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Nach Sieg vor Verwaltungsgericht: Nikolaus Harbusch wirft Bundestag "Strategie" vor

Weil der Bundestag "schlechte Presse" von den Abgeordneten fernhalten möchte, werde wissentlich das Informationsfreiheitsgesetz ignoriert. Als einzige Hilfe bleibe Journalisten da nur der Gang zum Verwaltungsgericht, so Nikolaus Harbusch.

Berlin -  Da er partout keine Antworten auf seine Fragen erhielt, die Bundestagsverwaltung eine Auskunft rundweg ablehnte, zog Nikolaus Harbusch, Reporter für Investigative Recherche bei der "Bild"-Zeitung und Henri-Nannen-Preisträger, vor das Verwaltungsgericht. Und gewann.

Um was es geht

12.000 Euro stehen Bundestagsabgeordneten neben ihren Diäten pro Kalenderjahr pauschal zu. In dieser Größenordnung können sie Büro- und Fahrkosten sowie weitere Aufwendungen, die sich aus ihrem Mandat in Berlin ergeben, mit der Bundestagsverwaltung abrechnen.

 

Nikolaus Harbusch, Investigativ-Reporter bei der "Bild"-Zeitung.

 

Nikolaus Harbusch gilt als knallharter Rechercheur, einer der besten in der Republik. Für die Recherche und Berichterstattung in der Kredit-Affäre um den Bundespräsidenten Christian Wulff wurde Harbusch gemeinsam mit Martin Heidemanns im vergangenen Jahr mit dem "Henri Nannen Preis" für die beste investigative Recherche ausgezeichnet.

Der erfahrene Journalist wollte nun wissen, welche Parlamentarier mit diesem Geld in diesem Jahr mehr als fünf Tablets beziehungsweise ein Smartphone erworben haben. Die Bundestagsverwaltung lehnte eine Auskunft ab. Ihr Argument: Das freie Mandat jedes Abgeordneten schließe eine Kontrolle der geltend gemachten Kosten aus.

Das sieht das Verwaltungsgericht Berlin anders, die 27. Kammer erließ am Donnerstag auf Antrag von Nikolaus Harbusch eine entsprechende einstweilige Anordnung (Az.: VG 27 L 185.13). Für Harbusch steht fest: "Wenn niemand sonst den Materialverbrauch der Abgeordneten kontrolliert, ist dies Aufgabe von uns Journalisten", so der Investigativ-Journalist zu Newsroom.de, der Aussagen des Gerichts für "richtungsweisend" hält.

Newsroom.de: Herr Harbusch, Sie haben soeben vor dem Verwaltungsgericht Berlin den Deutschen Bundestag in die Knie gezwungen. Um was ging es dabei genau?

Nikolaus Harbusch: Die Bundestagsverwaltung hält es für ihre Aufgabe, schlechte Presse von Abgeordneten und dem Haus fernzuhalten. Dabei vernachlässigt sie immer wieder die Einhaltung von Presserecht oder Informationsfreiheitsgesetz. Die einzige Hilfe ist hier das Verwaltungsgericht. Konkret ging es bei dieser Klage darum, wie viele Tablet-Computer und Smartphones die Abgeordneten auf Steuerzahlerkosten kauften.


Newsroom.de: Warum ist es denn für die Berichterstattung so wichtig zu wissen, wie viele Smartphones oder Tablets Bundestagsabgeordnete erworben haben?

Nikolaus Harbusch: Auch ein Abgeordneter kann normalerweise nur ein Tablet und ein Smartphone gleichzeitig benutzen. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass die Geräte für die Mitarbeiter angeschafft werden. Aber bei großem Verbrauch von technischen Geräten stellt sich immer die Frage, ob diese Geräte auch tatsächlich bei der Mandatsarbeit eingesetzt werden. Oder ob sie beispielsweise für verdiente Parteifreunde als Geschenk dienen. Man denke nur an den massenhaften Verbrauch der Abgeordneten von Montblanc-Füllern. Hier tauchten manche sogar bei ebay auf.


Newsroom.de: Können Sie verstehen, dass der Bundestag Ihnen erst jetzt auf richterliche Anordnung antworten muss?

Nikolaus Harbusch: Nein. Der Bundestag wusste, dass er vor Gericht verlieren würde. Aber das ist Teil der Strategie, offenbar lassen sich viele Kollegen einfach so abwimmeln.


Newsroom.de: Immer noch zu selten pochen Journalisten auf die Informationsfreiheit oder ziehen wie Sie vors Gericht, um Antworten zu erhalten. Sind Medienmacher in anderen Häusern zu bequem oder erhalten Sie von ihren Verlagen schlichtweg keine juristische Unterstützung, um Informationen einzuklagen?

Nikolaus Harbusch: Es liegt vor allem am Zeitdruck. Klagen ziehen sich manchmal jahrelang hin und Redaktionsschluss ist um 17 Uhr. In meinem Fall erhalte ich große Unterstützung von der Justiziarin Karina Hesse aus der Axel-Springer-Rechtsabteilung und habe mit Rechtsanwalt Dr. Christoph Partsch einen herausragenden Verwaltungsrechtler an meiner Seite.


Newsroom.de: Glauben Sie, dass Urteile wie jetzt am Verwaltungsgericht Berlin für den Journalismus hilfreich sind?

Nikolaus Harbusch: Das Gericht hat zwei wichtige Aussagen getroffen, die für uns Journalisten richtungweisend sind: Wenn der Bundestag relevante Fragen nicht beantworten kann, muss er organisatorische Vorsorge treffen, um diese Fragen zukünftig beantworten zu können. Und: Wenn niemand sonst den Materialverbrauch der Abgeordneten kontrolliert, ist dies Aufgabe von uns Journalisten.

Die Fragen an Nikolaus Harbusch, Reporter für Investigative Recherche bei der "Bild"-Zeitung, stellte Newsroom.de-Chefredakteur Bülend Ürük.