auch über die WM geredet werden. Der französische Verband lässt mitunter sogar nur Fragen auf Französisch zu. Ein nur spanisch sprechender Journalist diktierte seine Frage deshalb in sein Smartphone, ließ sie von einer App übersetzen und spielte die französische Version ins Saalmikrofon ein.

 

Festlegen können die Teams ihre Bedingungen selbst − und Cristiano Ronaldo sowieso.