Recht
Newsroom

Opferschutz: Was darf gezeigt werden?

Opferschutz: Was darf gezeigt werden? Gero Himmelsbach (Foto: Romatka)

Wo überwiegt der Schutz von Opfern, Tätern und Angehörigen? Gero Himmelsbach gibt im „medium magazin“ Antworten.

Berlin – Was darf gezeigt werden und wo überwiegt der Schutz von Opfern, Tätern und Angehörigen?Der Presserat verweist auf den im Pressekodex verankerten Opfer- und Täterschutz und appelliert an eine sorgfältige Abwägung des medialen Interesses mit ethischen Grundsätzen. Wie setzt der Bundesgerichtshof (BGH) seine Schwerpunkte? Wann überwiegen die Persönlichkeitsrechte der Opfer und der Täter? Und wann überwiegt das öffentliche Interesse an einer Berichterstattung? Drei Entscheidungen des BGH zeigen: Allein rechtlich lassen sich die Fälle nicht lösen“, schreibt Rechtsanwalt Gero Himmelsbach gibt im aktuellen „medium magazin“.

 

Der Fall „Andreas L.“

Andreas L. war der „Germanwings-Pilot“, der im Jahr 2015 ein Flugzeug mit 150 Personen an Bord absichtlich zum Absturz brachte. Der BGH hatte sich mit dem Persönlichkeitsschutz seiner Eltern zu befassen. Die Beerdigung von L. fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Friedhof war für die Zeit der Beerdigung gesperrt. „Bild“ berichtete über die heimliche Beerdigung und das Grab des Piloten. Dazu beschrieb die Zeitung das Grab und den Grabschmuck. Außerdem zeigte sie Fotos des blumengeschmückten Grabes samt Holzkreuz und Kränzen mit Kranzschleifen. Die Eltern von L. klagten dagegen. Den Text sah der BGH zwar als zulässig an. Das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei stärker als der Eingriff in die Privatsphäre der Eltern. Den Eltern musste bewusst sein, dass im Anschluss an die Bestattung jeder beliebige Besucher des Friedhofs von der Gestalt des Grabes und der Abschiedsbotschaft Kenntnis nehmen konnte. Die Veröffentlichung der Fotos, die das geschmückte Grab zeigten, verbot der BGH jedoch. Sie stünden für die Kläger „für einen Moment intensivster Gefühle“.

 

Der Fall „Nina“

Der Fall „Kannibale von Rotenburg“

 

Was bedeutet diese Urteile für die aktuelle Berichterstattung über die Gräueltaten in den zahlreichen Konfliktzonen? Bedeutsam sind der Zeitpunkt, der Gegenstand und die Intensität der Berichterstattung: Wird aktuell berichtet (eher zulässig als eine Berichterstattung Jahre später)? Ist der Beitrag eher sachlich orientiert und schildert vor allem die Vorgänge, nicht die Personen (eher zulässig)? Oder stellt der Beitrag emotionale und eher private Momente durch Wort und Bild in den Vordergrund (eher unzulässig)?

 

Die Urteile lassen vermuten, dass Mitgefühl eine wesentliche Abwägungskomponente darstellt – auch wenn das in den Urteilen unerwähnt bleibt. Mitgefühl kann aber nicht ausschlaggebend dafür sein, ob ein Bericht zulässig ist oder nicht. Die Frage sollte vielmehr sein: Was kann man der Öffentlichkeit zumuten und was müssen Opfer, Täter und Angehörige aushalten?