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Rudolf Augstein: Der „Journalist des Jahrhunderts“ und seine Machtworte

Rudolf Augstein: Der „Journalist des Jahrhunderts“ und seine Machtworte Rudolf Augstein: Journalist des Jahrhunderts

Was er anlässlich seiner Wahl zum „Journalisten des Jahrhunderts“ im Interview mit Annette Milz über den „Spiegel“ und sein Erbe sagte. Am 5. November 2023 wäre Augstein 100 Jahre alt geworden.

Hamburg – Wer hätte den Ehrentitel „Journalist des Jahrhunderts“ verdient, fragte „medium magazin“ Ende 1999 eine 100köpfige Jury. Die Wahl fiel mit klarer Mehrheit auf Rudolf Augstein (Wer wie und mit welcher Begründung abgestimmt hat: Nachzulesen in dem 16-seitigen Wahlspecial mm1-2000).


Doch wie ehrt man einen „Journalisten des Jahrhunderts?“ Am besten durch seine eigenen Worte: Am 10. Januar 2000 trafen Annette Milz (heute Herausgeberin, damals Chefredakteurin des „medium magazins“) und Andreas Spaeth (Fotos) Rudolf Augstein in seinem Privathaus am Leinpfad zum Gespräch. In sein Büro (im alten „Spiegel“-Hochhaus) ging der Herausgeber, damals bereits gehandicapt durch eine starke Sehschwäche, nur noch selten. Zwei Stunden dauerte das Gespräch. Es war das erste ausführliche Interview seit seinem 75. Geburtstag 1998 – und es wurde das letzte große externe Interview vor seinem Tod am 7. November 2002.

„Als er bei dem Treffen von seinem Sohn Julian und dessen Vorliebe für Computer statt Bücher erzählt, meldet der damals 27-Jährige im Hintergrund aus der Küche lachend Protest an“, schrieb Annette Milz in ihrem Editorial Nr. 2-2000: „Der Student der Betriebswirtschaft lebt noch zu Hause, die drei älteren Halbgeschwister (Anwältin Sabine Maria und die Journalisten Jakob und Franziska) gehen längst ihre eigenen Wege. Leise, aber präzise und mit einer gehörigen Prise Selbstironie formulierte Rudolf Augstein jede Antwort auf Fragen nach Positionen, Posten und nach seinem Erbe.“

 

Zitate aus jenem Gespräch:

  • Zur Anpassung des „Spiegels“ an den Zeitgeist: „Ich bin an sich ein unangepasster Mensch. Da kann ich also nicht wirklich zufriedengestellt werden.“
  • Zu Stil und Sprache: „Die Sprache verändert sich, und meist nicht zum Besseren. … Wo man früher gedacht hat, werden Dinge heute angedacht. Aber es gibt wichtigere Dinge als die, die mich stören könnten.“
  • Zu Tabus im Journalismus: „Ich sehe keinen Sinn darin, mit einer Teleskopkamera ein schaukelndes Schiff zu fotografieren, wo Ted Kennedy auf seiner Freundin liegt. Das finde ich nicht in Ordnung, und das werden wir auch nicht tun. Sonst sehe ich keine Tabus mehr …“
  • Zu seinem journalistischen Antrieb: „Ich war von jeder pädagogischen Absicht weit entfernt.“
  • Zu eigenen Rolle des Herausgebers: „Das mit der Richtlinienkompetenz ist so eine Sache. Die nutzt sich ab. Man kann nur durch das eigene Beispiel richtige Kompetenz ausüben.“
  • Zur Frage, ob der „Spiegel“ publizistisch vererbbar ist: „Jeder, der den Spiegel fortführt, wird die Tradition nicht unbeachtet lassen.“
  • … und ob eines seiner Kinder Herausgeber bzw. Herausgeberin werden solle? „Das ist denkbar, aber nicht zwingend.“

 

Das komplette Gespräch hier als pdf zum Download.