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Deutscher "Blick"-Chefredaktor: Wer ist Ralph Grosse-Bley?

Die gute Nachricht: Er ist ein Mensch. Die schlechte Nachricht: Das ist ihm egal. Sagt Markus Wiegand, Chefredaktor vom "Schweizer Journalist".

St. Gallen - Erneut schwer in der Kritik stand in der vergangenen Woche die Schweizer Boulevard-Zeitung "Blick" aus dem Ringier-Verlag.

Das Blatt stellte Mittelfeldspieler Mario Götze bloß und veröffentlichte Bilder des Fußballers von Borussia Dortmund mit einer Erektion. Wie die "Neue Zürcher Zeitung" berichtete, prüft inzwischen Götzes Agentur rechtliche Schritte gegen die Urheber des Bildes.

Markus Wiegand, Chefredaktor vom "Schweizer Journalist", das wie NEWSROOM auch zum Johann Oberauer Verlag gehört, hat Ralph Grosse-Bley, den Chefredaktor vom "Blick", für die vergangene Ausgabe vom "Schweizer Journalist" getroffen.

Wie Markus Wiegand ihn erlebt hat, beschreibt er in einem Editorial.

"Der Mann schafft es irgendwie, seinem Gegenüber Respekt einzuflössen, auch wenn man das gar nicht will.

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Ralph Grosse-Bley trägt den Kopf oben, der Blick ist ernst, es gibt für ihn bei der Begrüssung offenkundig keinen Grund zu lächeln. Schliesslich mag er keine Interviews, er ist die ewigen Rechtfertigungen leid für das, was er jeden Tag tut. Seit zwei Jahren hat er sich keinem längeren Gespräch mehr gestellt. Seine Miene sagt: Wieder einer, der mich nicht versteht. Der den Boulevard nicht versteht. Schade um die Zeit.

 

Coverboy: Ralph Grosse-Bley, Chefredaktor von der Boulevardzeitung "Blick", hat dem "Schweizer Journalist", Schwestertitel von NEWSROOM, eines seiner seltenen Interviews gegeben.

 

Der „Blick“-Chef trägt seinen Anzug, das weisse Hemd und die Krawatte nicht für den anschliessenden Fototermin. An fünf von sechs Tagen sitzt er so links aussen am Balken im Newsroom und macht Zeitung. Nur ein optisches Detail irritiert. Am rechten Arm trägt er ein dünnes rotes Bändchen, ein Geschenk seiner Tochter (fast 18).

Die erste Frage des Gesprächs zielt direkt auf das Bändchen: „Wenn Ihre Tochter in dem verunglückten Car im Wallis gesessen hätte, hätten Sie den Medien ihr Bild gegeben?“

Im Gespräch überrascht Ralph Grosse-Bley. Üblicherweise weichen Gesprächspartner dieses Magazins harten Fragen gerne aus und wenn das mal nicht gelingt, versucht der eine oder andere diesen Umstand anschliessend in der Autorisierung wegzubügeln.

Beides machte der „Blick“-Chef nicht. Er antwortet ohne Rücksicht auf Verluste. Und wirkt kantig und authentisch, irgendwie echt. Dazu trägt auch die bodenständige Sprachfärbung aus dem Rheinland bei, in der das „das“ zu einem „dat“ verschwimmt.

Klar bleiben inhaltlich Widersprüche. So sagt Grosse-Bley während der 90 Minuten einige Male zu viel, dass ihm das ja so total egal ist, was andere über ihn schreiben. Dabei kennt er die ganzen Artikel dann doch ziemlich gut, die ihm ausschnittsweise hingelegt werden. Wer genau was geschrieben hat, ist egal. Klar ist für ihn nur, dass die Autoren allesamt auf die andere Seite der Barrikade gehören. Auch den Widerspruch, dass er täglich Reporter zum Witwenschütteln rausschickt, obwohl er das selbst nicht gerne macht, kann er auch nicht wirklich auflösen.

Leicht säuerlich wird er aber nur ein einziges Mal, als man ihm, dem Deutschen, drei Fragen aus einem Schweizer Einbürgerungstest stellt. Da war ihm das Eis dann doch ein bisschen zu dünn.

Ehrlich gesagt hätten wir nie damit gerechnet, dieses Interview überhaupt zu bekommen, weil Grosse-Bley bisher so zurückhaltend war. Am 23. März ging die Anfrage an die Ringier-Pressestelle raus. Fest stand zu diesem Zeitpunkt nur, dass in der kommenden Ausgabe eine Grosse-Bley-Geschichte erscheinen würde. Notfalls auch ohne sein Zutun. Überraschenderweise kam aber nur wenige Stunden später eine Zusage mit dem Termin für Mitte April. CEO Marc Walder und Kommunikationsleiter Edi Estermann hatten Grosse-Bley gut zugeredet.

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Der Verlag hat einfach ein Interesse, die Stimme der Redaktion hörbar zu machen. Der Markt in der Schweiz ist klein. Da kann es im Anzeigengeschäft und bei der Personalrekrutierung durchaus mal helfen, wenn der Chefredaktor mal Flagge zeigt. Es geht gar nicht so sehr darum, was er dann erzählt. Die wichtigere Botschaft ist, dass einer hinsteht für das, was er macht. Das ist der Grund, warum die „Bild“ in Deutschland vor einigen Jahren anfing, sich nicht mehr widerstandslos verprügeln zu lassen: Chefredaktor Kai Diekmann ist präsent in Debatten, vor einem Jahr wusch er dem „Spiegel“ in einem Interview den Kopf. Die Talkshow-Auftritte überlässt er dem telegenen Polit-Chef Nikolaus Blome, der die Bühne liebt.

Am Schluss fragten wir Grosse-Bley, was er eigentlich glaube, warum wir ihn interviewen wollten. Ehe er antworten kann, teilen wir mit: „Sie verkaufen gut.“ Grosse-Bley lacht. Es kann durchaus Spass machen, Landsleute im Ausland zu treffen."

Markus Wiegand, Chefredaktor "Schweizer Journalist"