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Als Journalistin und Journalist einen Mentor haben – worauf muss ich achten?

Als Journalistin und Journalist einen Mentor haben – worauf muss ich achten? Mediencoach Attila Albert

Mentorings haben sich bewährt, um Erfahrungen und Wissen auszutauschen. Doch oft wird eine Enttäuschung daraus: Der Mentor hat zu wenig Zeit und Abstand vom Tagesgeschäft. Der Mentee hat unrealistische Erwartungen. Mediencoach Attila Albert sagt, worauf beide Seiten achten sollten.

Berlin – Eine junge Redakteurin freute sich sehr, als ihr die Personalabteilung eine stellvertretende Chefredakteurin aus dem Haus als Mentorin vermittelte. Sie hoffte, von den Erfahrungen der älteren Kollegin lernen zu können, Kontakte und Empfehlungen zu erhalten. Doch bald war sie ernüchtert. Es blieb bei drei Mittagessen in der lauten Kantine, die sie als sehr gehetzt empfand. Die Mentorin, die mit ihrem Team mehrere Magazine betreute und sich ständig in einer Umstrukturierung befand, sagte immer wieder vereinbarte Termine ab. Auf E-Mails antwortete sie manchmal erst Wochen später oder gar nicht. Die Redakteurin fühlte sich zunehmend als lästige Bittstellerin und gab es irgendwann ganz auf, sich zu melden.

 

Mentoring gehört, wie viele andere HR-Initiativen (z. B. Teambuilding, Diversity-Programme) zu denjenigen, die auf den ersten Blick unterstützenswert und sinnvoll klingen, aber selten in ihrer Konsequenz durchdacht werden. Zunächst einmal verursachen sie für alle Beteiligten mehr Arbeit und stören die Routinen, ohne dass sich dann immer die versprochenen Vorteile einstellen. Problematisch ist das vor allem in Umfeldern, in denen die Teams sowieso seit langem unterbesetzt und überlastet sind. Selbst minimale zusätzliche Belastungen können dort nicht mehr verkraftet werden. Gut gemeinte Angebote verstärken dann nicht selten noch eine angespannte oder sogar feindselige Atmosphäre – „muss das jetzt auch noch sein?!“

 

Eine Bereicherung für beide Seiten

Grundsätzlich kann Mentoring für alle Seiten professionell vorteilhaft sein, gleichzeitig auch persönlich bereichernd. In jeder Lebens- und Karrierephase macht es Freude, etwas zu lernen und gleichzeitig auch etwas zu lehren. Der jüngere Beteiligte („Mentee“) kann für seine Entscheidungen auf die Erfahrung des anderen aufbauen, auf Kontakte und Zugänge hoffen. Gleichzeitig gibt er Aufmerksamkeit, Interesse und Begeisterungsfähigkeit, die den älteren Beteiligten („Mentor“) oft auf schöne Weise an seinen eigenen Berufsanfang erinnern und ihn neu motivieren können. Der Arbeitgeber profitiert vom Austausch und der Weitergabe des Wissens und organisiert Mentorings deshalb häufig aktiv selbst.

 

Meist entwickeln sich Mentoring-Beziehungen ganz informell im Redaktionsalltag: Ein älterer Kollege erklärt, gibt einen Rat, berät bei einer Entscheidung. Das findet oft seine Grenzen, wenn es Interessenkonflikte gibt. Beispiel: Der jüngere Mitarbeiter hat ein interessantes Job-Angebot erhalten und fragt seinen „befreundeten“ Vorgesetzten, ob er es annehmen solle. Der Mentor will seinen Mitarbeiter nicht verlieren, rät deshalb ab. Eventuell ist er sogar enttäuscht oder wütend wegen der empfundenen Undankbarkeit oder Illoyalität: „Dass du das überhaupt fragst – nach all dem, was ich hier für dich möglich gemacht habe!“ Ebenso heikel ist ein romantisches Interesse auf einer Seite: Regelmäßige vertrauliche Gespräche können zu Freundschaften, aber manchmal auch zu dem Wunsch nach mehr führen.

 

Hoffnungen und Erwartungen klären

Die Personalabteilungen sind daher vielfach dazu übergegangen, Mentorings systematisch zu organisieren: Kandidaten gezielt anzusprechen und miteinander bekannt zu machen sowie Regeln (z. B. Häufigkeit der Treffen, Länge des Programms, Grenzen) festzulegen. Das strukturiert das Ganze, macht es gleichzeitig auch künstlicher. Wenn Sie sich an solch einem Programm beteiligen, sei es als Mentee oder als Mentor, sollten Sie deshalb vorab trotzdem noch einmal gegenseitig Ihre Erwartungen und Hoffnungen besprechen – auch die Bereitschaft für eine gewisse Verbindlichkeit. Wer noch mitten in der Karriere steht, ist oft terminlich und nervlich schnell selbst unter Druck und nur sehr begrenzt eine Hilfe.

