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B.Ü.

"Dann steigen die Dämonen in einem auf, und man hat das Bedürfnis zu sprechen"

"Dann steigen die Dämonen in einem auf, und man hat das Bedürfnis zu sprechen" Jürgen Domian. Foto: PHOENIX/WDR/Melanie Grande

Seit 20 Jahren bespricht WDR-Kult-Talker Jürgen Domian (57) für seine gleichnamige Nachtsendung zumeist schwierige Fälle. Im Interview für das ABZV-Portal "Gesprächsführung" redet er über sich und seine allnächtlichen Gesprächspartner. Dabei fallen auch einige Tipps für Journalisten ab. Von Bülend Ürük.

Köln - Den ersten hat er schon parat, ehe er gefragt wird: Es sei „eine Unart von Journalisten, auch von gestandenen Kollegen, wenn sie die Wortlautinterviews nicht glätten“, sagt er zu ABZV-Dozent Tim Farin, der Domian interviewt. "Da kann man gleich schriftliche Fragen schicken." Farin hat das Interview offensichtlich "geglättet" – jedenfalls lässt es sich flott lesen.


Als "goldene Grundregel“ bei personenzentrierten Interviews empfiehlt Domian: "Zuhören! Zuhören! Zuhören!" Oftmals lege ein Gesprächspartner einem eine Kleinigkeit in einem Nebensatz auf den Tisch. Man müsse dann als Interviewer in Sekundenschnelle entscheiden, wie und ob man es aufgreifen will. Er empfiehlt sogar, das Interviewkonzept über Bord zu werfen, wenn der Gesprächspartner einem etwas Besonderes vorlegt. "Wie oft habe ich schon erlebt, dass gestandene Journalistenkollegen vor mir saßen, an ihrem Fragezettel klebten und mich überhaupt nicht anguckten, während ich antwortete", erzählt er. "Ein solches Verhalten ist übrigens für nichtprofessionelle Interviewpartner äußerst irritierend."

 

Der "sonderbare Ort" als Gesprächsöffner

 

Durch seine jahrelange Erfahrung mit Telefoninterviews, bei denen er die Gesprächspartner also nicht sieht, habe er gelernt, akustische Nuancen einzuordnen. "Ich weiß bei etwa 90 Prozent der Anrufer schon nach fünf bis zehn Sekunden, ob das Gespräch einfach oder schwierig wird." Den nächtlichen Sendeplatz für "Domian", die Sendung läuft montags bis freitags ab 1 Uhr im WDR-Fernsehen und im Radio auf 1Live, sieht er dabei offenbar als Vorteil: "Die Nacht ist ein sonderbarer Ort. Es ist dunkel, still, es gibt keinen Alltag, der ablenkt“, sagt er. „Viele Menschen sind nachts alleine. Dann steigen die Dämonen in einem auf, und man hat das Bedürfnis zu sprechen."

 

Wer gibt, bekommt etwas zurück

 

Dass ihm die Menschen vertrauen, liegt seiner Ansicht nach vor allem daran, dass „alle Anrufer ernst genommen und respektvoll behandelt werden“. Zudem habe er sich "von Anfang an bemüht, eben nicht nur der Frager zu sein, sondern auch der Erzähler mit all seinen Unzulänglichkeiten", sagt er. "Wenn die Menschen sehen, dass ich offen bin, sind sie eben auch bereit, sich selbst zu öffnen." Domian empfindet es zudem als "journalistisch sehr interessant, wenn uns Dinge angeschwemmt werden, für die andere Kollegen verzweifelt recherchieren müssten".

 

Nach dem von ihm bestimmten Ende seiner Sendung Ende 2016 will er allerdings Talkshows moderieren, bei denen er seine Interviewpartner auch "endlich sehen" kann.

 

Bülend Ürük

 

Newsroom.de-Service: Interview von ABZV-Dozent Tim Farin mit Jürgen Domian auf dem ABZV-Gesprächsportal