Print
DAPD

Chefredakteur Peter Stefan Herbst: "Wir brauchen ein starkes Urheberrecht für Autoren"

Regionalität Erfolgsfaktor für "Saarbrücker Zeitung". Der Chefredakteur glaubt an den Erfolg von Tageszeitungen auch in der Zukunft.

Saarbrücken - Seit mehr als 250 Jahren gibt es nun schon die "Saarbrücker Zeitung". Doch ausgerechnet jetzt hat der bisherige Verleger Stefan von Holtzbrinck sich entschlossen, das Blatt zu verkaufen. Im Interview spricht Chefredakteur Peter Stefan Herbst über die Zukunft der Zeitungsbranche generell und der "Saarbrücker Zeitung" im Besonderen.

Herr Herbst, wie sehen Sie die Zukunft der Zeitungen? Haben sie noch eine Zukunft?

Peter Stefan Herbst: Ich sehe die Zukunft der Zeitungen und ihrer Verlage sehr optimistisch. Nie waren ihre Reichweiten so groß wie heute. So erreicht die "Saarbrücker Zeitung" mit ihren Inhalten - gedruckt und digital - heute täglich mehr Menschen als zu jedem anderen Zeitpunkt seit ihrer Gründung 1761. An der besseren Refinanzierung im Internet und auf mobilen Endgeräten werden wir allerdings noch intensiver arbeiten müssen, damit auch in Zukunft Qualitätsjournalismus finanziert werden kann. Aber neben den digitalen Angeboten hat auch die gedruckte Zeitung Zukunft. Sie bietet einen völlig einzigartiges Leseerlebnis, das auch von vielen Intensivnutzern des Internets geschätzt wird. Dies ignorieren die Experten, die das schnelle Ende der Zeitung herbeireden oder herbeischreiben.

Ihr bisheriger Verleger Stefan von Holtzbrinck scheint da skeptischer zu sein. Gerade erst hat er sich von der "Saarbrücker Zeitung" und deren Schwesterblättern getrennt….

Peter Stefan Herbst: Mir steht es nicht zu, Entscheidungen von Gesellschaftern zu kommentieren. Stefan von Holtzbrinck selbst hat als Grund für die Veräußerung eine 'grundsätzliche strategische Neuausrichtung' der Verlagsgruppe von Holtzbrinck genannt. Bekannt ist auch, dass die Saarbrücker Zeitungsgruppe 2011, im Jahr ihres 250-jährigen Bestehens, Rekordergebnisse bei Umsatz und Gewinn vermelden konnte. Rund 2.700 Mitarbeiter haben einen Umsatz von 330 Millionen Euro bei einer zweistelligen Umsatzrendite erwirtschaftet.

Ihre Zeitung gehört künftig mit über dreiviertel Mehrheit der "Gesellschaft für staatsbürgerliche Bildung Saar" (GSB), wohinter sich wiederum Stiftungen verbergen, die den Parteien CDU, SPD und FDP nahe stehen. Sehen Sie da nicht die Unabhängigkeit der Redaktion gefährdet?

Peter Stefan Herbst: Nein. Die Unabhängigkeit ist einem verbindlichen Redaktionsstatut garantiert. In den mehr als sieben Jahren, die ich Chefredakteur der "Saarbrücker Zeitung" bin, hat es keinen einzigen Versuch der Einflussnahme auf die Redaktion oder mich durch die Stiftungen gegeben. Im Übrigen haben deren Vertreter in einer Stellungnahme öffentlich erklärt, dass es nicht die Aufgabe der GSB sein kann, langfristig die unternehmerische und verlegerische Führung der Saarbrücker Zeitungsgruppe zu behalten. Es soll ein neuer Gesellschafter gesucht werden, der die Rolle von Holtzbrinck übernimmt. Dass die GSB hierbei reine Finanzinvestoren ausgeschlossen hat, empfinde ich als sehr verantwortungsvoll und beruhigend.

Noch verdient ihr Haus gut. Aber wie sehen ihre Vorstellungen für die digitale Zukunft aus? Um Einnahmen zu generieren gibt es zwei Möglichkeiten, einerseits Anzeigenerlöse, auch im Internet, und andererseits Paywall-Modelle. Wohin tendieren Sie?

