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Presse ohne Freiheit − Bekannte Journalisten in Türkei müssen in Haft

Presse ohne Freiheit − Bekannte Journalisten in Türkei müssen in Haft Mitarbeiter von „Cumhuriyet“ müssen wieder ins Gefängnis.

„Hexenjagd“ gegen Journalisten und politische Prozesse. Die Situation für Reporter in der Türkei ist seit Jahren schlecht. Nun sollen ehemalige Mitarbeiter der Zeitung „Cumhuriyet“ wieder in Haft.

Istanbul (dpa) − Bevor die prominentesten Journalisten in der Türkei wieder ins Gefängnis müssen, treten sie mit ihren Anwälten noch einmal vor die Presse. Der Karikaturist Musa Kart hebt die Hände und sagt: „Das Verfahren gegen uns ist politisch.“ Irgendwann werde sich die politische Führung bei ihm entschuldigen und wenn nicht, dann deren Kinder bei seinen. 

 

Zahlreiche ehemalige Mitarbeiter der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“ waren vor einem Jahr wegen Unterstützung von Terrororganisationen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Für einige Journalisten läuft noch ein Berufungsverfahren. Die Einsprüche von Musa Kart, dem bekannten Kolumnisten Kadri Gürsel und sechs weiteren Verurteilten wurden jedoch abgelehnt. Die Journalisten können jederzeit abgeholt und inhaftiert werden.

Der Fall der ehemaligen „Cumhuriyet“-Mitarbeiter steht beispielhaft für den Zustand der Medien im Land. Journalisten kämpfen seit Jahren gegen Zensur und Einschüchterung. Auf der neuen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (ROG) liegt die Türkei unverändert auf Platz 157 von 180. Die Türkei bleibt weltweit das größte Gefängnis für Journalisten. Das Komitee zu Schutz von Journalisten beziffert die Zahl der inhaftierten Medienmitarbeiter auf 68, die Organisation P24 auf mehr als 100. Seit dem Putschversuch von Juli 2016 habe sich die „Hexenjagd der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan“ gegen kritische Journalisten noch zugespitzt, schreibt ROG.

Auch die ehemaligen „Cumhuriyet“-Mitarbeiter waren nach dem Putschversuch festgenommen worden und saßen teilweise mehr als ein Jahr in Untersuchungshaft. Ein Gericht in Istanbul urteilte im April 2018, sie hätten die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, die linksextremistische DHKP-C und die Gülen-Bewegung unterstützt. Letztere macht Erdogan für den Putschversuch verantwortlich. Als Beleg dafür wurden vor allem Artikel aus der „Cumhuriyet“ angeführt.

Die Journalisten und Anwälte halten das für absurd. Es sei die „Cumhuriyet“ gewesen, die vor der Gülen-Bewegung gewarnt habe, als Erdogan selbst noch mit dem Anführer der Bewegung − dem islamischen Prediger Fethullah Gülen − verbündet war. Karikaturist Kart (65) sagt: „Unser Fall zeigt, dass die Pressefreiheit aufgehoben wurde. Die Nachricht an uns und andere ist, ihr könnt keinerlei Journalismus betreiben.“ Andere Reporter und Zeichner würden so eingeschüchtert.

Türkische Journalisten haben wenig Spielraum. Die Medien stehen zum großen Teil unter direktem oder indirektem Einfluss der Regierung. Die meisten gehören Konzernen, die vor allem Interessen in anderen Wirtschaftssektoren haben und daher abhängig von staatlichen Aufträgen sind. Besonders monoton ist die Medienlandschaft seit 2018 die Dogan-Mediengruppe an den Erdogan-nahen Demirören-Konzern verkauft wurde. Zu den Publikationen die den Besitzer wechselten, gehören die einst auflagenstärkste Zeitung „Hürriyet“ und der Sender CNN Türk. Die „Hürriyet“ verlor nach dem Verkauf Tausende Abonnenten und liegt mit ihrer Auflage nur noch auf Platz drei.

Der Sender CNN Türk wiederum sorgte vergangene Woche für Aufregung, als Ekrem Imamoglu offiziell Bürgermeister von Istanbul wurde. Es war das Thema des Tages in der Türkei: Nach 25 Jahren zog erstmals ein Oppositioneller ins Rathaus ein. Doch CNN Türk übertrug statt der Zeremonie eine Rede der Präsidentengattin Emine Erdogan.

Die Berichterstattung ausländischer Journalisten kann die Regierung zwar nicht beeinflussen, aber auch der Druck auf Korrespondenten ist hoch. Im März wurden dem ZDF-Reporter Jörg Brase und dem „Tagesspiegel“-Korrespondenten Thomas Seibert die Arbeitserlaubnis verweigert. Sie erhielten sie erst nach Protest der Bundesregierung.

Karikaturist Kart versucht unterdessen, positiv zu bleiben. Er bekomme Unterstützung von Zeichnern weltweit, sagt er. Das mache ihm Mut. Er saß bereits lange in U-Haft, die mit der Haftstrafe verrechnet wird. „Ich habe noch 13 Monate übrig“, sagt Kart und grinst. „Wir gehen erhobenen Hauptes zurück ins Gefängnis.“