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dpa - Deutsche Presseagentur GmbH

Dänische Medien im digitalen Wandel − Der Trend geht zum Bezahlmodell

Die Tageszeitungen in Dänemark haben beim Übergang ins digitale Zeitalter enorm Federn gelassen. Die Auflagen sinken, und die Online-Konkurrenz ist groß. Die Blattmacher setzen auf Qualität statt Schnelligkeit.

Kopenhagen (dpa) − Montagnachmittag: In der U-Bahn zwischen den Stationen Christianshavn und Nørreport in Kopenhagen stehen die Menschen dicht gedrängt. Doch in die Augen schauen sie sich nicht. Die meisten richten ihren Blick auf ihr Smartphone und wischen routiniert mit dem Finger übers Display. Nur in der hinteren Reihe blättert jemand in der «MetroXpress“. Dass jemand eine Zeitung in der Hand hält, ist in Kopenhagen ein seltener Anblick.


60 Prozent der Dänen nutzten einer neuen Studie der Universität in Roskilde zufolge ihr Smartphone, um sich zu informieren, was in der Welt passiert − im Zug, auf dem Sofa und auf dem Klo. Der Wunsch, immer auf dem Laufenden sein zu wollen, hat die einmal am Tag erscheinenden Zeitungen unter Druck gesetzt. 

 

Ein Beispiel ist der Kopenhagener Anders. Er hat sein Abo der Wochenendzeitung „Weekendavisen“ erst vor ein paar Tagen gekündigt. „Ich bin zu geizig, für eine Zeitung zu bezahlen, die ich selten schaffe zu lesen“, sagt der 37-Jährige. Er informiert sich lieber online. Die Auflagen der gedruckten Ausgaben fallen von Jahr zu Jahr. Es gebe praktisch von jeder Zeitung auch ein Online-Angebot, sagt der Medienwissenschaftler Mark Blach-Ørsten, der an der Studie zum Medienverhalten der Dänen mitgearbeitet hat.

 

Von den aktuellen Entwicklungen profitieren nicht zuletzt die Fernsehsender: Wenn es um Online-Nachrichten geht, schauen die meisten Dänen auf die Homepages des öffentlich-rechtlichen Dänischen Rundfunks (www.dr.dk) und von TV2 (http://tv2.dk/). Dort informieren sich jede Woche 37 beziehungsweise 31 Prozent der Dänen. Nur 19 Prozent halten sich an die Webseite der Zeitung „Politiken“. „Berlingkse“ kommt auf 16 Prozent, „Jyllandsposten“ auf 15 Prozent.

 

Die dänischen Medien seien bei der Umstellung auf digitale Nutzung eher langsam gewesen, meint Blach-Ørsten. Jakob Nielsen, ehemaliger Redaktionschef und Korrespondent bei „Politiken“, nun Chefredakteur des Nachrichtenportals „Altinget“, erinnert sich gut an die Anfänge der digitalen Zeitung. Ein großer Streik legte 1998 das öffentliche Leben in Dänemark lahm. Auch die Zeitungen konnten nicht mehr erscheinen. Da kam „Politiken“ auf die Idee, seine Texte im Internet zu veröffentlichen.

 

Die Online-Reaktionen waren zunächst von den anderen abgekoppelt. Eine lange Hintergrundgeschichte aus dem Ausland war auf der Online-Seite undenkbar. Alles musste kurz und knapp sein. „Bei Online lag der Fokus weit weniger auf Qualität und in die Tiefe gehende Reportagen als bei Print“, sagt Nielsen. „Wir waren fast wie zwei miteinander konkurrierende Nachrichtenorganisationen.“ Das sei inzwischen anders. 

 

Heute haben 96 Prozent der Dänen einen Internetanschluss. Als Printmedium gegen Online-News gewinnen zu wollen, hält Nielsen für aussichtslos. „Wenn man mit Nachrichten konkurrieren will, muss man sehr tabloid sein. Als seriöses Medium sollte man „fast news“ vergessen.“

Blach-Ørsten empfiehlt den traditionellen Zeitungsmachern, sich durch gründliche Recherche, Analysen und Hintergrundberichte von den sozialen Medien abzusetzen. Reine Online-Zeitungen wie „Zetland“ und „Altinget“ machen das vor − und richten sich an Lesergruppen, die bereit sind, für Inhalte zu bezahlen. 

Komplett gratis ist inzwischen auch kaum noch eine Online-Ausgabe der Tageszeitungen. Fast alle haben sich für das Freemium-Modell entschieden, bei dem einige Texte kostenlos sind, für andere aber bezahlt werden muss. „Eine strikte Bezahlschranke, bei der nichts gratis ist, hat sich als eine sehr schlechte Idee entpuppt“, sagt Blach-Ørsten. „Das unterbindet jeden Verkehr auf deiner Webseite.“

 

Nielsen sieht das ähnlich: «Heute glauben wir, dass das E-Paper, also die PDF-Version der Printausgabe, das Geschäftsmodell der Zukunft ist.“ 15 Prozent der Dänen sind der Studie zufolge bereit, für Nachrichten zu bezahlen. Damit liegt Dänemark im Vergleich mit anderen europäischen Ländern weit vorn. Doch Blach-Ørsten meint, dass damit eine Grenze erreicht ist. Um noch mehr Leute zum Bezahlen zu bringen, brauche man neue Geschäftsmodelle − und gute Ideen.