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Chefredakteur „Jüdische Allgemeine“: Hassnachrichten an der Tagesordnung

Chefredakteur „Jüdische Allgemeine“: Hassnachrichten an der Tagesordnung Philipp Peyman Engel (Foto: Marco Limberg)

„Wir wissen, wo du wohnst. Wir kommen und hacken dir die Hände ab, Völkermörder!“ – derartige Hasspostings bekommt Philipp Peyman Engel regelmäßig. Er zieht Konsequenzen, wozu aber nicht Schweigen gehört.

Osnabrück/Berlin (KNA) – Der Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen, Philipp Peyman Engel, bekommt persönlich regelmäßig Antisemitismus zu spüren. „Hass-Nachrichten sind leider an der Tagesordnung. Drohungen wie ‚Wir wissen, wo du wohnst. Wir kommen und hacken dir die Hände ab, Völkermörder!‘ kommen mittlerweile täglich“, sagte Engel im Interview der Verlagsgruppe Bistumspresse (Donnerstag, online).


Es mache ihm einerseits Angst: „In Bezirken von Berlin mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil bewege ich mich nur noch mit Kappe, weil mein Gesicht in den letzten Jahren bekannter geworden ist. Ich werde auch meine Wohnung in Wedding aufgeben, weil ich mich dort nicht mehr sicher fühle“, sagte Engel, der 2023 vom „medium magazin“ als Chefredakteur des Jahres ausgezeichnet worden war. Andererseits wolle er sich aber auch vom „antisemitischen Mob“ nicht unterkriegen lassen. „Ich werde zum Kämpfer. Ich lasse mir von Extremisten nicht das Wort verbieten.“


Täglich Meldungen von attackierten Juden
Mit Blick auf stark gestiegene Zahlen antisemitisch motivierter Straftaten und Vorfälle betonte Engel, dass die Redaktion der „Jüdischen Allgemeinen“ täglich Meldungen über verprügelte oder attackierte Juden in Deutschland und Europa bekomme. Beim Nachbarn Frankreich sei der muslimische Judenhass dramatisch gestiegen. „Wenn man das weiterspinnt, wird Frankreich irgendwann ‚judenrein‘ sein. Auch in Berlin höre ich immer häufiger von jungen Juden, die überlegen wegzuziehen.“


Der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 jährt sich bald zum zweiten Mal. „Der 7. Oktober hat alles verändert. Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland sowie weltweit ist seitdem in einem Ausnahmezustand. Wir warten auf den Tag, dass es weniger schlimm wird. Aber dieser Tag kommt nicht“, sagte Engel.


Distanz zu Deutschland
Als Chefredakteur sei er bundesweit oft in den jüdischen Gemeinden unterwegs. „Noch nie in meinem Leben habe ich eine so hoffnungslose Stimmung in den Gemeinden erfahren. Die alten Juden sagen: ‚Wir haben in all den Jahren hier nichts bewirken können.‘“ Die Jungen spürten eine immer größere Distanz zu ihrer Heimat Deutschland.


Engel monierte: „Die Einseitigkeit, mit der in Deutschland der jüdische Staat kritisiert wird, und das Ausmaß der Dämonisierung Israels sind erschreckend.“ Es gehe nicht darum, dass man Israel nicht kritisieren dürfe. „Die Kritik an der eigenen Regierung ist in Israel am allerlautesten. Wir sollten in Deutschland zu nichts schweigen, aber die Kritik an Israel hat hier schon obsessive Züge angenommen. Und ich habe nicht den Eindruck, dass die Israelis ausgerechnet von uns Belehrungen erteilt bekommen müssen.“