Vermischtes
KNA

Die BBC kämpft um Vertrauen und muss sich im Parlament erklären

Viele Beteuerungen, wenig Klarheit: In London ringt die BBC nach Rücktritten und internen Zerwürfnissen um Glaubwürdigkeit. Gremien und Berater schieben sich die Verantwortung zu – und sehen sich jetzt auch noch mit Zensur-Vorwürfen konfrontiert.

London (KNA) – Die Anhörungen zur Kontroverse um die BBC im britischen Unterhaus waren kontrovers, dauerten sehr lange und ließen Beobachter mit einem interpretationsbedürftigen Ergebnis zurück: Am Ende will es wieder einmal niemand gewesen sein, und alle beteuern, wie sehr sie zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk stehen und die BBC natürlich nur „besser“ machen wollten.


Doch der Reihe nach: Der Medienausschuss des Parlaments befragte am Montagabend zunächst mit Michael Prescott den Mann, der durch seine persönliche BBC-Mängelliste die Auseinandersetzung um die älteste öffentlich-rechtliche Anstalt der Welt ins Rollen brachte, in deren Verlauf vor knapp drei Wochen bereits BBC-Director General Tim Davie und die Chefin von BBC News, Deborah Turness, zurückgetreten waren. Prescott saß bis zum Sommer drei Jahre lang als externer Berater im Editorial Guidelines and Standards Committee (EGSC), das der BBC in Sachen redaktionelle Standards und Leitlinien auf die Finger gucken sollte.


Neben ihm sagte mit Caroline Daniel eine weitere externe Beraterin dieses Gremiums aus. In einer zweiten Runde waren BBC-Board-Mitglied Sir Robbie Gibb und der Vorsitzende des vierköpfigen Boards, Samir Shah, an der Reihe. Prescotts Liste, die ursprünglich nur für das BBC-Board gedacht war, hatte ihren Weg aber nicht nur zum obersten BBC-Gremium, sondern mit einiger Verzögerung in die Spalten des „Daily Telegraph“ gefunden. Das konservative Blatt hat zur BBC ein ähnlich liebevolles Verhältnis wie hierzulande „FAZ“ und „Welt“ zum hiesigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und schlachtete Prescotts Mängelliste weidlich aus.


Der Kronzeuge rudert zurück
Danach sei die BBC „systematisch voreingenommen“, vor allem mit Blick auf Gaza, Diversity- und Transgender-Themen und Donald Trump. Bei der Befragung durch die Parlamentarier ruderte Prescott dann zurück: Die BBC sei doch nicht „institutionell voreingenommen“, habe aber mehrfach nicht angemessen genug auf die vom EGSC aufgeworfenen Themen und Fragen reagiert. Aus diesem Grund habe er auch seine Mängelliste an das Board weitergeleitet. Ein wesentlicher Punkt sei dabei der Zusammenschnitt der Rede von US-Präsident Donald Trump vom 6. Januar 2021 gewesen, der nicht gekennzeichnet war. Hier hat die BBC mittlerweile Fehler eingeräumt und sich entschuldigt.
Prescott sagte auf ausdrückliche Nachfrage der Abgeordneten, er gehe davon aus, dass der Zusammenschnitt Trump aber „wahrscheinlich nicht diffamiert“ habe. Der US-Präsident hatte vergangene Woche angekündigt, die BBC auf mehrere Milliarden Dollar Schadensersatz verklagen zu wollen.


Caroline Daniel, eine frühere Journalistin und PR-Beraterin, die wie Prescott als externe Beraterin für EGSC arbeitete, sagte dagegen, Prescotts Darstellung sei unvollständig und eher „seine Privatmeinung“. Nach ihrer Ansicht habe die BBC „das Thema Ausgewogenheit extrem ernst genommen“. Dabei habe es im EGSC auch „gesunde und robuste Auseinandersetzung“ gegeben. Der Sender und sein Management hätten sich aber „immer dieser Debatte gestellt und auch gehandelt“. Nach ihrer Meinung gebe es wenig andere Organisationen, „wo ein solches Level von interner Kontrolle üblich ist“, sagte Daniel.
Gibb schließt Rücktritt aus


Robin Gibb, der vom früheren konservativen Premierminister Boris Johnson in das BBC Board berufen wurde, erklärte am Montag nochmals, er sehe keinerlei Veranlassung, von seinem Amt zurückzutreten. Prescotts Vermerk an das Board sei „als Waffe instrumentalisiert worden“ und er selbst ein „Opfer dieser Instrumentalisierung“. Zwar habe er Prescott als Berater für das EGSC vorgeschlagen. Es habe aber, anders als von manchen Medien behauptet, keinen „Coup von Rechts“ gegeben. „Das ist kompletter Unsinn“, sagte Gibb – und sei zudem „eine Beleidigung für alle Board-Mitglieder“. Gibb bezeichnete sich selbst als „höchst unparteiisch“ und verwies darauf, dass er Freunde „auf beiden Seiten des politischen Spektrums“ habe.


