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Umbruch in der Medienbranche: So gehen Profis erfolgreich mit Veränderung um

Umbruch in der Medienbranche: So gehen Profis erfolgreich mit Veränderung um Attila Albert

Die Medienlandschaft, das Berufsbild und die Rolle von Journalisten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Besonders für erfahrene Profis, die den alten Weg gewohnt sind, ist das oft eine Herausforderung. Karrierecoach Attila Albert erklärt, wie man Veränderungen aktiv meistert.

Berlin – Gelegentlich erinnere ich mich noch gern an meine journalistischen Anfangsjahre zurück. Die Redaktionsarbeit erlaubte, den Großteil des Tages draußen unterwegs zu sein. Es gab ja noch keine Computer, dafür drei Sekretärinnen allein für unser Team. Die Zeitung („Bild“), für die ich als anfangs 17-Jähriger auf einer Schreibmaschine schrieb, verkaufte 4,5 Mio. Exemplare pro Tag und mein erstes Honorar, 250 Mark, kam per Postscheck. Manchmal fuhr ich nach der Arbeit noch zur Tankstelle, um mir die Ausgabe des kommenden Tages zu holen, dazu eine Quick, Tempo, Max oder Exquire. Kollegen hatten noch Peter Boenisch als Chefredakteur, ich konnte u.a. Josef von Ferenczy und Will Tremper kennenlernen.

 

Aber all das ist lange vorbei. Die Branche, das Berufsbild und die Position von Journalisten haben sich völlig verändert; viele seinerzeit legendäre Medienmarken und -macher sind den Jüngeren unbekannt oder bedeuten ihnen nichts mehr. Das nehme ich als Normalität hin, das Rad der Zeit dreht sich immer weiter. Aber vielen Medienprofis fällt der Abschied von der – aus ihrer Sicht besseren – Vergangenheit schwer. Sie suchen nach Jobs, die es in dieser Form längst nicht mehr gibt, sie fremdeln mit den Veränderungen durch die Digitalisierung, aktuell im Gewand von KI, oder lehnen sie für sich ab. Sie wünschen sich, dass es, auch was die Konditionen angeht, wieder „wie früher“ werden sollte.

 

Ironischerweise blieben davon auch viele derjenigen nicht verschont, die ich vor 20 Jahren noch als offene, nach eigener Wahrnehmung progressive Menschen kennengelernt habe. Bei ihnen waren es die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen der vergangenen Jahre, die sie zu einem Abwehrkampf gegen die neue Wirklichkeit geführt haben. Sie waren, wie sich herausstellte, nur so lange für Veränderung, wie sie in ihrem Sinne verlief – und sind nun überzeugt, dass „jetzt alles in die falsche Richtung geht“. Aus einigen der einst jungen, frischen Journalisten, die neugierig auf die Zukunft waren, sind leider verbissene, im Grunde enttäuschte Menschen mittleren Alters geworden.

 

Weder Realitätsverweigerung noch Wunschdenken
Es ist selbsterklärend, dass Realitätsverweigerung und Wunschdenken weder für die berufliche Laufbahn noch für die persönliche Entwicklung förderlich sind. Irgendwann bespielt man damit nur noch ein Nischenpublikum, das sich gegenseitig bestätigt, während sich die Welt relativ ungerührt weiterbewegt. Auch für Unternehmen, die sich nicht mehr veränderten Umständen anpassen und weiterentwickeln wollen, ist ein derartiges Verhalten existenzgefährdend. „Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit“, sagt eine bekannte Redewendung (die fälschlicherweise meist Friedrich Schiller zugeschrieben wird, wahre Quelle unbekannt). Wer sich der Realität verweigert, wird langfristig scheitern.

