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Serie Deutschsprachige Medien im Ausland (Teil 3): Auf den Spuren des "rasenden Reporters": Deutschsprachiges in Prag

Wer als Tourist oder Geschäftsreisender mehr über Tschechien erfahren will, findet reichlich Lese- und Hörstoff. Die Macher von "Prager Zeitung", "Radio Prag" und "Landesecho" sind mit viel Herzblut dabei.

Prag (dpa) - Weit mehr als anderthalb Millionen deutschsprachige Touristen besuchen jedes Jahr Tschechien. Viele von ihnen greifen zur "Prager Zeitung", um mehr über Kulturveranstaltungen und das Leben im Land zu erfahren. Die Redaktionsräume liegen etwas versteckt in einem ruhigen Prager Wohnviertel, in dem sich sozialistische Plattenbauten und Altbauhäuser abwechseln.

Chefredakteur Marcus Hundt erinnert sich noch gut an seinen ersten Tag bei der "PZ" im Mai 2006. Der damalige Praktikant wurde gleich ins kalte Wasser geworfen. Einen Tag bekam Hundt Zeit, um sich zehn Fragen für den slowakischen Außenminister auszudenken, der zu Besuch kommen sollte. "Ich habe mir die ganze Nacht um die Ohren geschlagen - und dann hatte ich diese zehn Fragen", sagt Hundt.

Schon Franz Kafka wusste: "Prag lässt nicht los." Und so ist Hundt, der aus Eisleben stammt und in Karlsruhe Journalismus studiert hat, in der tschechischen Hauptstadt geblieben. Wenn er eine Pause vom Redaktionsstress braucht, dann fährt er an die Moldau und blickt auf den Hradschin, die Burganlage über der Stadt. "Dann geht es mir wieder gut, dann weiß ich, hier bin ich richtig", sagt er.

Was war sein interessantestes Erlebnis? Für die "PZ" hat Hundt schon mit Regierungschefs, Spitzensportlern und allerlei Prominenten gesprochen. "Karel Gott hat mich einmal versetzt", erinnert er sich. Doch dann habe ihn der Manager des Schlagersängers im Café Slavia angerufen und gesagt: "Herr Gott hat jetzt ihre Handynummer." Das Interview kam dann doch noch zustande.

Fünf feste Mitarbeiter produzieren wöchentlich 16 Seiten. Die Themen reichen von der aktuellen Flüchtlingspolitik über die Pfadfindertradition in Tschechien bis hin zum Fußball. Im nächsten Jahr feiert das Blatt sein 25-jähriges Bestehen. Gründervater war der Historiker Uwe Müller. Sein Ziel war es, die verlorene Tradition liberal-demokratischer deutschsprachiger Zeitungen in Prag wiederzubeleben. Vorbild war das "Prager Tagblatt", für das einst niemand anderes als der berühmte "rasende Reporter" Egon Erwin Kisch (1885-1948) geschrieben hatte.

Müller lebte als Herausgeber für die Zeitung - bis er im Jahr 2010 viel zu früh einem Krebsleiden erlag. Nach dem Tod des Zwickauers habe die Zukunft der Zeitung kurzzeitig auf dem Spiel gestand, sagt Hundt rückblickend. Doch dann fand sich ein neuer Investor. Die meisten Abonnenten stammen heute aus Bayern und Sachsen. Es gibt aber auch einen Leser im weit entfernten Japan. Vielleicht sammelt er Zeitungen, wird in Prag gemutmaßt.

Wenige Kilometer von den Redaktionsräumen der "Prager Zeitung" entfernt sitzt Till Janzer in einem Studio des tschechischen Rundfunks. Die rote On-Air-Lampe leuchtet auf, und er spricht routiniert die Nachrichten ins Mikrofon. Der Freiburger arbeitete selbst lange bei der "Prager Zeitung", zuletzt als Chef vom Dienst. Heute leitet er die Redaktion von "Radio Prag". Das 1936 gegründete Auslandsprogramm sendet nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Spanisch, Russisch, Französisch und Englisch.

Hörer finden die Sendungen heute nicht mehr über die klassische Kurzwelle, sondern als Podcast im Internet. Ein fünfköpfiges deutsch-tschechisch gemischtes Team berichtet aktuell über Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur. Es sei nicht immer eine einfache Aufgabe, deutschen Hörern die tschechische Politik zu erklären, räumt Janzer ein. "Aber in deutschen Medien kommt das meist nicht vor", sagt er.

Ein persönlicher Höhepunkt seiner Arbeit war für Janzer, der seit 1997 in Prag lebt, ein Interview mit Adolf Burger. Als Häftling überlebte der gelernte Buchdrucker Auschwitz und musste dann im KZ Sachsenhausen in einer Fälscherwerkstatt der SS arbeiten. In ständiger Todesangst waren er und seine Mithäftlinge gezwungen, für das Nazi-Regime Reisepässe, Dokumente und Millionen von Banknoten zu fälschen. "Und er erzählte mir hier in Prag anderthalb Stunden lang seine Lebensgeschichte", sagt Janzer.

Noch eher als Geheimtipp unter Tschechien-Interessierten gilt derweil ein drittes deutschsprachiges Medium in Prag, das "Landesecho". Die Zeitung der deutschsprachigen Minderheit in Böhmen, Mähren und Schlesien erscheint bereits seit 1994. Vor gut einem halben Jahr unterzog Chefredakteurin Alexandra Mostyn das monatliche Magazin einem Redesign. Seither findet es auch außerhalb der eigentlichen Zielgruppe vermehrt neue Leser.