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Was Medien-Coach Attila Albert rät: Abfindung nehmen oder Job behalten?

Was Medien-Coach Attila Albert rät: Abfindung nehmen oder Job behalten? Attila Albert.

In mehreren großen Medienhäusern steht erneut "freiwilliger" Stellenabbau an. "Soll ich die Abfindung nehmen, wenn man sie mir anbietet, oder meinen Job behalten, auch wenn er nicht mehr so toll ist?" ist eine Frage, die sich viele Journalisten stellen. Was bei der Entscheidungsfindung hilft, erklärt Medien-Coach Attila Albert in seiner ersten Kolumne für newsroom.de.

Natürlich ist die Entscheidung immer individuell, aber aus der Coaching-Praxis haben sich für meine Klienten drei Fragen als besonders hilfreich herausgestellt:

 

1. Haben Sie einen Plan für danach?

 

Für eine Abfindung spricht, wenn Sie bereits eine konkrete Vorstellung haben. Beispiel: Sie denken sowieso schon länger an eine Selbständigkeit, haben eine recht präzise Idee und einen Businessplan ausgearbeitet, vielleicht einen Geschäftspartner und potentielle Kunden in Sicht. Hier wäre die Abfindung Ihr Startkapital für einen risikoarmen Übergang.

 

Für den bisherigen Job spricht, wenn Sie bisher nur über etwas "nachgedacht" haben, aber nichts vorbereitet. Typischerweise wäre der Verlauf nämlich sonst häufig so: Sie fahren erst einmal in die Ferien, erledigen dann zu Hause alles, was so liegengeblieben ist - und stellen danach in Panik fest, dass ein Jahr vergangen ist und Sie vergessen zu Hause sitzen.

 

Ein Mittelweg wäre, wenn Sie tatsächlich Versäumnisse bei Ihrer eigenen Zukunftsplanung feststellen: Die Abfindung ablehnen, sich aber schon gedanklich damit anfreunden, dass man versuchen wird, Sie betriebsbedingt zu kündigen. Sie gewinnen aber einige Monate Zeit, bereiten Ihren Ausstieg diskret vor und erstreiten vor Gericht doch noch etwas Geld.

 

2. Wie gut sind Ihre Nerven?

 

Rechnen Sie auch in der besten Firma mit den weniger schönen Methoden des Stellenabbaus. Vielleicht holt man Sie ohne jede Ankündigung mitten aus der Produktion, um Sie zu überrumpeln, oder in Ihrer monatlichen "Budget-Besprechung" sitzt plötzlich jemand von der Personalabteilung und sagt, es ginge um Ihre Vertragsauflösung.

 

Vielleicht eröffnet man Ihnen: "Sie wissen ja, dass wir schon länger mit Ihnen Probleme haben", obwohl Sie das zum ersten Mal hören. "Nehmen Sie lieber das Geld, ehe es keines mehr gibt." Oder man kommt Ihnen jovial: "Das fällt mir jetzt selbst total schwer, ich mag Sie ja, aber Sie wissen selbst, wie die Zeiten sind." Quasi: Aussteigen aus Mitgefühl.

 

Eine Abfindung anzunehmen, kann sinnvoll sein, wenn Sie sich psychisch nicht stark genug fühlen, einen Arbeitsgerichtsprozeß durchzukämpfen. (Einen Anwalt sollten Sie natürlich immer konsultieren). Für den Job spricht, wenn Sie einige Zeit mit allem von Liebesentzug bis Mobbing leben könnten, vielleicht erst noch eigene Pläne vorbereiten wollen oder die Chance sehen, durch Beharrlichkeit die Abfindungshöhe nach oben zu verhandeln.

 

3. Wie ist Ihre Finanzlage?

 

Man sollte nicht glauben, wie viele Führungskräfte durch überzogenes Konsumverhalten und unkluge Finanzentscheidungen in fünf- bis sechsstelliger Höhe verschuldet sind und sich monatsweise durch die Dispokredite hangeln. Hier ist die Versuchung groß, die Abfindung als Befreiungsschlag zu sehen: Mit einem Schlag endlich alle Sorgen beseitigt.

 

Das Problem: Der Betrag wird meist deutlich überschätzt, die Steuerlast vergessen und die mögliche Sperre beim Arbeitslosengeld ebenfalls. Dazu ist offen, wie es weitergeht - es gibt seit längerem keinen sehr großen Arbeitsmarkt für hochbezahlte Autoren, Ressortleiter oder Chefredakteure mehr. Der neue Vertrag kann 25 bis 35 Prozent niedriger dotiert sein.

 

Wenn Sie in Geldschwierigkeiten sind, würde ich dazu raten, den Job zu behalten und erst Ihre Finanzen zu ordnen: Dispo ausgleichen, Ausgaben senken, auch eine Umschuldung (neuer, günstigerer Kredit) ist oft nur mit Arbeitsvertrag möglich. Sollten Sie schuldenfrei sein, idealerweise keine zu hohen Lebenshaltungskosten und sogar Ersparnisse haben, ist eine Abfindung ein schöner Zugewinn - aber Sie sind nicht darauf angewiesen.

 

Grundsätzlich gilt: Gehen Sie vorbereitet in Abfindungsgespräche - rechtlich (Betriebsrat, Anwalt), aber auch psychologisch. Denn in diesem Szenario stehen Sie zunächst einmal schwächer da: Für Sie geht es um Existenz und Selbstwert, für Ihr Gegenüber um einen Fall von vielen, den er möglichst schnell und günstig lösen soll. Wer vorbereitet ist, kann dieses Gespräch dagegen zu seinem Vorteil nutzen - vielleicht für den längst überfälligen Schritt, das nächste Kapitel des beruflichen und persönlichen Lebens aufzuschlagen.

 

Attila Albert

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