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Neue Perspektiven für Medienprofis: So gelingt der berufliche Neustart

Neue Perspektiven für Medienprofis: So gelingt der berufliche Neustart

Der Medienwandel hat für viele Journalisten die Bedingungen verschlechtert. Ein Zurück gibt es nicht – aber neue Wege. Karrierecoach Attila Albert erklärt, wie Medienprofis ihre Zukunft aktiv gestalten können.

Berlin – Viele Medienprofis wünschten sich in den vergangenen Jahren regelmäßig, sie könnten die Zeit zurückdrehen. Ihre persönlichen Arbeitsbedingungen (z. B. Budgets für Beiträge, Zeit für Recherchen, Betriebsklima) und Zukunftsaussichten haben sich objektiv verschlechtert. Ihr Realeinkommen stagniert oder ist inflationsbedingt sogar gesunken. Sie können sich weniger leisten, obwohl sie dafür wahrscheinlich sogar mehr arbeiten. Gleichzeitig ist ihnen klar, dass es nie mehr wie früher werden wird, als die Auflagen, Einschaltquoten und Werbeeinnahmen wesentlich höher waren.

 

Aus dem Top-Management hört man eine andere Einschätzung. Beispielhaft Springer-Chef Mathias Döpfner bereits 2013 und ähnlich bei weiteren Gelegenheiten: „Ich finde, dass Journalist der schönste Beruf der Welt ist - und seine beste Zeit noch vor sich hat. Die digitalen Medien erweitern die Möglichkeiten für guten Journalismus und machen den Beruf noch attraktiver. ‟ Das stimmt, hat nur wenig mit den Arbeitsbedingungen zu tun. Gleiches gilt für das Versprechen, durch KI von Routinearbeiten entlastet zu werden. Häufig folgt aus dem Einsatz eher, dass mehr produziert und Personal eingespart werden könne.

 

„Wo ist mein Platz in dieser neuen Medienwelt?‟, ist die naheliegende Frage, die sie sich beim persönlichen Vergleich zwischen Gestern und Heute stellt. In ihr klingt die Sorge um die eigene Perspektive mit, zumal die KI-Einführung den Eindruck noch verstärkt, bald ganz verzichtbar zu sein. Gleichzeitig möchte sich niemand der Resignation überlassen, und die meisten brauchen auch ihr Arbeitseinkommen. Wie soll man sich also für das neue Zeitalter aufstellen – welche Wege empfehlen sich, um in einem schwierigen Umfeld zuversichtlich zu bleiben und erfolgreich zu sein? Dazu einige Empfehlungen.

 

Sentimentalität und Anspruchsdenken ablegen
Niemand mit längerer Branchenerfahrung wird ernsthaft bestreiten, dass manches früher besser war. Das sollte aber nicht so weit gehen, die Vergangenheit zu verklären und zu vergessen, dass damals auch nicht alles perfekt war. Medienprofis über 40 fällt das oft schwer. Sie denken wehmütig an bessere Zeiten und an die eigene Jugend zurück („Ich weiß noch, als wir damals…‟, „Das waren noch Zeiten, da waren noch Profis am Werk…‟). Fast immer schwingt dabei die Enttäuschung darüber mit, dass man sich nun mit den jetzigen Zuständen abfinden muss und eigentlich Besseres verdient hätte.

 

Ein häufiger Blick zurück ist ein Hinweis darauf, dass es mehr positive Erlebnisse in der jetzigen Lebensphase und eine spannende Perspektive braucht. Damit muss man nicht mehr gedanklich in der Vergangenheit leben und sich eine bessere Zukunft erträumen, sondern kann die Gegenwart genießen und sich seinen weiteren Weg selbst gestalten. Reflektieren Sie dafür gelegentlich, wie zufrieden Sie mit Ihrem aktuellen Berufs- und Privatleben sind und was sich ändern müsste, damit es für Sie besser passt. Meiden Sie zudem desillusionierte, zynische Kollegen, das zieht Sie auf Dauer mit runter.

 

Netzwerk pflegen und fortlaufend erneuern
In diesem Zusammenhang stellen Medienprofis mittleren Alters häufig fest, dass sie vor allem Gleichaltrige und Ältere kennen, manchmal sogar nur beim aktuellen Arbeitgeber: Freunde aus dem Studium und vom Volontariat, Kollegen von früheren Stationen. Mancher Kontakt besteht nur noch flüchtig oder ist ganz eingeschlafen, wie es auf dem Lebensweg (Stellenwechsel, Heirat, Kinder, Umzüge) häufig geschieht. Wenn man dann eine neue Stelle, Gesprächpartner oder Ideen zu beruflichen Themen sucht, muss man feststellen: „Ich kenne niemanden, schon gar nicht jemanden mit Einfluss.‟

 

Pflegen Sie deshalb Ihr berufliches Netzwerk, insbesondere zur jüngeren Generation und in andere Medienhäuser. LinkedIn ist ein Muss, allein aber zu wenig. Verabreden Sie sich wenigstens einmal pro Woche mit jemandem auf einen Kaffee oder zum Mittagessen. Besuchen Sie jährlich zwei bis drei Branchenveranstaltungen (z. B. den European Publishing Congress), dazu etwa monatlich ein lokales Event. Das braucht ein wenig Zeit, zudem Offenheit und Interesse an anderen Menschen. Aber nur in dieser persönlichen Interaktion entwickeln Sie sich weiter, erfahren von Trends und Chancen.

