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Theodor-Wolff-Preiträger Benjamin Piel: Vom Feiern und Gefeiertwerden

In einem eindrucksvollen Rahmen haben Deutschlands Tageszeitungen vergangenen Mittwoch den Theodor-Wolff-Preis verliehen. Zu den diesjährigen Preisträgern gehört Benjamin Piel, Redakteur bei der „Elbe-Jeetzel-Zeitung“ im Wendland.

Aachen - Für NEWSROOM hat Theodor-Wolff-Preisträger Benjamin Piel aufgeschrieben, was er erlebt hat, seitdem er von dem Preis erfahren hat und natürlich, was er alles bei der Preisverleihung in Aachen erleben durfte.

Zur Person: Benjamin Piel, Jahrgang 1984, verheiratet, eine Tochter, hat Neuere deutsche Literatur, Neuere und neueste Geschichte und Vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Tübingen studiert.

 

Benjamin Piel, Thedor-Wolff-Preisträger 2014, mit seiner Tochter Greta bei der Preisverleihung in Aachen.

 

Nach dem Volontariat bei der Schweriner Volkszeitung war er dort bis April 2012 als Redakteur angestellt, bevor er zur Elbe-Jeetzel-Zeitung in den Landkreis Lüchow-Dannenberg wechselte. Mit Frau und Tochter lebt er im Wendland. Benjamin Piel wurde unter anderem mit dem "KEP-Nachwuchspreis für engagierte Bericht­erstattung" der Christlichen Medienakademie Wetzlar ausgezeichnet, gewann 2012 den Landesmedienpreis Mecklenburg-Vorpommern (Sophie) der Heinrich-Böll-Stiftung, der Landeszentrale für politische Bildung und des Deutschen Gewerkschaftsbunds Nord in der Kategorie "Nachwuchs" und wurde 2012 unter die "Top 30 bis 30" des medium magazins gewählt. B.Ü.

Der 7. Mai 2014 ist ein Mittwoch. In der Redaktion sichere ich gerade die letzten Mails des Tages. Ein Konzert hier, eine Ausstellungseröffnung dort, die Kreis-CDU gibt irgendein Statement ab. Redaktionsroutine, lästig, aber wichtig. Gegen 18.55 Uhr klingelt mein Handy. Eine Nummer mit Berliner Vorwahl. Ich überlege kurz, nicht ranzugehen. Wahrscheinlich wieder ein Stromversorger, der mich zu einem angeblich lukrativen Anbieterwechsel überreden will. Ich will meinen Stromanbieter nicht wechseln. Ich will zu nichts überredet werden. Ich lege das Handy weg. Dann gehe ich doch ran. Es gerät ein Satz an mein Ohr, den ich nie vergessen werde: „Herr Piel, Sie bekommen in diesem Jahr den Theodor-Wolff-Preis.“

 

Newsroom.de-Service: Der Theodor-Wolff-Preis gehört zu den wichtigsten Journalistenpreisen in Deutschland. Er wird seit 1962 verliehen. Preisträger in diesem Jahr sind neben Benjamin Piel Johannes Hermann („Der Tagesspiegel“), Kai Strittmatter („Süddeutsche Zeitung“), Kerstin Kohlenberg („Die Zeit“), Peter Unfriede („taz - die tageszeitung“) und Rudolph Chimelli („Süddeutsche Zeitung“). Der Preis wird jährlich verliehen und ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert. Alle Informationen zu diesem und 611 weiteren Journalistenpreise gibt es auf JournalistenPreise.de, dem Portal für preisgekröntem Journalismus.

 

Das fegt mir erstmal die Beine weg. Ist das wahr? Ich kann es nicht glauben. Ich gehe zu meinem Chefredakteur Hans-Herrmann Müller. „Herr Müller, mich hat gerade jemand angerufen und gesagt, ich würde den Theodor-Wolff-Preis bekommen.“ Er schaut mich an, lacht, schaut. „Waaaaas?“, fragt er. Wir können es beide nicht glauben. Um 19.26 Uhr kommt ein Fax vom Verlegerverband an: „Es ist uns eine große Freude und Ehre, Ihnen mitzuteilen, dass Ihr Autor…“ Es ist wirklich wahr. Ich bin 30 Jahre alt und Theodor-Wolff-Preisträger. Ein paar Tage wirft mich das etwas aus der Bahn. Wundervoll, denke ich, und lächle.

