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Bohrende Fragen oder Plauderstunde? - Bundespressekonferenz wird 65

Die Bundespressekonferenz gehört zu den Polit-Institutionen der Bundesrepublik. Zum Jubiläum ist Zeit für eine kritische Bilanz. Von Jörg Blank.

Berlin (dpa) - Fast jeder kennt die blaue Wand mit dem markanten Schriftzug aus den Fernsehnachrichten. "Bundespressekonferenz" ist im Hintergrund zu lesen, wenn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingerahmt von SPD-Chef Sigmar Gabriel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer den schwarz-roten Koalitionsvertrag präsentiert. Oder wenn Regierungssprecher Steffen Seibert und seine Kollegen aus den Bundesministerien dreimal wöchentlich die Weltlage kommentieren und versuchen, Politik zu erklären. An diesem Dienstag feiert die BPK ihr 65-jähriges Bestehen.

Zu Bonner Zeiten galt sie als Institution der Bundespolitik. Heute, in Zeiten von Twitter und Facebook, gehört die BPK zwar immer noch zum politischen Ritual. Doch Sternstunden gibt es nur selten.

Rückblick: Am 11. Oktober 1949 gründeten 27 Korrespondenten in Bonn den Verein Bundespressekonferenz. Sie kritisierten eine "presseunfreundliche Haltung der Bundesregierung" und deren "nichtssagende Communiqués". Jeder, der mit hauptberuflichem Parlamentsjournalismus sein Geld verdiente, sollte Mitglied werden können. Das war eine Reaktion auf die erst kurz zurückliegende Nazi-Zeit - nie wieder sollte die Presse staatlich gelenkt werden.

Als erste traten der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer und Wirtschaftsminister Ludwig Erhart auf - vor der dunklen Mahagoni-Wand, die vielen Fernsehzuschauern bis zum Umzug nach Berlin 1999 ein Sinnbild der alten Bundesrepublik war.

Wenn die BPK jetzt Jubiläum feiert, müssen sich ihre Mitglieder eingestehen, dass von einem Kreuzfeuer von Reporterfragen, bei dem Politiker oder Sprecher schwitzen, oft nicht die Rede sein kann.

Sätze, die in die Polit-Geschichte eingehen, wie die der SPD-Granden Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine im Wahlkampf 1998, zwischen sie passe "kein Blatt Papier", fallen nicht häufig auf dem gut ausgeleuchteten BPK-Podium. Oft macht sich nüchterne Routine breit, manchmal gleicht die Frage-Antwort-Runde einem Plauderstündchen.

Das liegt oft genug an den Journalisten: viele kommen erst gar nicht zu den Pressekonferenzen mit Seibert und Co. Manchen ist der Weg zu weit, die Fragen-Antwort-Runden werden per besonderem Fernsehkanal sowieso in die Redaktionen übertragen. Zu den Mitgliedern, die Stammgäste im Haus am Schiffbauerdamm in Berlin-Mitte sind, gehören vor allem die großen Zeitungs-, Radio- und Fernsehredaktionen und Nachrichtenagenturen wie die Deutsche Presse-Agentur dpa.

"Die Bequemlichkeitsschwelle ist einfach höher als in Bonn", klagt der langjährige BPK-Vorsitzende Werner Gößling, ein früherer ZDF-Journalist. Andere Korrespondenten haben einfach Angst, sich eine exklusive Story mit offenen Fragen vor den Kollegen kaputt zu machen.

Doch auch einige Sprecher "waren eine Katastrophe", erinnert sich Gößling. Auch heute scheint es manchmal so, dass sich mancher eher als Informationsbremse versteht, wenn langatmig vorformulierte Erklärungen verlesen werden. "Seitdem die Sprecher in ihren Ministerien per Fernsehübertragung kontrolliert werden, sind sie viel vorsichtiger geworden", sagt Gößling.

Dabei ist die BPK bis heute international einmalig. Der Vorstand der aktuell 914 Mitglieder, die laut Satzung hauptberuflich aus Berlin oder Bonn über die Bundespolitik berichten müssen, lädt Politiker, Arbeitgeber, Gewerkschaften, Verbände oder Wirtschaftsinstitute zur Pressekonferenz ein, nicht umgekehrt. Die Journalisten führen Regie, die Gäste müssen sich auch unliebsamen Fragen stellen.

Die BPK-Spitze mit dem Vorsitzenden Gregor Mayntz von der "Rheinischen Post" arbeitet deswegen daran, die Pressekonferenzen moderner und spannender zu machen. So sind seit längerem auch Blogger zugelassen. Immer wieder wird live aus Pressekonferenzen gebloggt, Online-Journalisten geben Fragen ihrer Follower direkt weiter. Das seien "faszinierende Chancen" für die Zukunft der BPK, meint Mayntz.

Dass die BPK trotz ihres Rentenalters in der Bundespolitik immer noch eine wichtige Rolle spielt, glaubt auch Regierungssprecher Seibert. "Für mich ist die Bundespressekonferenz ein gutes Stück Demokratie und Pressefreiheit", sagt er. Auch in der Geburtstagsrede von Bundespräsident Joachim Gauck am Dienstag dürfte dieser Aspekt eine zentrale Rolle spielen.

Jörg Blank

Newsroom.de-Hinweis: Der Autor ist Mitglied der Bundespressekonferenz.