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Wirtschaftsjournalist / Wolfgang Messner

"Handelsblatt"-Chef Sebastian Matthes: "Vielleicht ging es noch nie so sehr um Journalismus"

"Handelsblatt"-Chef Sebastian Matthes: "Vielleicht ging es noch nie so sehr um Journalismus" Sebastian Matthes: Skepsis gespürt? (Foto: Max Brunnert)

Als sich Dieter von Holtzbrinck vor mehr als einem Jahr vom damaligen „Handelsblatt“ Chefredakteur Sven Afhüppe trennte, hatte niemand Sebastian Matthes groß auf der Rechnung. Er war in der Branche kaum bekannt und es gab wenige, die ihm den Job zutrauten. Matthes fällt es nun zu, den Umbau der Wirtschafts- und Finanzzeitung zu einem vollständig digitalen Medienhaus zu vollenden.

Herr Matthes, vor einem Jahr wurden Sie überraschend zum Chefredakteur des "Handelsblatts". Müssen Sie sich manchmal kneifen, dass das alles tatsächlich wahr geworden ist?


Sebastian Matthes: Eigentlich ja, oft bleibt mir nicht die Zeit dafür. Aber die Aufgabe macht mir riesigen Spaß, ich hatte noch nie in meinem Berufsleben so sehr das Gefühl, das zu machen, was ich immer wollte.


Viele hatten Sie für den Job nicht auf
der Karte. Nach der Berufung gab es Zweifel. Haben Sie die Skepsis gespürt?


Ich habe gelesen, dass in ein oder zwei Ar
tikeln damals Zweifel geäußert wurden. Die große Mehrheit der Reaktionen aber war Zuspruch – intern wie extern – weil mit meiner Personalie der künftige Kurs klar war. Und offenbar wurde mir der Job ja auch zugetraut. Insofern war das eher eine theoretische Diskussion für mich. Anders als Ihre Vorgänger sind Sie im politischen Berlin nicht vernetzt. Auch bei den großen Konzernen hatten Sie kein nennenswertes Netzwerk. Bei den Konzernen hatte ich damals schon ein ordentliches Netzwerk, außerdem beschäftige ich mich seit vielen Jahren mit der Szene der jungen Wachstumsunternehmen in der Technologie- und Innovationsszene und glaube auch, dass mein Netzwerk in Berlin ganz gut ist. Die Interviews, die wir haben wollen, die bekommen wir auch.


Haben Sie sich eigentlich um den Job beworben?


Nein. Ich glaube auch nicht, dass das ein
Job ist, um den man sich bewerben kann.


Ihr Verleger Dieter von Holtzbrinck ist dafür bekannt, dass er seinen Redaktionen eigentlich nicht reinregiert. Abgesehen von Gabor Steingart, den er 2018 wegen eines Kommentars gefeuert hat. Wie stark mischt er sich bei Ihnen ein?


Wir tauschen uns sehr regelmäßig, min
destens einmal im Quartal, über die strategische Weiterentwicklung des „Handelsblatts“ aus. Da geht es dann mal um unser neues Layout für die Website und die Zeitung, das in den nächsten Monaten kommen wird, oder um Produktinnovationen. Inhaltlich mischt sich Dieter von Holtzbrinck nie ein.


Er kommentiert die Inhalte gar nicht?


Wenn überhaupt, dann nur den generel
len redaktionellen Kurs.


Das „Handelsblatt“ ist eine Traditionsmarke. An der Spitze gab es immer erfahrene Journalisten. Der Chef war eine Galionsfigur – von Ziesemer über Steingart bis Afhüppe. Wer oder was sind Sie?


Solche Bewertungen überlasse ich ande
ren. In jedem Fall bin ich ein Teamplayer, der zusammen mit sehr fähigen Kolleginnen und Kollegen an der Zukunft des „Handelsblatts“ arbeitet. Denn ich bin überzeugt davon, dass Wirtschaftsjournalismus in Zukunft noch eine viel größere Rolle spielen kann – und muss.


Wie soll das gelingen?


Es geht um Journalismus. Vielleicht ging
es noch nie so sehr um Journalismus. Die großen Titelgeschichten sind noch wichtig und bleiben es auch. Aber es kommt immer mehr auf jeden einzelnen Text an. Wir müssen im Digitalen jeden Tag und jede Stunde unsere Leserinnen und Leser mit jedem einzelnen Text immer wieder neu überzeugen. Wenn wir sie langweilen, dann sind sie weg.


Genauer bitte!


Wir sind gerade dabei, sehr genau zu ver
stehen, was unsere Zielgruppen von uns erwarten. Wir analysieren, zu welchen Themen Leserinnen und Leser sekundenaktuelle News erwarten, in welchen Feldern lange Analysen – und zu welcher Zeit all das auf der Website stehen muss. Mittlerweile sind mehr als drei Viertel unserer zahlenden Nutzer Digitalabonnenten. Das „Handelsblatt“ wird deshalb immer mehr von einer reinen Tageszeitung zu einer 24/7-Newsplattform, die rund um die Uhr aus allen Teilen der Welt exklusiven und investigativen Wirtschaftsjournalismus bietet. Und in diesem Transformationsprozess wird exzellenter Journalismus noch viel wichtiger, weil wir noch viel mehr Leserinnen und Leser dazu bewegen wollen, für unsere Inhalte zu bezahlen.


Unterscheiden Sie sich da groß von
Ihren Vorgängern? Da ging es doch auch um Journalismus.


Wir haben unsere inhaltliche Strategie
deutlich geschärft. In den vergangenen Jahren hat das „Handelsblatt“ versucht, sehr vieles zu sein. Im politischen Bereich ist es sehr breit geworden. Wir haben uns nun die Frage gestellt: Wofür wollen wir eigentlich wirklich stehen? Was soll das „Handelsblatt“ sein in Zukunft?


Nämlich?


Wir werden mehr und mehr zu der Platt
form, auf der die Menschen erfahren, wie die Zukunft der Wirtschaft aussieht. Welche Innovationen Unternehmen und Geschäftsmodelle und letztlich das Leben von uns allen verändern werden. Dazu kommt die Frage, wie der gigantische grüne Umbau der Wirtschaft erfolgen soll. Wir sprechen hier vom größten Umbau der Wirtschaft seit der industriellen Revolution. Diese Themen treiben wir voran. Und ich denke, diese Akzente wurden in der Vergangenheit so nicht gesetzt.


Das komplette Interview mit Sebastian Matthes lesen Sie in der aktuellen Ausgabe vom Wirtschaftsjournalist.