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Hertha Kerz: "Journalisten sollten auch ihr Wissen weitergeben"

"Weiterbildung im und für den journalistischen Alltag kann nur durch Journalisten geschehen", schreibt die Hamburger Journalistin Hertha Kerz in einem Leserbrief und greift in die Newsroom.de-Debatte über Zertifizierungen von Journalistenseminaren ein.

Hamburg - Zertifizierungen sagen nur aus, dass die Inhalte, die der Kurs vermitteln sollte, in diesem Kurs vermittelt wurden. Über die Qualität der Lerninhalte, und vor allem darüber, ob der Teilnehmer es nicht nur (hoffentlich) verstanden hat, sondern in der Praxis auch umsetzen kann, wird nicht zertifiziert.

Christian Sauer schreibt in seinem Debattenbeitrag: “So sind Feedbackbögen am Seminarende heute selbstverständlich...“. Und: „Vielleicht sollte man, bevor man leichtfüßig Gütesiegel fordert, noch einmal fragen: Gibt es eigentlich Klagen über ein niedriges Niveau des journalistischen Weiterbildung? Hört man Berichte von krassen methodischen Fehlern der Dozenten? Werben Anbieter mit übertriebenen Versprechen? Meines Wissens muss die Antwort jeweils lauten: nein.“

 


Hertha Kerz ist freie Industriejournalistin in Hamburg. Foto: privat

 

Hier darf man nicht vergessen, dass der Dozent auf ein positives Feedback angewiesen ist.

Also manipulieren viele die Teilnehmer, so dass die Feedbackbögen per se besser ausfallen, als sie den vermittelten Qualitäten entsprechen. Und das geht so: Je nach Länge des Seminars, dreht der Dozent die letzten zehn bis fünfzehn Minuten noch einmal auf, ist lustig und bringt die Teilnehmer zum Lachen.

Das führt zu einem unmittelbaren Serotoninausstoß im Gehirn der Teilnehmer.

Wenn sie jetzt die Bögen ausfüllen, schwingt die positive psychische Verfassung in die Beurteilung sehr stark mit ein – und die Bewertung wird gleich um viele Prozentpunkte besser. Deshalb achten Dozenten akribisch darauf, dass die Kursteilnehmer sofort die Bögen ausfüllen.

Würden sie 15 bis 20 Minuten warten – solange dauert der Serotoninabbau im Gehirn bei einem gesunden Menschen – sähen die Beurteilungen gleich ganz anders aus. Außerdem beurteilen die Teilnehmer ja nur die Vermittlung der theoretischen Inhalte – wenn sie dann später jedoch in der journalistischen Wildnis stehen, merken sie schmerzvoll, was sie alles nicht können, bzw. dass sie schlicht nicht wissen, wie sie das theoretisch Gelernte praktisch umsetzen sollen.


Tatsächlich belegen viele Journalisten überhaupt keine journalistischen Weiterbildungsseminare mehr, weil sie - wie die von Christian Sauer erwähnte Teilnehmerin meinte: („Sie beschwert sich mitten im Seminar vehement, dass ihr „das alles“ nichts bringt, weil es völlig an ihrem Redaktionsalltag vorbeigehe,“) - sie im journalistischen Alltag nicht weiter bringen.

Tatsächlich gehen diese Journalisten den steinigen Weg des „Trial and Error“.


Was vorstellbar wäre, wäre ein Zusammenschluss aller freien Journalisten und aller Verlage, die zusammen solche Weiterbildungen im Blockunterricht anböten.

Hamburg beispielsweise bietet als Nebenfach, aber nur im Studium, Journalismus an.

Die Studenten studieren und bekommen immer wieder praktische Einblicke in die Verlage. So sollte Weiterbildung funktionieren.

Journalisten, die sich weiterbilden wollen, müssen auch bereit sein, Seminare anzubieten und ihr Wissen weiterzugeben.

Die Weiterbildungen liefen so ab, dass sich Theorie und Praxis ergänzten. Beispielsweise eine Woche Theorie, dann die Praxis in einen angeschlossenen Verlage. Hier werden die theoretischen Lerninhalte ausprobiert. Dann gehen die Teilnehmer wieder zurück in die theoretische Weiterbildung, berichten von ihren Erfahrungen und es wird weitergelernt oder „nachgebessert“.


Ein weiterer Punkt wäre die Einbeziehung möglichst vieler wissenschaftlicher Institutionen, damit auch die Kunst der praktischen Arbeit an Artikeln weiterentwickelt würde.

Hertha Kerz

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