 

Besser ist oft ein Mentor aus einem ganz anderen Bereich oder gar Standort, um mögliche Konkurrenz zu vermeiden. Leider sind da Arbeitgeber oft nicht sehr vorausschauend. Eine junge Ressortleiterin unter meinen Klienten bekam eine nur wenig ältere Chefredakteurin als Mentorin zugeteilt und diskutierte mit ihr vertraulich schwierige Situationen in ihrer Abteilung. Einige Zeit später legte das Unternehmen beide Teams zusammen, machte die Jüngere zur Leiterin und ihre bisherige Mentorin zu einer Mitarbeiterin. Eine peinliche und unangenehme Situation für beide. Zudem glaubte die bisherige Chefredakteurin, ihr Mentee hätte von dem Vorhaben gewusst, es verschwiegen und sie vor der Zusammenlegung „ausgehorcht“.

 

Freiwilliges, begrenztes Engagement

Als Mentee fühlen Sie sich möglicherweise eingeschüchtert oder aufgeregt. Sie dürfen aber sicher sein: Sie sind kein Bittsteller, sondern geben auch viel. Ich würde für eine gesunde Balance zwischen einer gewissen Demut (Ihr Mentor hat mehr geleistet und ist Ihnen in einigen Aspekten überlegen) und Selbstbewusstsein (Sie können alles auch ganz anders machen) plädieren. Entscheidend ist, dass Sie nicht Ihren Mentor kopieren oder immer dessen Empfehlungen folgen wollen. Sie gehören zu unterschiedlichen Generationen, bewegen sich in verschiedenen Welten. Sinnvoller ist es, Erfahrungen auszutauschen. Statt „Was würdest du an meiner Stelle machen“ besser: „Wie war es damals bei dir?“

 

Für potentielle und aktive Mentoren muss dagegen klar sein, dass ihr Engagement freiwillig und zeitlich begrenzt sein sollte. Es ist nicht ehrenrührig, sich wegen hoher beruflicher oder persönlicher Belastung (z. B. Nachwuchs in der Familie) wieder aus einem derartigen Programm zurückzuziehen. Wenn Sie für eine gewisse Zeit helfen, tun Sie schon mehr als die meisten anderen. Sprechen Sie nur offen mit Ihrem Mentee, wenn Sie eine laufende Mentoren-Beziehung abbrechen oder reduzieren wollen. Das setzt ein professionelles Vorbild und vermeidet den falschen Eindruck, es gäbe persönliche Gründe. Wichtigste Fähigkeit als Mentor: Zuhören, nachfragen – erlauben Sie dem Mentee, eigene Antworten zu entwickeln. Er muss sich, wie Sie damals, ausprobieren und Fehler machen können.

 

Niemand sollte sich in die Rolle als Mentee oder Mentor drängen lassen, vor allem bei sowieso zu hoher Arbeitsbelastung. Nach meinem Eindruck sind Mentoren, die am Ende ihrer Karriere stehen und in einem ganz anderen Sektor arbeiten, oft die beste Wahl. Das vermeidet Konkurrenz und bringt eine gewisse Ruhe in die Beziehung. Gleichzeitig lassen sich genug Parallelen und Analogien finden. Ideal ist es für beide, parallel auch die jeweils andere Rolle zu erfahren: Als Mentee ebenso der Mentor für jemanden zu sein und so auch schon die Senioren-Position zu erleben. Und als Mentor auch der Mentee von jemandem zu sein, der vielleicht sogar jünger ist, sich aber in einigen Aspekten (z. B. Digitales, Trends) besser auskennt. Jeder kann etwas lehren und immer noch etwas dazulernen.

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis aus Journalismus, PR und Unternehmenskommunikation als Coach. Schwerpunkt: Berufliche und persönliche Neuorientierung. Im April 2020 erschien sein Buch: „Ich mach da nicht mehr mit“ (Gräfe und Unzer). Mehr als 20 Jahre hat er selbst als Journalist gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“ in Chemnitz, „Bild“ und „Blick“. Für einen Schweizer Industriekonzern baute er die globale Marketingkommunikation mit auf. Er hat Betriebswirtschaft und Webentwicklung studiert.


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