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Englisch für Medienprofis: Der Missbrauch

Englisch für Medienprofis: Der Missbrauch Peter Littger

Was ist mit dem Schutz vor lächerlichem Englisch – wenn unsere Lieblingsfremdsprache nur scheinbar kreativ und sinnvoll eingesetzt wird?

Salzburg – „Safer Sets“ sagen Kreativ- und Kulturbürokraten in Deutschland, wenn sie Bedingungen an einem Filmset meinen, die den Teilnehmenden Sicherheit vor Diskriminierung, Sexismus oder Missbrauch bieten sollen, schreibt Peter Littger in seiner Sprachkolumne „Was mit Englisch“ in „Österreichs Journalist:in“. Und weiter: 

 

Doch was ist mit dem Schutz vor lächerlichem Englisch – wenn unsere Lieblingsfremdsprache nur scheinbar kreativ und sinnvoll eingesetzt wird?


Das frage ich mich immer wieder, wenn ich solche zweifelhaften Wortentlehnungen höre. Sie grassieren im deutschsprachigen Raum, vor allem auf einer Ebene, die ich „operativ-programmatisch“ nennen möchte – und das nicht zuletzt im Medienbetrieb. Denken Sie nur an brutale Begriffe wie „Deadline“, „Hit“, „Shooting“, „Killer Application“ oder „Blockbuster“. Der übertriebene Bezug der vier ersten Beispiele zum Töten erklärt sich von selbst. Im letzten Fall liegt er in Bomben, die im Zweiten Weltkrieg vollständige Wohnblocks zerstören konnten.


Ungefähr 30 Jahre später wurde „Blockbuster“ von der Filmindustrie als Metapher übernommen – angeblich das erste Mal für Der weiße Hai, der auf Englisch schlicht Jaws hieß. Auch der „Overkill“ von irgendwas fällt in diese Kategorie – eine Übertreibung, die „zu viel des Guten“ sagen soll, aber wörtlich eine Art „Massenexodus“ beschreibt. Wie oft habe ich das schon gehört!


Etwas Ähnliches gilt genau genommen für alle Arten von „Kampagnen“, die vom englischen Wort „Campaign“ abgeleitet sind: ein Feldzug!


Was nun „Safer Sets“ betrifft, ist nicht zu überhören, dass es – dem Klang nach – auf „Safer Sex“ anspielt, also den Schutz vor ansteckenden, möglicherweise tödlichen Krankheiten beim Geschlechtsverkehr. Es wurde in den 1980er-Jahren als internationaler Slogan populär, um die Verbreitung des HI-Virus zu reduzieren.


„Reduzieren“ ist dabei wichtig, weil man nie davon ausgehen kann, dass sich eine Ansteckung hundertprozentig vermeiden lässt. In den Anti-AIDS-Kampagnen war deshalb absichtlich nicht von „Safe Sex“ die Rede – was im Englischen hundertprozentig sichere Bedingungen meint, die also eine Ansteckung ausschließen.


Vor dem Hintergrund dieser Bedeutung überrascht es mich, dass die Kreativ- und Kulturbürokraten nicht wenigstens von „Safe Sets“ sprechen. Wollen sie damit sagen, dass sich Missbrauch, Sexismus und Diskriminierung an einem Filmset nie ganz ausschließen lassen – oder haben sie nicht weiter nachgedacht und bloß einen schicken Anglizismus gesucht?


Es wäre halb so wild, ginge es etwa um die „Schraubenindustrie“, in der die Fertigung und Veredelung von Metall den Geschäftskern bilden. Doch Filme sind – wie auch alle anderen Medien – ein Produkt von Sprache. Es sollte garantiert sein, dass sie nicht missbraucht wird.

 

Der Autor
Peter Littger ist sprachbesessener Autor und Kolumnist, u. a. für die Wirtschaftswoche und ntv.de. Er hat den Nr.-1-Bestseller The Devil Lies in the Detail geschrieben. Im November 2021 erschien sein jüngstes Buch Hello in the Round! Der Trouble mit unserem Englisch – und wie man ihn shootet.

 


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