 

Neue Technologien ausprobieren und nutzen
Bedenklich ist, dass es 30 Jahre nach dem Start der großen Online-Portale (Bild, Spiegel usw.) noch immer Medienprofis gibt, die das Internet als „neue Technologie“ empfinden oder sich als reine Anwender verstehen, die nicht viel mehr darüber wissen müssen. Selbst Videoanrufe sind für manche bis heute eine Herausforderung: Der eigene Laptop ist alt, der Browser nicht aktualisiert, Video- und Toneinstellungen sind kaum vertraut. Zwar spricht heute jeder über KI und hat ChatGPT ausprobiert, aber die meisten könnten nicht einmal grob erklären, wofür die Abkürzung GPT überhaupt steht.

 

Hier ist zu raten: Verstehen Sie sich als Profi-Nutzer. Bewerten Sie digitale Plattformen, Werkzeuge und Formate nicht nur nach Ihrem privaten Geschmack. sondern auch unter professionellen Gesichtspunkten: Warum sind sie gefragt bzw. erfolgreich, was könnten Sie davon lernen und für Ihre Zwecke nutzen? Lesen Sie etwas über deren Geschichte, Konzept, Technik und probieren Sie sie spielerisch aus. Sie müssen nicht alles kennen und können, auch nie alles nutzen, sollten aber wissen, was sich tut und was Ihnen gefallen und helfen könnte. Wenn Sie sich weiterbilden, besuchen Sie mehr als Anwenderkurse.

 

Eigenen Beitrag zum Erfolg kritisch überdenken
In den Unternehmen besteht grundsätzlich eine Arbeitsteilung. Fach- und Führungskräfte (z. B. Ressortleiter, Chefredakteure) haben mehr Verantwortung für den Unternehmenserfolg als Mitarbeiter (z. B. Redakteure). Entsprechend haben sie einen variablen Gehaltsanteil, werden also finanziell am Erfolg beteiligt. Das verleitet allerdings viele Angestellte dazu, sich wirklich nur ums Tagesgeschäft zu kümmern und alles weitere ihren Chefs zu überlassen. Auch viele Freie und Pauschalisten verstehen sich, obwohl sie eigentlich Unternehmer sind, als feste Redaktionsmitarbeiter und verhalten sich entsprechend.

 

Entscheidend ist jedoch, sich regelmäßig kritisch zu fragen: Wie entscheidend ist meine Arbeit für das Unternehmen – was mache ich besser als andere, wie leicht bin ich ersetzbar? Das hilft, die beruflichen Prioritäten immer wieder neu auszurichten. Das Alltagsgeschäft muss erledigt werden, ist aber zu wenig. Konzentrieren Sie sich auf Aufgaben, die das Unternehmen und damit auch Sie voranbringen (z. B. als Redakteur auf Beiträge, die nachweisbar mehr Abos bringen) plus gelegentliche Extra-Projekte. Verlassen Sie sich nicht auf Routine, Fleiß und die oft angeführte „lange Erfahrung‟.

(Falls Ihr Arbeitgeber Ihnen gar nicht erlaubt, sich stärker einzubringen, jede Idee direkt ablehnt und Ihnen damit keine Perspektive bietet, ist es Zeit für einen Wechsel.)

 

Selbst nach Wechselmöglichkeiten suchen
Wer sich beruflich etabliert hat und zudem familiäre Verpflichtungen (Partner, Kinder, Hauskredit) eingegangen ist, gewichtet Sicherheit und Kontinuität höher als vorher. Das ist normal, führt aber häufig dazu, dass sich Angestellte jahrelang an Positionen klammern, die sie nicht glücklich machen und in denen sie ihr Potenzial auch nicht entfalten können. Das führt selten zu Spitzenleistungen, weshalb die vermeintliche „Treue zum Arbeitgeber‟ langfristig nicht einmal mit Gehaltserhöhungen oder Beförderungen belohnt wird. Müssen Stellen eingespart werden, trifft es diese Mitarbeiter zuerst.

 

Der Gegenentwurf ist, die aktuelle Stelle nicht als gegeben und dauerhaft zu sehen, sondern sich alle zwei bis drei Jahre aktiv umzuschauen: Was könnte der nächste Karriereschritt sein, was wäre eine spannende Option für das nächste Kapitel? Dabei geht es nicht um einen ständigen Aufstieg, sondern um veränderte Bedürfnisse, Interessen und Prioritäten. Bewerben Sie sich dafür mehrmals pro Quartal, suchen Sie das Gespräch mit Fach- und Führungskräften, werden Sie sichtbar (Konferenzen, LinkedIn, Events). Was Sie selbst anstoßen – anstatt das Management Ihres Arbeitgebers – ist wahrscheinlich eher in Ihrem Interesse.

 

Zur vergangenen Kolumne: Raus aus dem toxischen Team

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

www.media-dynamics.org