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„Das war nicht unser letzter Besuch“: Impfgegner vor Redaktionen der Wiener „Lügenpresse“

„Das war nicht unser letzter Besuch“: Impfgegner vor Redaktionen der Wiener „Lügenpresse“ Vor der „Presse“ in Wien: Impfgegner wollen wieder kommen.

Eine Handvoll Impfgegner und Leugner der Pandemie protestierten am Donnerstag vor den Redaktionen der Zeitungen „Österreich“, „Der Standard“ und „Die Presse“ in Wien. Eine neue, unschöne Erfahrung für Journalisten, die Kritik eigentlich gewöhnt sind.

Wien – Da stehen sie also. Unten auf der Straße. Und prangern nicht nur die Medien als solches an, sondern ganz gezielt einzelne Redaktionen, die sie als „Staatsmedien“, „Lügenpresse“ und „korrupt“ diskreditieren. Mit Buh-Rufen und Gesängen („Corona ist eine Lüge“), unterbrochen von Xavier Naidoos „Dieser Weg“ und Slogans wie „Wir sind keine Laborratten“, „Kinder zu impfen ist ein Verbrechen“, „Wir haben keine Demokratie“, „Die Verfassung wird ausgehebelt“, „Journalisten sollen sich nicht verkaufen lassen“, „Wir wollen eine freie Presse für Österreich“, „Gebt eure Presseförderung zurück“, „Wir wollen Neuwahlen“, „Runter mit den Masken“, „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Freiheit raubt“ und „Die Regierung muss Weg, das System muss weg“. Mit Transparenten, auf denen „Freie Presse statt Söldner“ und „Lügenpresse“ zu lesen ist. Begleitet von einem beachtlichen Polizeiaufgebot, das ebenfalls angeschrien und beleidigt wird.

 

 

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Eine Demonstration, auf die die Journalistinnen und Journalisten der betroffenen Zeitungen im Vorfeld vorbereitet wurden. Mit Aufforderungen seitens der Sicherheitsbehörden, an diesem Tag niemanden unbefugt ins Haus zu lassen, verdächtige Personen in der Nähe des Gebäudes unverzüglich zu melden und während der Demonstration selbst nach Möglichkeit nicht mehr im Haus zu sein. Daran halten sich auch alle, die nicht unbedingt in der Redaktion sein müssen. Wer notgedrungen doch auf seinem Platz sitzt, macht eine neue Erfahrung – in Form einer Ablehnung, die nicht mehr abstrakt bzw. virtuell ist, sondern ganz nah, laut und durchaus konkret.

 

Ungebetene Gäste vor der Haustür

Über soziale Medien, per E-Mail und am Telefon verunglimpft, beschimpft und bedroht zu werden, ist für Journalisten nichts Ungewöhnliches, das gab es schon der Pandemie. Was es aber nicht gab, ist eine Gruppe von Leuten vor der Haustür zu haben, die einem vorwerfen, die Berichterstattung über die Coronakrise (und andere Themen) bewusst zu manipulieren, keine Skrupel zu kennen und die Bevölkerung zu täuschen.

 

Am Donnerstag sind die Redaktionen der Tageszeitungen „Österreich“, wo der Marsch um 12 Uhr beginnt, „Der Standard“ (14 Uhr) und „Die Presse“ (16 Uhr) an der Reihe. In den Tagen zuvor fanden schon Demonstrationen vor dem ORF-Zentrum am Küniglberg und der „Kronen Zeitung“ statt, mit jeweils einigen Dutzend Teilnehmern und ohne Zwischenfälle. Angemeldet hat sie laut „Standard“ der „Diskussions- und Freizeitverein für Bürgerinteressen Österreich“ (DFBÖ), ein im 23. Bezirk in Wien ansässiger Verein, der am 6. Juli 2021 gegründet wurde. Als Demonstrationszweck wurde demnach die Wortfolge „Freiluftgalerie – Corona – Schutzmaßnahmen“ angegeben. Als Planer im Hintergrund wird der ehemalige BZÖ-Politiker und nunmehrige Aktivist Martin Rutter vermutet.

 

Spürbarer Hass

Nennenswerte Zwischenfälle oder Ausschreitungen gibt es auch am Donnerstag nicht, vor keiner der drei Redaktionen. Lautstark und mit derben Aussagen teilen die 15 bis 20 Demonstranten den Journalisten der jeweiligen Medien von der Straße aus mit, dass sie sie für ihre Feinde halten, die es zu bekämpfen gilt. Unangenehm ist dabei weniger das konkrete Bedrohungspotenzial, das von diesen selbsternannten Querdenkern und Staatverweigerern ausgeht, die alle möglichen Verschwörungstheorien miteinander kombinieren, sondern das spürbare Gefühl des Hasses gegenüber Journalisten. Und der Wunsch, ihre Glaubwürdigkeit und Reputation nachhaltig zu zerstören. Wie schon jene von Ärzten, Pflegekräften und Wissenschaftlern. Und natürlich von Politikern.

 

Noch nie in der Zweiten Republik sei ein derart flächendeckender Angriff auf die freie Berichterstattung erfolgt wie jetzt, sagt Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclubs Concordia, im „Standard“. Ein Angriff, der mittlerweile bewaffnetes Sicherheitspersonal vor den Redaktionen notwendig gemacht hat. Und der das Ziel hat, Journalisten unter Druck zu setzen, einzuschüchtern und von ihrer Arbeit abzuhalten. Viele von ihnen meiden Auftritte im Fernsehen, um in der Öffentlichkeit nicht erkannt zu werden, und ziehen sich aus sozialen Medien zurück. Unter einigen herrscht angesichts einer möglichen Eskalation Ratlosigkeit und Frust. Dem Großteil gelingt es aber immer noch, diese Stimmen auszublenden und sich weiterhin auf die Arbeit zu konzentrieren. So, wie sie das seit Jahrzehnten machen. Und weiterhin machen werden.

 

„Das war nicht unser letzter Besuch“, sagt einer der Männer am Ende der gut einstündigen Demonstration vor der „Presse“. Ja, auf solche Besuche sollten sich die Medien dieses Landes auf absehbare Zeit gefasst machen. Wenn auch nicht alle. Vor der Redaktion von Servus TV ist keine Protestaktion angekündigt.  

 

Köksal Baltaci

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