Der 10. September 2014 ist ein Mittwoch. Mittags treffen sich Jury- und Kuratoriumsmitglieder mit den Preisträgern im Aachener Ratskeller. Meine Frau und ich kommen mit unserer zweijährigen Tochter Greta etwas zu spät. Aachen ist nichts für Menschen mit schwacher Orientierung. Anderen Preisträgern und Jurymitgliedern geht es nicht anders. Nikolaus Blome irrt mit einer ausgedruckten Stadtkarte durch die Stadt und Zeit-Frau Kerstin Kohlenberg hetzt, aus New York kommend, noch später an als wir. Beruhigend.

Weniger beruhigend ist das preisverleihungsunwürdige Verhalten meiner Tochter. Kinder haben ein feines Gespür dafür, den für ihre Eltern maximal unpassenden Moment für einen legendären Trotzanfall abwarten. Greta ist müde und hat Hunger. Sie hält die Zeit für gekommen, durchzudrehen, rennt die Treppe hinunter, läuft quer über den Platz, wo gerade Dreharbeiten für eine Fernsehserie laufen und platzt schreiend in selbige hinein. Verwirrung, Ärger, wo kommt das Kind her?

Wundervoll, denke ich, und versuche, mir ein Lächeln aufzusetzen. Schon steht ein Kamerateam vor mir und will ein Interview für den Onlineauftritt des Aachener Zeitungsverlages. Im Fokus zu stehen, das ist ein Journalist eher nicht gewohnt, und es ist keine Rolle, die mir besonders liegt. Wundervoll, denke ich, und versuche zu lachen.

Das Lob kommt an diesem Tag von allen Seiten und in nicht eben homöopathischen Dosen. Toller Text, beeindruckend, mutig. So geht das den ganzen Tag weiter.

Beim Mittagessen sitze ich mit meinem Jury-Paten Bernd Hilder, Chefredakteur der Thüringischen Landeszeitung, und Nikolaus Blome am Tisch. Auch sie loben. Einem Lokaljournalisten, der Beschwerden eher gewohnt ist als Lob, tut das zur Abwechslung mal ganz gut. Wenn den Lesern etwas gefällt, dann schweigen sie meistens und genießen bestenfalls. Wenn ihnen etwas nicht passt, dann kann sich die Redaktion warm anziehen. So ist das jedenfalls im widerständischen Wendland, wo ich arbeite.

Am Abend geht es zur Preisverleihung ins Theater. Vor dem Gebäude ist einiges los. Chefredakteure unterhalten sich mit Chefredakteuren, Geschäftsführer mit Verlegern. Kurt Kister ist da, Lorenz Maroldt, Thomas Löffelholz. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz geht gerade die Stufen zum Theater hinauf. Meine Anspannung steigt.

 

Theodor-Wolff-Preisträger Benjamin Piel im Gespräch mit Bernd Hilder, Chefredakteur der "Thüringischen Landeszeitung". 

 

Wenigstens hält meine Tochter die Gelegenheit für einen weiteren unvergesslichen Bockanfall für (noch) nicht reif. Weil meine Familie im Ruhrgebiet – und damit nicht so weit weg von Aachen – lebt, ist sie in Fußballmannschaftsstärke vertreten.

Eltern, Brüder, Schwester, Tante, Schwägerinnen. Die Preisverleihung zu einem Familiefest machen, das hat etwas, das ist ein gutes Mittel gegen die Nervosität. Die steigt, als ich als vierter Preisträger auf die Bühne des Theaters trete. Ich versuche, halbwegs intelligente Dinge herauszubringen. Vorher hat sich eine Schauspielerin verlesen, als sie aus meinem Text vorgetragen hat. Wundervoll, dachte ich, und versuchte ein Lächeln.

Am Morgen danach kommt Lebenswerk-Preisträger Rudolf Chimelli in den Frühstückssaal des Hotels. Mein Vater fühlt sich zu einem lobenden Wort aufgefordert. „Von Ihnen kann man viel lernen“, sagt er fast ehrfurchtsvoll zu dem SZ-Grandseigneur der Auslandsberichterstattung. Und Chimelli? Der sorgt mit seiner Antwort für meinen persönlichen Höhepunkt rund um die Preisverleihung. Als hätte er es sich Wochen vorher ausgedacht, antwortet der 86-Jährige dem 74-Jährigen: „Das ist in ihrem Fall etwas spät.“ Wundervoll, denke ich, und lache.

Benjamin Piel

Theodor-Wolff-Preisträger 2014

 

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