 

Gleichzeitig heißt das nicht, dass man ganz opportunistisch alles fantastisch finden und bestätigen müsse, was gerade kommt. Ab Mitte/Ende 30 geht es um eine Balance: Offen sein für wesentliche Veränderungen, sich auch für sie interessieren, gleichzeitig auch wissen, wo die persönlichen Grenzen des Akzeptablen sind und was daraus folgt. Konkretes Beispiel: Wer Journalist geworden ist, weil er gern unterwegs ist und Menschen trifft, findet es möglicherweise inakzeptabel, nur noch im Newsroom sitzen zu dürfen und Agenturmeldungen umformulieren, nun mittels KI-Assistent eine größere Zahl. Hier müsste man entweder ein anderes Stellenprofil aushandeln oder extern wechseln.

 

Offenheit heißt nicht, sich alles zu eigen zu machen
„Wer nach allen Seiten offen ist, der kann nicht ganz dicht sein“, ist das Argument von Menschen, die Borniertheit rechtfertigen wollen (das Zitat wird fälschlicherweise Kurt Tucholsky zugeschrieben, der wahre Urheber ist unklar). Offenheit heißt nicht, sich alles zu eigen zu machen. Sondern: Ernsthaft zu verstehen versuchen, warum sich die Dinge und Ansichten verändert haben, ganz egal, wie man selbst darüber denkt. Persönlich mag man beispielsweise bestimmte Medien von damals vermissen, aber sie sind verschwunden, weil ihre Zeit vorbei war. Das darf man betrauern, wie es für jeden Verlust (z. B. auch der eigenen Arbeitsstelle dort) nötig ist, aber dann muss ein Neuanfang folgen.

 

Persönlich erinnere ich mich an Kollegen, die in den 90er Jahren lieber in Frührente gingen, als den Umgang mit dem PC zu lernen. Andere, auch schon nicht mehr ganz jung, saßen mit glänzenden Augen vor dem ersten und anfangs einzigen Internetzugang der Redaktion, damals noch via Einwahlmodem und AOL („Bin ich schon drin?“). Für sie eröffnete sich eine neue Welt, und sie nutzten die Chance. Das wird mit KI ebenso sein. Es ist weniger eine Alters- als Einstellungsfrage. Manche 30-Jährige haben schon keine Fragen mehr an die Welt, was gerade für den Journalismus fatal ist. Andere bewahren sich Neugier, gedankliche Flexibilität und praktische Beweglichkeit weit über das Rentenalter hinaus.

 

Veränderungen pragmatisch angehen
Lehrgeld kostet das immer, die Unternehmen wie die individuellen Medienprofis. Man erinnere sich an die einst teuer gekauften Digitalkameras, Laptops und Handys der ersten Generationen, die schon nach einem halben Jahr veraltet waren, an die kräftezehrenden Produktionen der iPad-Magazine, die irgendwann wieder aufgegeben wurden, an Trends wie 360-Grad-Videos oder Content für heute fast vergessenen Apps – Foursquare, Second Life, Periscope, Clubhouse. Immer etwas Neues, das manchmal auch schnell wieder sein Ende findet. Das heißt aber nicht, dass man es gar nicht erst hätte probieren sollen. Sondern: Ausprobieren und weiterführen, was sich als nützlich herausstellt.

 

Mit 30 ist der Blick nach vorn noch leicht; auf besonders viel kann man in diesem Alter auch noch nicht zurückblicken. Ab 40 schleicht sich oft eine verführerische Nostalgie ein: „Ich weiss noch, als wir damals…”, „Das waren noch Zeiten…” Das mag stimmen, obwohl es vieles verklärt. Aber wenn die Vergangenheit reizvoll erscheint, ist das ein Zeichen dafür, dass einem in der Gegenwart aufregende, erfüllende Erlebnisse (gerade auch im Beruf) und motivierende Ziele für die Zukunft fehlen. Seit diesem Monat, Juli 2025, ist uns jedoch das Jahr 2050 näher als das Jahr 2000. Keiner weiß, was kommen wird, man kann dem jedoch mit Neugier, Begeisterungsfähigkeit und Gestaltungswillen begegnen.

 

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Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

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