Leute
dpa - Anna Ringle

Eine leise Mächtige: Friede Springer wird 80

Eine eher leise Frau, die große Macht in ihren Händen hält: Friede Springer prägt die Presselandschaft in Deutschland seit Jahrzehnten. Eine Annäherung zum 80. Geburtstag aus Sicht von Weggefährten.

Berlin (dpa) − „Ich bin zu Frau Springer gegangen und sagte: „Ich glaube, die machen heute die Mauer auf.»“ Der damalige Regierende Bürgermeister Walter Momper erinnert sich an die schicksalhafte Nacht Berlins am 9. November 1989. Friede Springer war nicht nur dieses Mal nah am Puls der Geschichte. Seit Jahrzehnten führt die einflussreiche Medienfrau ein bewegtes Leben. Mit ihrem Stiftungsengagement ist sie in Wissenschaft und im Sozialen verankert. Als Mehrheitsinhaberin steuerte sie den riesigen Springer-Konzern mit dem lauten Boulevardblatt „Bild“. Sie selbst schlug öffentlich nie laute Töne an. Am Montag (15. August) wird sie 80 Jahre alt.

 

Momper (SPD) sagt der Deutschen Presse-Agentur, er sei damals im West-Berliner Springer-Haus zur „Goldenen Lenkrad“-Gala gewesen, als sich abzeichnete, dass die Mauer fallen könnte. „Dann habe ich mich verabschiedet, sie war ja die Gastgeberin des Abends“, ergänzt Momper über Friede Springer. Die Großaktionärin sagte 2019 der „NZZ am Sonntag“, sie habe später aus dem Fenster geschaut. „Es dauerte nicht lange, da sah man im Osten Autos, die auf die Mauer zufuhren. Unvergesslich.“

 

Damals ging ein Traum ihres Ehemanns und Verlagsgründers Axel Cäsar Springer (1912-1985) in Erfüllung, den er nicht mehr erlebt hatte − die Wiedervereinigung. Das goldene Springer-Haus − provokant an der Grenze gebaut − fiel Mitte der 1980er Jahre in ihre Verantwortung. Heute steht daneben ein weiterer markanter Springer-Komplex von Stararchitekt Rem Koolhaas. Springer ist nicht mehr nur klassischer Zeitungsverlag, sondern ein Konzern mit Milliardenumsätzen, der in digitale Geschäfte investiert und in den USA einen Zukunftsmarkt sieht. Ihr Büro hat sie so belassen, wie es ihr Mann − sie war seine fünfte und letzte Ehefrau − hinterlassen hatte.

 

Aufsichtsratsmitglied Friede Springer geht bis heute im Haus ein und aus. In der Öffentlichkeit zeigt sie sich höflich, freundlich und zurückhaltend. Interviews gibt sie selten, so auch nicht vor ihrem Geburtstag.

 

Zugleich hat sie sich in einer Branche behauptet, die sogar heute noch teilweise davon geprägt ist, dass Männer breitbeinig die Ansagen machen. Der Berliner Politiker Momper sagt: „Als Chefin hatte sie sich empor gearbeitet. Das hatte sie schon gut gemacht. Sie hatte den Laden und ihren Besitz daran verteidigt.“ Medienmogul Leo Kirch hatte vergeblich versucht, eine Mehrheit am Springer-Verlag zu bekommen. Zudem gab es einen Erbstreit.

 

Sie sei immer noch eine wichtige Frau in der Medienlandschaft und Wirtschaft Berlins, sagt Momper. „Sie verweigerte natürlich immer die Verantwortung dafür, was die Zeitungen schrieben.“ Sie sei menschlich immer ganz interessiert, sie sei kein Geschäftsmensch. „Aber man darf nicht unterschätzen, dass sie den Laden mit Mathias Döpfner zusammen ziemlich gut in der Hand hat“, sagt der Politiker. Döpfner ist seit 20 Jahren an der Vorstandsspitze. Autorin Inge Kloepfer schrieb in den 2000er Jahren in ihrer Springer-Biografie: „Sie ist ebenso diskret wie machtbewusst, unter den deutschen Verlegern ist sie vielleicht die mächtigste.“

 

