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"Nur wirtschaftliche Unabhängigkeit sichert journalistische Freiheit"

"Nur wirtschaftliche Unabhängigkeit sichert journalistische Freiheit" Günter Krings. Foto: Tobias Koch

Im Kartell- oder im Medienkonzentrationsrecht sollten Beschränkungen abgebaut werden, die nicht mehr zeitgemäß sind. Das sagt Günter Krings. Er gilt als Favorit auf die Nachfolge von Norbert Lammert an der Spitze der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Berlin - Weltweit geraten Medien unter Druck – politisch, wirtschaftlich, strukturell. Während in den USA selbst große Nachrichtenmarken offen angegriffen werden, stellt sich auch in Deutschland eine leisere, aber nicht minder folgenreiche Frage: Was passiert mit der Demokratie, wenn Lokalzeitungen ihre wirtschaftliche Basis verlieren? Günter Krings, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, über die Verletzlichkeit lokaler Öffentlichkeit, die Grenzen staatlicher Unterstützung – und warum Pressefreiheit vor allem vor Ort verteidigt wird.

 

Wenn selbst große Medienmarken wie CNN durch politischen und wirtschaftlichen Druck angreifbar werden: Wie gefährdet sind dann erst Lokalzeitungen in Deutschland – und ist ihre strukturelle Schwäche nicht längst ein Risiko für die Pressefreiheit?

 

Günter Krings: Zum Glück gibt es keinen politischen Druck auf Medienanbieter und Journalisten, so wie wir ihn derzeit in den USA erleben. Bei uns ist es undenkbar, dass unliebsame Journalisten durch die Regierung von Pressekonferenzen ausgeschlossen werden, als auch unvorstellbar, dass absurde politisch motivierte Milliardenklagen gegen Medienhäuser initiiert werden. Ganz zu schweigen von Beleidigungen vor laufender Kamera. Ohne Frage: Auch bei uns stehen Zeitungsverlage unter wirtschaftlichem Druck. Aber unsere Medienwelt ist vielfältig und diversifiziert. Auch in Deutschland machen wir uns aber Sorgen um die Zukunft der Lokalzeitungen. Diese begründen sich aber eher aus dem demographischen Wandel und dem Nutzerverhalten der Leserinnen und Leser.

 

Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der Erosion lokaler Medien in den USA und der wachsenden politischen Polarisierung – und welche Lehren sollte die Bundesregierung daraus für die Förderung von Lokaljournalismus in Deutschland ziehen?

 

Lokalzeitungen verlieren mittlerweile in vielen Ländern der Welt ihre einstige Bedeutung. Das hat in erster Linie wirtschaftliche Gründe, vor allem wegen rückläufiger Anzeigenerlöse. Dies schwächt wiederum die Möglichkeiten der Verlage, ihre Redaktionen mit den Mitteln auszustatten, die sie für die Präsenz vor Ort brauchen, für Recherche, Berichterstattung und die Nähe zu den Interessen ihrer Leserinnen und Leser. In vielen Ländern können wir deshalb beobachten, dass beispielsweise Unternehmen, deren wirtschaftliche Betätigung keinen Bezug zu Medien hat, Beteiligungen an solchen Zeitungen erwerben, um dann Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen - zur Förderung ihrer eigenen Interessen oder der Interessen von Politikern und Parteien, die sie damit unterstützen wollen. Dies ist in Deutschland noch nicht der Fall. Aber ich würde es auch nicht dauerhaft ausschliessen, insbesondere wenn ich sehe, welche Einstellung die Parteien am linken und rechten Rand zur Unabhängigkeit der Medien haben.

 

Reicht die bisherige Unterstützung für Lokalzeitungen aus, um redaktionelle Unabhängigkeit zu sichern, oder braucht es neue Modelle, die verhindern, dass wirtschaftliche Not politische Einflussnahme begünstigt?

 

Günter Krings: Dort, wo Rahmenbedingungen angepasst werden müssen, sollte dies geschehen, etwa im Kartell- oder im Medienkonzentrationsrecht. Beschränkungen, die nicht mehr zeitgemäß sind, sollten abgebaut werden. Wo sich neue Modelle entwickeln, sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen keine neuen Hemmnisse aufbauen. Im Koalitionsvertrag ist etwa vereinbart, die Gemeinnützigkeitsregeln entsprechend anzupassen. Insgesamt muss diese Frage aber zusammen mit den Verlagen und Redaktionen bewertet werden. Ich würde es unterstützen, wenn sich dazu alle Beteiligten zusammensetzen. Mein Optimismus reicht aus, um zu glauben, dass wir jedenfalls im Ziel alle einig sein dürften.

 

Welche Rolle sollten Kommunen, Länder und der Bund spielen, um Lokalzeitungen als demokratische Infrastruktur zu stärken, ohne ihre journalistische Freiheit zu gefährden?

 

Demokratie beginnt im Lokalen. Lokaljournalismus sorgt für Transparenz, für die Kontrolle vor Ort, er deckt Fehlverhalten auf und kann der gesellschaftlichen Polarisierung entgegenwirken. Deshalb bleibt er unverzichtbar. Der Bundestag hat 2020 den Verlagen als ersten Schritt 220 Mio. Euro für eine Reihe von Projekten zugesagt. Immer wieder wird auch diskutiert, einen Teil der Rundfunkgebühr zweckgerichtet den Verlagen zuzuführen. Dreh- und Angelpunkt muss dabei aber die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Medienunternehmen sein. Nur wirtschaftliche Unabhängigkeit sichert journalistische Freiheit.


Muss Europa angesichts der US-Entwicklungen gezielt in lokalen Qualitätsjournalismus investieren, um Medienfreiheit „von unten“ zu schützen – und wie ließe sich das staatsfern organisieren?

 

Ich bin immer sehr vorsichtig bei Anregungen, dass Europa „von oben“ etwas regulieren soll, damit Freiheit „von unten“ geschützt wird. Die Medienordnungen der einzelnen europäischen Länder sind sehr unterschiedlich. Das ist Ausdruck der europäischen Vielfalt. Einem europäisches Fördersystem für lokalen Qualitätsjournalismus stehe ich daher skeptisch gegenüber. Hier sind eher die Mitgliedstaaten gefordert.

 

Autor: fy

 

Zur Person: Prof. Dr. Günter Krings ist Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mit den Arbeitsbereichen Innen, Recht und Verbraucherschutz und Petitionen sowie Vorsitzender der CDU-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen. Krings, geboren am 7. August 1969 in Mönchengladbach-Rheydt, ist Lehrbeauftragter für Staatsrecht und Honorarprofessor an der Universität zu Köln. Er gehört dem Deutschen Bundestag seit 2002 an. Krings gilt als Favorit auf die Nachfolge von Norbert Lammert an der Spitze der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er bewirbt sich für dieses Amt auf Vorschlag von Bundeskanzler Friedrich Merz.