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Alexander Marinos fordert Paradigmenwechsel zum „Nachrichtenjagdinstinkt“

Alexander Marinos fordert Paradigmenwechsel zum „Nachrichtenjagdinstinkt“ Alexander Marinos (Foto: Kerstin Kokoska, Funke Foto Services)

Warum Aktualität im Journalismus schaden kann und der Begriff „Stehsatz“ ein Revival erfährt, erklärt der stellvertretende Chefredakteur der WAZ in Essen.

Essen – Der rasante Wandel im Journalismus erfordert eine Neubewertung etablierter Prinzipien. Statt sich ausschließlich auf den „Nachrichtenjagdinstinkt“ zu konzentrieren, setzen moderne Redaktionen vermehrt auf die Bedürfnisse ihrer Leserschaft. Ein Paradigmenwechsel, der den Journalismus nachhaltig prägt, schreibt Alexander Marinos, stellvertretender Chefredakteur der WAZ, im „medium magazin“


Im digitalen Zeitalter ist die Informationsflut allgegenwärtig, und traditionelle Nachrichtenkonzepte geraten ins Schwanken. Die ständige Suche nach Eilmeldungen ist zwar wichtig, reicht jedoch allein nicht mehr aus. Die Leser erwarten mehr – sie wollen nicht nur informiert, sondern auch verstanden werden.

 

Die klassische Definition von Nachrichten, die Aktualität und Relevanz erfordert, wird durch eine tiefere Dimension erweitert. Die Leser möchten nicht nur wissen, dass etwas passiert ist, sondern auch verstehen, warum es passiert ist, wie es ihr Leben beeinflusst und welche Handlungsmöglichkeiten sich daraus ergeben.

 

Ein Beispiel für diesen Wandel ist die Berichterstattung zur Clan-Kriminalität im Ruhrgebiet. Die kontinuierliche Vertiefung eines Themas, das für die lokale Bevölkerung von hoher Relevanz ist, zeigt, dass Nachrichten nicht nur aufgrund von „News“ an Bedeutung gewinnen. Es geht um Verstehen, Fühlen und konkrete Handlungsimpulse.

 

Die moderne Devise „User first“ prägt die Strategien von Redaktionen. Eine genaue Zielgruppenanalyse bildet die Grundlage für eine langfristige Themenauswahl. Die Redaktionsarbeit orientiert sich nicht mehr nur an Tagesereignissen, sondern vielmehr an den Fragen und Bedürfnissen der Leserschaft vor Ort.

 

Der Begriff „Stehsatz“ erfährt ein Revival. Eine frühzeitige Planung und Produktion von Inhalten, die nicht zwingend tagesaktuell sein müssen, ermöglicht eine nachhaltigere Ressourcennutzung. Diese Vorgehensweise trägt nicht nur zur Entlastung der Redakteure bei, sondern sichert auch die Qualität der Produkte.

 

Der Abschied vom reinen Streben nach Tagesaktualität ist nicht nur betriebswirtschaftlich sinnvoll, sondern ermöglicht auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Themen. Die Leserschaft erfährt nicht nur, was passiert, sondern erhält Hintergrundinformationen, Analysen und Handlungsempfehlungen.

 

In einer Welt, die von kurzen Aufmerksamkeitsspannen geprägt ist, gewinnt die Emotionalisierung von Nachrichten an Bedeutung. Statt einer reinen Faktenpräsentation wird der Journalismus zum Begleiter im Alltag der Leserinnen und Leser, der nicht nur informiert, sondern auch unterhält und aktiviert.

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