Print
DPA

100 Jahre Ganske-Verlagsgruppe

Der vor 100 Jahren gegründete Lesezirkel bildete den Grundstock für ein vielfältiges Medienunternehmen, zu dem Verlage wie Hoffmann und Campe, Gräfe und Unzer und der Deutsche Taschenbuchverlag gehören.

Hamburg (dpa) - Beim Arzt oder Friseur vertreiben sich Patienten und Kunden die Zeit oft mit Zeitschriften wie der «Für Sie» oder «Petra». Die Blätter kommen aus dem Jahreszeiten-Verlag, der zur Ganske-Verlagsgruppe gehört. Auch viele andere Magazine und Illustrierte erreichen - ausgeliefert vom «Leserkreis Daheim» - Wartezimmer, Salons und Privathaushalte dank dieser Gruppe. Der vor 100 Jahren gegründete Lesezirkel bildete den Grundstock für ein mittlerweile sehr vielfältiges Medienunternehmen, zu dem Verlage wie Hoffmann und Campe, Gräfe und Unzer und der Deutsche Taschenbuchverlag (dtv) gehören. Für Mittwoch (16.5.) hat Verleger Thomas Ganske Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur zur Feier des 100-jährigen Bestehens nach Hamburg eingeladen.

Der Anfang: Richard Ganske ist Werftarbeiter in Kiel. Der belesene Mann verleiht an wissbegierige Kollegen Bücher und Zeitschriften gegen eine kleine Gebühr. Das zahlt sich aus. Ganske macht sich schließlich als Buchhändler selbstständig und gründet am 1. April 1907 - einer Tradition in Deutschland folgend - seinen «Lesezirkel Daheim». «Mit der Auswahl der Zeitschriftentitel traf er genau den Geschmack seiner Zeitgenossen: In den ersten fünf Jahren nach Gründung zählte Ganske gut zweitausend Kunden - so viel wie keiner seiner Wettbewerber», heißt es in einer Mitarbeiterzeitschrift des Verlags. Die Pappdeckel der Lesemappen werden schon damals für Werbung genutzt. 1913 kommt die erste Filiale in Hannover dazu.

Die Kriegsjahre: Beide Weltkriege bringen schwere Rückschläge für Ganske - und jedes Mal den Wiederaufbau. Im Alter von 19 Jahren tritt Sohn Kurt 1924 in die Firma ein. Tatkräftig baut er bis 1938 für den Lesezirkel 36 Filialen in Deutschland auf. Drei Jahre später beteiligt er sich am traditionsreichen Verlag Hoffmann und Campe, den er 1950 komplett übernimmt. Nach der Rückkehr aus dem Krieg bringt Kurt Ganske den Lesezirkel wieder in Schwung und gründet 1948 den Jahreszeiten-Verlag, um mit eigenen Zeitschriften («Merian») genügend Lesestoff anzubieten.

Das Familienerbe: Thomas Ganske, der das Unternehmen seit dem Tod von Vater Kurt 1979 leitet, baut das Hamburger Unternehmen weiter aus, gründet mit dem Magazin «Tempo» und der Wochenzeitung «Die Woche» publizistisch anerkannte Blätter - die allerdings wieder eingestellt werden. «Wir haben jetzt einen an die wirtschaftlichen Realitäten angepassten Verlag», sagte der Verleger vor zwei Jahren. «Rechnen können sie alle, Richard, Kurt und Thomas Ganske. Ein Familienerbe», schreibt Autor Emanuel Eckardt in seiner Biografie über Kurt Ganske. Sohn Thomas, der am 30. Juni seinen 60. Geburtstag feiert, führt heute eine Gruppe aus 17 Firmen mit stabil rund 270 Millionen Euro Umsatz und 1500 Mitarbeitern. Auch ein Hotel im hessischen Herleshausen, früher ein Rittergut, gehört wegen der Liebe Kurt Ganskes zur Natur der Familie.

«Wir machen Inhalte, sind ein Kommunikations- und Medienunternehmen», erläutert Thomas Ganske. «Da wir keine Druckereien oder Presswerke für CDs haben, können wir uns unbefangen im Markt bewegen und für unsere Produkte die besten Vermarktungsformen auswählen.» Schließlich könne so eine heterogene Verlagsgruppe einen einzigen Druckbetrieb nicht vernünftig auslasten.

Die Zukunft: Der Verleger macht sich Gedanken darüber, wie er die digitale Welt mitgestalten kann. Das Internet habe noch nicht zu seiner endgültigen Form gefunden. «Web 2.0 ist noch längst nicht die letzte Web-Nummer, mit der wir uns auseinander setzen müssen», meint Ganske. Einen entscheidenden Schritt ist die zur Gruppe gehörende iPublish GmbH vorangekommen, die Reisetipps über Auto- Navigationssysteme verbreitet. Bei der diesjährigen CeBIT in Hannover wurde der «Merian scout Navigator» mit einem Innovationspreis ausgezeichnet. Doch auch das ursprüngliche Geschäft macht weiter Freude: Im Januar verzeichnete der «Leserkreis Daheim» den höchsten Monatsumsatz in seiner 100-jährigen Geschichte.