Peter Stefan Herbst: Genau wie bei der gedruckten Zeitung wird man beide Säulen benötigen. Wenn die Branche ein Problem hat, dann dass Verlage es mit dem Beginn des Internetzeitalters versäumt haben, für hochwertige Inhalte eine Bezahlkultur zu entwickeln. Dass Inhalte im Internet immer frei sind und nichts kosten, wird dauerhaft nicht funktionieren. Wir setzen auf eine Strategie der crossmedialen Vermarktung von Werbung - Print und Digital. Und wir setzen selbstverständlich auch darauf, dass im Internet, aber vor allen Dingen auf mobilen Endgeräten, die journalistische Leistung, die erbracht wurde, refinanziert wird. Intelligenten Bezahlschranken gehört die Zukunft. Unser softes Paywall-Modell findet bei Intensivnutzern eine große Akzeptanz und schreckt gelegentliche Nutzer nicht ab.

Wie sehen Sie die Chancen, dass sie abwandernde Leser oder vielleicht sogar Leser, die noch nie eine Zeitung gehabt haben, mit Ihren Online- und Mobilangeboten auffangen können?

Peter Stefan Herbst: Die Chancen sind groß. Hohe Qualität, Aktualität und intensiver Dialog mit den Nutzern gehören aber zu den Voraussetzungen für einen Erfolg.

Nun gibt es ja auch immer die Überlegung: Zeitung ist womöglich zu günstig. Kann man die wegbrechenden Anzeigenerlöse durch einen höheren Verkaufspreis der Zeitung kompensieren? Wie sind Ihre Gedankenspiele in dieser Richtung?

Peter Stefan Herbst: Journalistische Leistung hat einen Wert. Etwas Wertvolles sollte man weder verschenken noch verramschen. Wir müssen angemessene Preise für unsere Leistungen auf dem Markt durchsetzen. In einer Zeit, in der die Werbeerlöse höher waren als heute, wurde dies nicht immer getan, weil keine wirtschaftliche Notwendigkeit bestand. Dies geht schon seit einigen Jahren nicht mehr. Ich bin sicher, dass Zeitungen auch in Zukunft auf Preiserhöhungen nicht verzichten können. Deren Akzeptanz ist größer, wenn besondere journalistische Leistungen und ein herausragender Service geboten werden. Dabei werden die Herausforderungen für Journalisten größer und ihre Arbeit immer anspruchsvoller. Also brauchen wir in Zukunft noch qualifiziertere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als heute. Die wird man nur bekommen, wenn man sie auch anständig bezahlt. Zu hoher Qualität, regionaler Verankerung und tiefer Durchdringung des Verbreitungsgebietes gibt es keine Alternativen, denn diese Mischung ist das Kapital der Regionalzeitungen.

Gibt es zum Thema Abopreis in Ihrem Haus schon Überlegungen, in absehbarer Zeit eine Anpassung vorzunehmen?

Peter Stefan Herbst: Wir haben das in den vergangenen Jahren getan und wir werden das auch in Zukunft tun. Man muss den Abopreis der Zeitung ebenso wie den Einzelverkaufspreis der gebotenen Leistung und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen. Wichtig ist dabei, den Leserinnen und Lesern zu vermitteln, dass die Zeitung auch einen höheren Preis wert ist. Die Leser-Blatt-Bindung und die Zufriedenheit mit dem Produkt sind dabei besonders wichtig.

Nun sind Sie im Saarland in einer Monopolstellung, zumindest was Abozeitungen betrifft. Macht es das für Sie einfacher, über Preiserhöhung nachzudenken?

Peter Stefan Herbst: Nein, ich glaube, dass in Deutschland keine einzige Zeitung in einer Monopolsituation ist. Das ist eine theoretisch geführte Diskussion. Die Leserinnen und Leser, die Nutzerinnen und Nutzer, aber auch die Zuschauerinnen und Zuschauer differenzieren nicht zwischen Mediengattungen. Es gibt Nachfrage für aktuelle Nachrichten, gute Reportagen, ausgezeichnete Kommentare oder kluge Einordnung. Und dies kann jedes Medium leisten. Die Herausforderung für die regionalen Verlage ist, es in ihrem Verbreitungsgebiet besser zu tun als andere.