Der BBC-Board-Vorsitzende Samir Shah sprang Gibb zur Seite. Gibb sei an „akkuraten Fakten und Ausgewogenheit interessiert“, sagte Shah, der sich selbst vor dem Ausschuss für die nur zögerlichen und als zu spät empfundenen Reaktionen und Einlassungen des Boards in der jüngsten Krise rechtfertigen musste. Er habe sich „erst einmal ein Bild“ machen müssen und die anderen Board-Mitglieder konsultiert, um sicherzustellen, dass das Gremium „mit einer Stimme“ spreche. Shah gab auch an, er habe versucht, BBC-Chef Tim Davie von seinen Rücktrittsabsichten abzubringen.
Gegenüber dem BBC-Nachrichtenmagazin „World Tonight“ sagte die Ausschussvorsitzende Caroline Dinenage von den Konservativen nach der Sitzung, sie sei von Shahs Aussagen „nicht gerade begeistert“ und man müsse sich fragen, ob das BBC-Board in „guten Händen“ sei.


Immerhin ein konkretes Ergebnis hatte die Anhörung: Shah kündigte an, dass die BBC-Spitze künftig personelle Unterstützung bekommt. Bislang ist der Director General der BBC wie die Intendantinnen und Intendanten deutscher Rundfunkanstalten sowohl für die unternehmerische Führung des Senders zuständig und trägt gleichzeitig auch die oberste journalistische Verantwortung. Nun soll die Position eines Stellvertreters geschaffen werden, der für den journalistischen Output verantwortlich ist und dafür sorgen soll, „dass der Job besser zu managen“ ist, so Shah.


Zensur bei der Reith Lecture?
Parallel zur Anhörung am Montag hatte die BBC nach eigenen Angaben auch die Suche nach einem neuen Director General gestartet. Wer auch immer den Posten künftig übernimmt, wird weiterhin mit Donald Trump rechnen müssen. Auch wenn bislang unklar ist, ob der US-Präsident seine Drohung umsetzt und die BBC auf Schadensersatz verklagt, wirft eine mögliche juristische Auseinandersetzung ihre Schatten voraus. Einen Tag nach der Anhörung im Unterhaus teilte der niederländische Historiker, Autor und Aktivist Rutger Bregman mit, dass ihm die BBC in einer Rede eine Aussage über Trump gestrichen habe.


Bregman, der sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzt, hält in diesem Jahr die prestigeträchtigen „Reith Lectures“ der BBC. Mit den „Reith Lectures“ erinnert die BBC an ihren Gründer und ersten Director General, John Reith (1889–1971). Die erste Rede hielt 1948 der Philosoph Bertrand Russell, zu den weiteren Rednern gehörten seitdem Wissenschaftler wie Stephen Hawking oder Künstler wie der Musiker Daniel Barenboim. Bregmans Lectures stehen in diesem Jahr unter dem Oberthema „Moral Revolution“ (Die moralische Revolution). Insgesamt sind vier Vorträge geplant. Der erste unter dem Titel „A Time of Monsters“ (Zeit der Monster) wurde am 25. November von BBC Radio 4 veröffentlicht.


Bregman hatte darin Trump als den „am öffentlichsten korrupten Präsidenten der amerikanischen Geschichte“ bezeichnet. In der ausgestrahlten und im Netz verfügbaren Version fehlt dieser Satz. Die BBC erklärte, sie habe die Textstelle auf Anraten ihrer Juristen gestrichen. Bregman hatte dem Sender daraufhin Zensur vorgeworfen, zumal nach seiner Darstellung die Aufnahme vor Publikum vier Wochen zuvor erfolgt und bereits redaktionell abgenommen worden war.


Nach einem Bericht des „Guardian“ hat die BBC ihren Mitarbeitern mittlerweile auch untersagt, die gestrichene Passage zu zitieren. Im Artikel auf der BBC-News-Website, der über die Kontroverse berichtet, heißt es wörtlich: „Die BBC hat die Entscheidung, einen Satz aus der Rede zu streichen, auf juristisches Anraten hin getroffen. BBC News wird die fragliche Stelle aufgrund des gleichen juristischen Rats nicht wiederholen.“

 

 

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