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Ex-WAZ-Innenpolitikchef Norbert Robers: Joachim Gaucks Prophet

Der ehemalige Vollblutjournalist Norbert Robers arbeitet an der Neuauflage seiner zwölf Jahre alten Biografie über Gauck. Bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung leitete er die Innenpolitikredaktion und war Korrespondent in der Landeshauptstadt Düsseldorf.

Münster (dapd-nrw) - Sonntagabend um 21.30 Uhr sitzt Norbert Robers entspannt mit Freunden in einer Münsteraner Kneipe. Sein Handy vibriert. "Jetzt könnte Arbeit auf dich zukommen", lautet der Text der Kurznachricht einer Freundin. Robers veröffentlichte vor zwölf Jahren die bisher einzige Biografie über Joachim Gauck. Mit dessen Nominierung für das Bundespräsidentenamt ist eine Neuauflage im Eiltempo gefragt.

Noch in der Nacht bekommt Robers eine Mail des Verlags Koehler & Amelang. Er solle sich Gedanken über eine aktualisierte Biografie machen. Wenige Stunden zuvor hatten Union, FDP, SPD und Grüne in Berlin Gauck als gemeinsamen Kandidaten vorgestellt.

Von 2000 bis 2005 verkaufte Robers 2.500 Exemplare seines Buches über den damaligen Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde. Jetzt könnte die neue Auflage ein Bestseller werden. Bis Mittwoch schrieb der Pressesprecher der Universität Münster bereits 30 neue Seiten. Bis zur Leipziger Buchmesse am 15. März soll die neue Gauck-Biografie erscheinen. Am 18. März soll der 72-Jährige zum Bundespräsidenten gewählt werden.

Vor zwei Jahren hatte Robers die Neuauflage ad acta gelegt

Eine Auszeit vom Schreiben gönnt sich Robers nur an diesem Samstag, dann spricht er mit Gauck im Klosterdorf Marienthal (Hamminkeln). Dort trifft der Theologe und DDR-Bürgerrechtler rund 50 Wahlfrauen und -Männer der NRW-CDU, die ihn in der Bundesversammlung am 18. März ins Amt bringen sollen.

Spätestens mit der Wahl des CDU-Kandidaten Christian Wulff zum Bundespräsidenten vor knapp zwei Jahren hatte Robers eine mögliche Neuauflage der Gauck-Biografie ad acta gelegt. "Ich habe mindestens mit einer Amtsperiode gerechnet", sagt der 49 Jahre alte Journalist. 2015 wäre Gauck wohl zu alt für eine Kandidatur gewesen. Am letzten Sonntag kam dann doch alles anders. Danach begann der Medienmarathon des Gauck-Biografen: Vom Frühstücksfernsehen von ARD und ZDF bis zu N 24, zwischendurch ein gutes Dutzend Interviews.

Als Robers Gauck Mitte der 90er Jahre das erste Mal von seinem Projekt erzählte, hielt der das noch für überhöht, doch der Münsterländer blieb beharrlich. "Mecklenburger können störrisch sein, Westfalen aber auch", sagt Robers stolz. Irgendwann habe Gauck gemerkt, dass Robers es ernst meinte und sich um ein seriöses, vollständiges Bild bemühte. Sein Vertrauen war so groß, dass er ihm eine Vollmacht gab, um beispielsweise seine Schul- und Studienunterlagen einzusehen.

In seinem Büro steht Gaucks Stasiakte über die "Larve"

Inzwischen hat er so tiefe Einblicke in das Leben des DDR-Bürgers Gauck erhalten wie kaum jemand. In seinem Haus in Münster steht in vier schwarzen Aktenordnern sogar die Stasiakte mit rund 300 Seiten über die "Larve", wie man den oppositionellen Pfarrer in Stasikreisen nannte.

Bei Gaucks Biografie war Robers von Anfang an klar: Er brauchte Kontakt zu dessen Vater, zu den Geschwistern, Kindern, zu seinen ehemaligen Weggefährten, Bürgerrechtlern und Pastorenkollegen. Robers begeisterte, wie Gauck die Sehnsüchte der Menschen in Worte fasste. Seitdem telefonierte er regelmäßig mit Gauck. Als der Journalist ihn Montag um 11 Uhr auf dem Handy anrief, um zu gratulieren, habe Gauck ihn begrüßt: "Oh, mein Prophet ruft an."

Der letzte Satz von Robers zwölf Jahre alter Biografie lautet: "Die politische Karriere des Joachim Gauck - diese Voraussage sei gewagt - ist noch nicht zu Ende." Über diesen Satz hatten sich die beiden danach häufig amüsiert - weil er sich zunächst nicht zu bewahrheiten schien. Robers war jedoch immer klar: "Joachim Gauck ist und bleibt ein durch und durch politischer Mensch."