Wenn wir mal auf die zum Teil sehr polemisch geführte aktuelle Debatte zu Urheberrechten und Leistungsschutzrechten blicken: Wie ist da Ihre Position?

Peter Stefan Herbst: Wir brauchen ein starkes Urheberrecht für Autoren und ein starkes eigenes Leistungsschutzrecht für Verlage - wie es bisher schon die meisten anderen Medienbereiche haben. Schaffen doch Verlage Voraussetzungen, ohne die viele herausragende journalistische Leistungen nicht erbracht werden könnten. Niemand geht mit gutem Gewissen in eine Bäckerei und nimmt seine Brötchen mit, ohne sie zu bezahlen. Wir brauchen ein neues Bewusstsein für den Wert geistigen Eigentums. Dessen Diebstahl darf nicht länger von Gesellschaft und Politik toleriert werden.

Google und Facebook leben davon, von anderen produzierte Inhalte zu verbreiten und damit viel Geld zu machen. Wie ist Ihr Verhältnis zu diesen Großkonzernen?

Peter Stefan Herbst: Google und Facebook sind für Zeitungsverlage sehr wichtig. Über Facebook lässt sich mit Lesern kommunizieren, über Facebook kann man auf eigene Inhalte aufmerksam machen. Über Google generieren wir einen Großteil derjenigen, die unsere Internetseiten konsumieren. Doch was wären Facebook und Google ohne die Inhalte von Journalisten und Verlagen? Hier gilt: Auch diese Brötchen müssen angemessen bezahlt werden.

Der wirtschaftliche Druck bei den Zeitungen nimmt spürbar zu. Die Renditen sind auch nicht mehr das, was Verleger früher gewöhnt waren. Was können Zeitungen tun, um hier entgegenzuwirken?

Peter Stefan Herbst: Ich persönlich bin ein großer Befürworter von Synergien zwischen Verlagshäusern, die nicht zwangsläufig eine wirtschaftliche Verflechtung nach sich ziehen müssen. So betreibt die "Saarbrücker Zeitung" ein Berliner Büro, das auch für 14 andere regionale Tageszeitungen arbeitet und mit der Mehrheit davon haben wir keine gesellschaftsrechtliche Verbindung. Wir setzen auf Synergien mit anderen Zeitungsverlagen, aber auch mit Radiosendern oder öffentlich-rechtlichem Fernsehen. Bundesweit streiten sich der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und die öffentlich-rechtlichen Anstalten seit Jahren. Im Saarland hingegen gibt es eine gute Zusammenarbeit zwischen "Saarbrücker Zeitung" und Saarländischem Rundfunk zum Nutzen beider Medien, ohne dass der journalistische Wettbewerb leidet.

Im Branchenvergleich steht eins zumindest fest, Ihre Auflage ist relativ stabil, Sie verlieren weniger Auflage als der Bundesschnitt. Wie schaffen Sie das?

Peter Stefan Herbst: Wir sind mit unserer Auflagenentwicklung zufrieden. Die "Saarbrücker Zeitung" hatte noch vor einigen Jahren eine im bundesweiten Vergleich unterdurchschnittliche Auflagenentwicklung. Heute gehören wir zu den Titeln mit den niedrigsten Verlusten. Darauf sind wir sehr stolz. Dahinter steckt viel harte Arbeit von Vertrieb und Redaktion. Ich bin mir aber auch sicher, dass uns Kooperationen mit anderen Medien geholfen haben, trotz rückläufigem Personalstand heute mehr anbieten zu können als früher.

Rückläufiger Personalstand - können Sie da Zahlen nennen?

Peter Stefan Herbst: Auch die "Saarbrücker Zeitung" hat in den vergangenen Jahren Personal abgebaut - allerdings nur wenige Stellen in der Redaktion. In Zukunft werden wir noch produktiver werden müssen. Hier können neue Technologien helfen und Freiräume für besondere Inhalte und investigative Beiträge schaffen, deren Bedeutung für den Erfolg noch zunehmen wird. Am Ende des Tages werden sich diejenigen durchsetzen, denen es gelingt, Qualitätsjournalismus möglichst wirtschaftlich anzubieten.

Mit Peter Stefan Herbst, Chefredakteur der "Saarbrücker Zeitung", sprach Ulrich Meyer.