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Dagobert Lindlau wird 80 - und sorgt sich um die Meinungsfreiheit

Im Alter leistet der politische Journalist sich den Luxus des Schreibens ohne das Ziel der Veröffentlichung.

München (dpa) - Ein unpolitischer Mensch ist der Fernsehmann Dagobert Lindlau auch im Alter nicht geworden. Der Mann, der mit seinen Sendungen Spannung und Spannungen, Zustimmung und Widerspruch erzeugte, sorgt sich derzeit vor allem um die Meinungsfreiheit. "Egal, was jemand sagt, irgendwer entrüstet sich immer", sagte der politische Journalist wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag am Montag (11. Oktober) der Nachrichtenagentur dpa in München.

"Statt starke Gegenargumente ins Feld zu führen, werden von allen Seiten Entschuldigungen eingefordert." Das stärke weder die Meinungsfreiheit, noch die politische Kultur in Deutschland. "Wenn die Politiker ständig Angst haben, etwas Falsches zu sagen, dann sagen sie vielleicht auch immer weniger Richtiges", gibt der Journalist und Autor zu bedenken.

Lindlau gilt als Urgestein des kritisch-engagierten Fernseh- Journalismus und durchaus als Mann der starken Worte. Häufig lösten seine Reportagen kontroverse Diskussionen aus, wie auch sein Buch "Der Mob - Recherchen zum Organisierten Verbrechen" (1987). Seine Berichte über Methoden der Schutzgelderpressung, Rauschgifthandels und die Erschließung der Bundesrepublik für diese Kriminalität wurden von Politikern damals als Hirngespinste abgetan, aber von Fachleuten bestätigt. Lindlau avancierte zum "Mafia-Experten". Auch in seinem Buch "Der Lohnkiller" (1992) um den Fall des bezahlten Hamburger Killers Werner Pinzner und dem Roman "Straglers Woche" (1997) bedient er sich realer Strukturen aus dem Milieu - und erntete oft Ärger.

Zuletzt erschien 2006 sein Buch "Reporter. Eine Art Beruf" über eigene Erfahrungen und Erlebnisse. Das Buch will er selbst aber nicht etwa als Bilanz verstanden wissen will, sondern allenfalls als Zwischenruf. Dennoch scheint unwahrscheinlich, dass Memoiren folgen: Inzwischen schreibe er ohne das Ziel der Veröffentlichung - um sich Ärger zu ersparen, sagt Lindlau. "Diesen Luxus leiste ich mir."

Lindlau begann seine Journalisten-Karriere 1954 beim Bayerischen Rundfunk und wurde dort nach elf Jahren Chefreporter. Bis in die 80er Jahre war er als Moderator und Leiter verschiedener Magazinsendungen wie "Report", "Weltspiegel" oder der beliebten Talkshow "III nach neun" von Radio Bremen tätig. Von seinem Auslandskorrespondenten- Posten in Wien kehrte Lindlau 1990 als Chefreporter zum Bayerischen Rundfunk zurück. Drei Mal erhielt er den Adolf-Grimme-Preis für seine "couragiert-kompetenten Kommentare" und seine "imponierenden Beiträge zur Gesprächskultur im Fernsehen".

Mit Blick auf das heutige Fernsehen ist Lindlau zwiespältig. Es gebe brillante Reporter und Journalisten, die er bewundere. Aber die Arbeitsteilung in politischen Sendungen habe vielfach nicht zu deren Qualität beigetragen. "Damals war ich verantwortlich für alles", sagte er. Heute würden Dreh, Texte, Schnitt, Regie, Moderation und Recherche von verschiedenen Kollegen zugeliefert. Gelegentlich merke man, dass es nicht aus einem Guss ist. "Vor allem die Recherche hätte ich mir nie aus der Hand nehmen lassen", sagt Lindlau rückblickend.

Als Rentner lebt der gebürtige Münchner nach wie vor nahe der bayerischen Landeshauptstadt und pendelt gelegentlich nach Italien. Gefeiert wird der runde Geburtstag aber weder da noch hier: "Was ist daran ein großes Verdienst, 80 zu werden?" Zumal er nach einem glücklich überstandenen Herzstillstand vor zwei Jahren inzwischen zwei Geburtstage zu feiern hätte, wenn er denn feiern wollte.

Längst gehe es ihm wieder "fantastisch", sagte der passionierte Sportschütze und Bridgespieler, der Körper und Geist noch immer regelmäßig durch Tontaubenschießen und hochklassige Bridge-Turniere am Computer in Form hält. Erst kürzlich habe er den Altersfitnesstest beim ADAC mitgemacht und ihn gut bestanden. "Das sollte übrigens jeder Autofahrer im Alter machen", erinnert sich der preisgekrönte frühere Journalist des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an seinen erzieherischen Auftrag, "gerade beim heutigen Verkehrsaufkommen".

 

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