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Gutachten Degenhart: Kommt der Mindestlohn, ist Zeitungszustellung im ländlichen Raum gefährdet

Mit den „Verfassungsfragen eines gesetzlichen Mindestlohns für die Zeitungszustellung“ hat sich Prof. Dr. Christoph Degenhart von der Universität Leipzig beschäftigt.

Berlin - In dem Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, das Newsroom.de vorliegt, kommt der Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass eine Zeitungszustellung vor allem im ländlichen Raum wirtschaftlich nicht mehr realisierbar wäre.

Newsroom.de dokumentiert die wichtigsten Ergebnisse in einer Übersicht.

„Ein gesetzlicher Mindestlohn würde nach allen zur Diskussion stehenden Modellen die Trägerzustellung von Zeitungen auf Grund des organisatorischen und finanziellen Aufwands in einem Maße erschweren, dass sie vor allem im ländlichen Raum nicht mehr wirtschaftlich realisierbar wäre. Da die Trägerzustellung nach wie vor alternativlos ist, würde dies die Verbreitung und den Bestand von Tageszeitungen gefährden.

Das Grundrecht der Pressefreiheit schützt, wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont, den gesamten Tätigkeitsbereich der Presse, „von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung“. Daher genießt auch der Vertrieb von Presseprodukten und vor allem die Botenzustellung von Zeitungen den Schutz der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Zeitungsverlage sind hierauf angewiesen. Deshalb ist auch hier, wie überall dort, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, in der Rechtordnung der Pressefreiheit des Grundgesetzes Rechnung zu tragen.

III.

Ein gesetzlicher Mindestlohn würde nach allen zur Diskussion stehenden Modellen dem nicht gerecht.

1. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde einen intensiven, verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Freiheit der Presse bedeuten. Der Vertrieb der Presse als wesentlicher Bestandteil der Pressefreiheit wäre nachhaltig beeinträchtigt.

2. Ein solcher Eingriff wäre unverhältnismäßig, weil er die spezifischen Gegebenheiten des Pressevertriebs außer Acht ließe. Für den Mindestlohn als Eingriff in die Tarifautonomie und in die Vertragsfreiheit bei der Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen (Art. 9 Abs. 3 bzw. Art. 12 Abs. 1 GG) wird das Anliegen der Existenzsicherung bei Vollzeitbeschäftigung angeführt. Diese Gesichtspunkte treffen für die Zeitungszustellung nicht zu, die sachbedingt nicht als Vollzeitbeschäftigung erfolgen kann.

3. Mit einer Einbeziehung des Pressevertriebs in ein gesetzliches Mindestlohnmodell würde die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Rahmenbedingungen für die Presse so zu gestalten, dass ihrer Freiheit auch unter dem Aspekt des Vertriebs gewahrt bleibt, nachhaltig verfehlt. Dies betrifft nicht nur einzelne Verlage, die aus wirtschaftlichen Gründen teilweise keine Trägerzustellung mehr vornehmen könnten, was letztlich dazu führen kann, dass regionale und lokale Zeitungen ihr Erscheinen zum Teil einstellen müssen. Dies betrifft auch die Freiheit der Presse als Institution. Die Vielfalt der Presse – und um sie geht es bei Art. 5 GG – wäre ebenso gefährdet, wie der Informationszugang der Bürgerinnen und Bürger.

Sollte also ein gesetzlicher Mindestlohn auf der Grundlage der aktuell zur Diskussion stehenden Modelle oder in ähnlicher Form eingeführt werden, so ist jedenfalls der Bereich der Zeitungszustellung aus verfassungsrechtlichen Gründen hiervon auszunehmen.“

Bülend Ürük

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