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Noten für Bild-Chefredakteur Julian Reichelt: Das kress pro-Zeugnis

Noten für Bild-Chefredakteur Julian Reichelt: Das kress pro-Zeugnis Julian Reichelt auf dem neuen „kress pro“.

Wie schneidet Julian Reichelt in acht Führungs-Disziplinen ab, u.a. Handwerk, Arbeitshaltung, Sozialverhalten. „kress pro“-Chefredakteur Markus Wiegand stellt dem „Bild“-Chefredakteur ein Zeugnis aus.

Berlin – Das Zeugnis:

 

Strategie: gut 

Weil es immer weniger Leser gibt, die für Boulevard-News Geld ausgeben, steht das Segment mächtig unter Druck. Mit aller Macht an die Bewegtbild-Werbeetats ranzugehen, wie Reichelt es will, ist so richtig wie naheliegend. Das Bild-Plus: 500 Reporter sind schon da. Die müssen jetzt nur noch lernen, alles ins rechte Bild zu setzen. 

 

Verkauf: befriedigend 

Das Segment ist schwierig, aber Reichelts Bilanz ist im Branchenvergleich nur durchschnittlich, selbst wenn man den Corona-bedingten Schwund im zweiten Quartal außen vor lässt. Vom Amtsantritt Reichelts als Chef der Marke Bild vor mehr als drei Jahren bis zum ersten Quartal 2020 ist der Einzelverkauf der Tageszeitung um fast 30 Prozent eingebrochen (von 1,6 Millionen auf 1,1 Millionen Exemplare). Die viel gerühmten Digitalverkäufe von Bildplus dagegen haben im gleichen Zeitraum nur um 8 Prozent zugelegt (von 358.000 auf 463.000, auf Tagesbasis). In weniger als drei Jahren hat „Bild“ also 365.000 tägliche Käufer verloren (nimmt man das zweite Quartal dazu, sind es sogar fast 450.000). 

 

Handwerk: befriedigend 

Er hat den Boulevardinstinkt und die Nähe zur Zielgruppe. Beim Schlagzeilen-Finden und in der Mischung der Tageszeitung kann er noch zulegen. 

 

Sozialverhalten: ausreichend 

Auch Mitarbeiter, die ihn schätzen, sehen im Umgang mit anderen Luft nach oben. Besserwisserei ist keine Führungsstärke. Er hat so auch Leute vergrault, deren Kompetenzen der Marke guttun würden. 

 

Arbeitshaltung: gut

Reichelt trommelt wie ein Wahnsinniger für seine Marke. (Je nach Sympathie betonen die Quellen das Trommeln oder den Wahnsinn.) Als machtbewusster Chef für „Bild“, bild.de und „Bild am Sonntag“ ist sein Pensum bemerkenswert. Einziges Manko: Intern wünschen sich manche mehr Präsenz beim Blattmachen. 

 

Durchsetzungsvermögen: sehr gut 

Er hat Konkurrenten gnadenlos weggebissen. Andererseits sind auch viele nicht mehr da, die seinen Weg bei „Bild“ nicht mitgehen wollten. Früher wären die auf gut bezahlte Positionen weggelobt worden, heute müssen sie gehen.

 

Eigen-PR: befriedigend

Reichelts größte Stärke: Er duckt sich nie weg. Reichelts größte Schwäche: Er hält auch dann nie den Mund, wenn es dringend mal angesagt wäre. 

 

Ethik: nicht teilgenommen 

Reichelt hier eine Note zu geben, wäre so, als würde man fragen, wie fromm ein Atheist sein kann. Boulevardjournalisten sind Grenzgänger. Verletzungen des Persönlichkeitsrechts anderer sind Teil des Geschäftsmodells. Viele Boulevardprofis leben dabei eine Lebenslüge: Was und wie sie berichten, würden sie für sich selbst nie akzeptieren. Das gilt auch für Julian Reichelt, der sein Privatleben schützt. 

 

Der Autor Markus Wiegand ist Chefredakteur „kress pro“

 

Wenn Sie die Noten mit der Realität abgleichen wollen, finden Sie in der Titelgeschichte von „kress pro“ (bestehend aus einem Interview und einem Hintergrund) dazu reichlich Gelegenheit.