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Susanne Gaschke: Abschied vom Journalismus, neue Heimat Politik

Giovanni di Lorenzo kann jetzt damit beginnen, ernsthaft darüber nachzudenken, wie und ob überhaupt er eine der profiliertesten und kritischsten Autorinnen seines Blattes ersetzen kann. Susanne Gaschke, leitende Redakteurin der Zeitung, hat am Samstag die Mehrheit der Stimmen der SPD in Kiel auf sich vereinen können. Damit steigt sie für die Sozialdemokraten am 28. Oktober in den Ring um die Wahl der Verwaltungsspitze - Lokalspitze gegen Leitartikel.

Kiel - Politikern wird häufig gesagt, dass sie auch bei Wahlen lächeln sollen. Wer sie erblickt, soll denken, dass sie mit sich im Reinen sind, keine Angst haben, die Welt retten können. Susanne Gaschke war bis gestern keine Politikern, sondern Journalistin, eine kritische, gute und erfolgreiche journalistische Entscheiderin. Bei der Mitgliederversammlung der SPD hat die 45-Jährige ihre Mimik nicht unter Kontrolle, sie wirkt angespannt und nervös bei ihrem Wechsel vom Journalismus in die Politik. Wer kann es ihr verdenken?

Gaschke hat sich im zweiten Wahlgang mit zwei Stimmen Unterschied gegen ihre Hauptkonkurrentin, die Landeswahlleiterin Manuela Söller-Winkler, durchgesetzt. Nach einem schwachen Abschneiden im ersten Wahlgang hatten Marine-Offizier Jan Christian Kaack und der Leitende Beamte Thomas Engel aus dem Bildungsministerium auf ein Antreten im zweiten Durchgang verzichtet.

Gaschke, die sich in ihrer Bewerbungsrede als "wertkonservativ" bezeichnete und die Berichterstattung der lokalen Monopolzeitung "Kieler Nachrichten", bei der sie einst volontiert hat, kritisierte, ist in Kiel und in der SPD exzellent verdrahtet, ihr Mann ist der Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels. Schon der hatte einmal nur knapp eine Wahl mit zwei Stimmen Unterschied für sich entschieden.

Ihre Arbeit bei der "Zeit" werde sie Schritt für Schritt reduzieren, sagte Susanne Gaschke in Kiel zu NEWSROOM. Statt Bundespolitik auf der schreibenden Seite will sie ihre Heimatstadt Kiel aktiv gestalten.

Bei ihrem Marsch in das oberste Amt der Stadt Kiel kann Gaschke auch auf prominente Fürsprecher und Unterstützer setzen. So sagte Torsten Albig, bisheriger Kieler Oberbürgermeister und heute Landesvater von Schleswig-Holstein, dass Susanne Gaschke jede Unterstützung erhalten werde. Angesprochen darauf, wie er es sehe, ob eine Journalistin auch Politik machen könne, sagte Albig zu NEWSROOM: "Es ist nicht wichtig, was Susanne Gaschke war, sondern es ist jetzt wichtig, dass sie jetzt gut für die Stadt wird. Dabei werden wir sie unterstützen und durch den Wahlkampf tragen."

Martina Drexler von den "Kieler Nachrichten" war überrascht, wie eng am Ende der Vorsprung von Susanne Gaschke ausgefallen war. Auch Christian Wolf vom NDR hatte früh prognostiziert, dass es auf ein Duell hinauslaufen würde. Könnte er sich denn vorstellen, einmal in die Politik zu gehen? Der 33-Jährige zu NEWSROOM: "Ein Seitenwechsel in die Politik käme für mich nicht in Frage."

Für die Kieler Sozialdemokraten ist der gesamte Mitgliederentscheid übrigens ein deutschlandweit viel beachteter Erfolg. 1600 Mitglieder hat die SPD Kiel. Am Samstag kamen über 500 Mitglieder und Gäste, um bei der Nominierung dabei zu sein und mitzuentscheiden.

Wahltag - 28. Oktober entscheiden die Bürger in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt, wer die kommenden sechs Jahre neuer Kieler Oberbürgermeister sein wird. Gaschkes Konkurrenten sind höchstwahrscheinlich der Grüne Landtagsabgeordnete Andreas Tietze und Gert Meyer für die CDU. Beide sind von ihren Parteien aber noch nicht offiziell gekürt.

Bülend Ürük

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