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Vom Konzern in ein kleines Medienhaus? Darauf sollten Sie bei einem Wechsel achten

Vom Konzern in ein kleines Medienhaus? Darauf sollten Sie bei einem Wechsel achten Mediencoach Attila Albert

Wer immer nur für große Medienhäuser gearbeitet hat, ist bei einem Wechsel in ein inhaber- oder familiengeführtes Unternehmen oft wenig vorbereitet auf das neue Arbeitsumfeld. Mediencoach Attila Albert sagt, was Sie typischerweise erwartet und für den Erfolg entscheidend ist.

Berlin – Der Redakteur eines großen Magazinverlages hatte lange vergeblich versucht, eine neue Stelle bei seinem bisherigen Arbeitgeber oder in vergleichbaren anderen Medienhäusern zu finden. Schließlich sah er die Stellenanzeige eines ihm bisher unbekannten mittelständigen Verlages, der einen Chefredakteur für einen Spartentitel mit fünfstelliger Auflage suchte. Im Bewerbungsverfahren erfuhr er, dass er trotz dieser Position aber nicht mehr als bisher verdienen und nur zwei feste Mitarbeiter haben würde. Er rang mit sich: Sollte er die Stelle trotzdem annehmen – wegen des formalen Aufstieges und der neuen Herausforderung?

 

Lange war es für angestellte oder freie Mitarbeiter großer Medienhäuser wenig attraktiv, zu wesentlich kleineren Unternehmen (unter 600 Mitarbeiter) zu wechseln. Zu unterschiedlich waren die Gehälter, Budgets und Arbeitsbedingungen, aber auch die Wirkung der Titel im Lebenslauf. Das hat sich aus bekannten Gründen - weniger klassische Journalistenstellen, geringere Gehälter auch bei den großen Medienkonzernen - geändert. Als Coach arbeite ich inzwischen vielfach mit Medienprofis zusammen, die diesen Schritt überlegen, ihn bereits gemacht haben - gelegentlich auch schnell wieder gegangen sind, weil es nicht passte.

 

Die Erfahrungen sind also unterschiedlich. Aber einige typische Erlebnisse fallen auf und können bei der Entscheidung helfen, ob dieser Weg für Sie passen könnte.

 

Viel Freiheiten, sich einzubringen

Fast immer sind die Stellenprofile bei kleinen Medienhäusern weiter gefasst - schon, weil es viel weniger Mitarbeiter gibt, weniger Arbeitsteilung möglich ist. Wer sich bei einem großen Arbeitgeber eingeengt und gebremst fühlt, findet hier oft die Möglichkeit, sich mehr als bisher einzubringen und auszuprobieren. Beispiel: Wer sonst nur als klassischer Redakteur Texte produzieren durfte, kann sich auf einmal auch in der Heftgestaltung und -konzeption ausprobieren, Führungs- und Marketingaufgaben kennenlernen. Entscheidend hier: Die eigenen Wissens- und Erfahrungslücken erkennen, möglichst schnell schließen.

 

Unklare, wechselnde Stellenprofile

Eine Seite der größeren Freiheit ist allerdings häufig auch, dass die Aufgaben nicht eingegrenzt sind oder sich ständig ändern und das Team immer zu klein ist. Beispiel: Für die Redaktion angestellt, aber auch mit Anzeigen- und Vertriebsverantwortung. Selbst in großen Medienhäusern sind die wenigsten Stellen völlig klar und trennscharf definiert. Aber bei einer nur ein- oder zweistelligen Mitarbeiterzahl für den Titel lassen sich Aufgaben kaum noch weitergeben. Entscheidend hier: Erwartungen des Arbeitgebers prüfen und bei Bedarf konsequent korrigieren - schon bei der Bewerbung, dann auch fortlaufend.

 

Geringere Gehälter, Erfolgsanteil möglich

Kleine Medienhäuser erzielen geringere Umsätze und haben höhere unternehmerische Risiken, da weniger Objekte das Gesamtunternehmen tragen. Entsprechend sind die Gehälter oft unterdurchschnittlich bzw. entsprechen niedrigeren Hierarchiestufen in Konzernen. Beispiel: Als Chefredakteur nur 50.000 bis 70.000 Euro pro Jahr. Wer mehr aushandeln will, hat oft nur eine Chance, wenn er flexiblen Gehaltsanteilen (meist 10 bis 25 Prozent) zustimmt, die vom Unternehmenserfolg abhängen. Entscheidend hier: Eigene Forderungen mit der finanziellen Realität abgleichen, unternehmerisch mitdenken.

 

Diplomatie und Geduld erforderlich

Selbst bei Medienkonzernen mit Milliardenumsatz kommt es vor, dass der Eigentümer oder Hauptgesellschafter persönlich in der Redaktion anruft oder anrufen lässt, um eine „Bitte“ anzumelden, der selbstverständlich nachgekommen wird. Bei manchem inhaber- oder familiengeführten Medienhaus kann es passieren, dass der Ehepartner oder beste Freund des Eigentümers in allen Konferenzen sitzt und in seinem Namen entscheidet. Wer bisher relativ klar abgegrenzte Strukturen gewohnt ist, empfindet das oft als äußerst übergriffig. Entscheidend hier: Viel Diplomatie und Geduld, um sich sanft durchsetzen.

 

Langfristig wenig Aufstiegschancen

In praktisch allen großen Medienhäusern hat sich ein Dickicht aus hierarchischen Ebenen und Abstufungen entwickelt, das tatsächliche Aufstiege erlaubt oder, wenn das nicht geht, zumindest symbolische Verbesserungen. Beispiel: Zum Chefautoren, Chefkorrespondenten, Chefreporter, Textchef oder Editor-at-Large, auch wenn der Job praktisch identisch bleibt. Kleinere Medienhäuser können das, schon wegen ihrer wenigen Hierarchien, kaum anbieten. Das muss kein Nachteil sein, wenn alles andere passt. Entscheidend hier: Klären, wie wichtig Ihnen (auch je nach Lebensphase) ein weiterer Aufstieg überhaupt ist.

 

Mögliches Karriere-Sprungbrett

Häufig stellen Medienprofis in Konzernen frustriert fest, dass sich trotz aller Bemühungen kein Aufstieg für sie auftut. Hier kann der Umweg über ein kleineres Haus hilfreich sein, weil er erlaubt, (erste) Führungserfahrung zu sammeln und sich in neue Themen einzuarbeiten. Beispielhafter Ablauf: Redakteur ohne Perspektive beim Konzern, als Chefredakteur zu einem kleinen Titel, dann mit besseren Chancen als Ressortleiter zurück zu einem Konzern. Entscheidend hier: Für diesen Weg sollten Sie maximal drei bis vier Jahre beim neuen Arbeitgeber bleiben, dann den nächsten Schritt zur Priorität machen.

 

Wie so oft, ist der Wechsel zu einem kleinen oder mittelständigen Medienhaus also von sehr individuellen Faktoren (z. B. auch dem akzeptablen Wohn- und Arbeitsort) abhängig. Keinesfalls handelt es sich dabei um „Karriere-Sackgassen“, vor allem, wenn sich zum Eigentümer ein vertrauensvolles berufliches und persönliches Verhältnis entwickelt. Langfristig ist in manchen Fällen sogar eine Beteiligung (Anteile, Partner) oder unternehmerische Nachfolge denkbar – oder Sie fühlen sich ermutigt, einmal selbst ihr eigenes kleines Medienunternehmen zu starten.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Wenn Journalistinnen und Journalisten ihr Spezialgebiet aufgeben wollen

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

 

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