Mit Friede Springer sei er persönlich befreundet, sagte Döpfner in seiner Laudatio 2020 in der Paulskirche in Frankfurt am Main. Sie bekam einen Freiheitspreis. „Dein Lifestyle ist mit bodenständig bescheiden schon fast prahlerisch luxuriös beschrieben. Deine Limousine ist ein VW Polo. Damit suchst du dir beim Einkaufen die Parkplätze selbst.“ Er berichtete auch: „Als wir vergangenen Sonntag in Potsdam spazieren gegangen sind, da hast du Äpfel gesammelt. Nicht die schönen dicken am Baum, sondern Fallobst. Apfel für Apfel hast du aufgehoben. „Die kann man noch essen“, hast du gesagt.“

 

Das Gespann Springer-Döpfner agierte im Konzern vorausschauend. Man investierte in Immobilien- und Job-Portale im Netz, wohin viel Werbung abwanderte. Ein wichtiger Geldbringer für Verlage, die früher sogar Anzeigenanfragen wegen hoher Nachfrage ablehnen mussten. Springer sagte auch Ja zu harten Schnitten, wie dem Verkauf der traditionsreichen Springer-Marken „Berliner Morgenpost“, „Hamburger Abendblatt“ und der TV-Zeitschrift „Hörzu“.

 

Springer setzte ihre Hoffnungen in Döpfner: Vor Jahren schenkte sie ihm einen großen Teil ihrer Springer-Anteile und machte ihn zum Nachfolger. Döpfner geriet jüngst heftig in die Kritik. Es ging um eine umstrittene private Kurznachricht in der Affäre um den 2021 geschassten „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt, die an die Öffentlichkeit gelangte. Wie die Verlegerin dazu steht, ist öffentlich nicht bekannt. In der Nachricht hatte Döpfner Reichelt als letzten und einzigen Journalisten in Deutschland bezeichnet, der noch mutig gegen den „neuen DDR-Obrigkeitsstaat“ aufbegehre.

 

Friede Springer wurde am 15. August 1942 in Oldsum auf Föhr geboren, ihr Nachname war Riewerts. Sie arbeitete in den 1960er Jahren als Kinderpflegerin im Hause Axel Springers, 1978 heirateten die beiden. Friede Springer wurde darauf vorbereitet, an wichtigen Positionen des Hauses zu stehen. In den 1980er Jahren kam sie in den Beirat der als Besitzholding etablierten Axel Springer Gesellschaft für Publizistik GmbH & Co., deren alleinige Kontrolle sie später übernahm. Nach dem Börsengang 1985 wurde Springer in den Aufsichtsrat berufen, dem sie bis heute angehört, seit 1999 als Vize-Aufsichtsratsvorsitzende.

 

Sie steht auch Stiftungen vor: Etwa der Friede Springer Stiftung, die sich in Wissenschaft, Medizin, Forschung, Bildung, Kunst und Kultur engagiert. Vor kurzem wurde bekannt, dass Millionenbeträge für ein Präventionszentrum an der Berliner Charité eingesetzt werden sollen. Die Axel Springer Stiftung wiederum unterstützt wissenschaftliche, gemeinnützige und mildtätige Zwecke. Der Schwerpunkt liegt auf deutsch-jüdischer Geschichtsforschung und auf deutsch-israelischen Beziehungen.

 

Noch so ein geschichtlicher Moment, bei dem Friede Springer dabei war: Als Angela Merkel 2005 im Bundestag als Kanzlerin vereidigt wurde, saß demonstrativ eine Reihe einflussreicher Frauen auf der Tribüne. Neben Springer, die Merkel häufiger traf, war Talk-Moderatorin und Journalistin Sabine Christiansen zu sehen.

 

Die Journalistin erzählt der dpa: „Ich erinnere mich besonders gern an die wirklich privaten Momente auf Mallorca oder Sylt bei Freunden. Bei großen Empfängen hatte Friede immer ein freundliches Wort für Jeden, aber privat zeigte sich ihre ganze Herzlichkeit, Wärme und Fröhlichkeit.“ Christiansen sagte auch, Springer habe sich gegen alle Widerstände still und leise die Macht gesichert und sich einen einzigartigen Platz in der Landschaft von Verlegerinnen und Verlegern erobert. „Sie ist zudem eine Frau, die nie das Gemeinwohl aus den Augen verloren hat.“