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Newsroom – Rupert Sommer

Gabor Steingart warnt vor Überdigitalisierung – und setzt auf neue Körperlichkeit im Journalismus

Gabor Steingart warnt vor Überdigitalisierung – und setzt auf neue Körperlichkeit im Journalismus Gabor Steingart (Foto: APA-Fotoservice/Ludwig Schedl)

„Aus sex sells ist fear sells geworden“: Der Kapitän der beiden Media Pioneer-Schiffe, warnt beim European Publishing Congress vor zu viel Digital im Journalismus. User und Follower sind für Steingart dirty words. Was ihm noch mehr stinkt.

Wien – Auch wenn die Weltlage sich von Tag zu Tag zu verdüstern scheint, lässt sich der frühere „Spiegel“-Journalist und ehemalige „Handelsblatt“-Geschäftsführer, der seit 2018 selbst Medienunternehmer ist, sein Selbstbewusstsein nicht eintrüben. „Der Weltuntergang fällt aus“, sagte Gabor Steingart gleich zu Beginn seiner abendlichen Keynote auf dem Wiener Kongress und fügte an – „auch in unserem Mediengewerbe“.

 

Rückenwind gibt ihm, dass die Form von Journalismus, die er auf den Medienschiffen praktiziert und die auf das Geschäftsmodell Mitgliedschaft setzt, nach eigenem Bekunden seit 2023 lukrativ ist. „Wir haben vielleicht die besten Tage noch vor uns, wenn wir ein paar Dinge richtig machen“, so Steingart.

Dazu zählt für ihn vor allem der partizipative Charakter des Pioneer-Journalismus – unter anderem mit Live-Events auf den Schiffen, auf Podcast-Tourneen vor Ort und in zunehmend größeren Hallen. Es sei ein Journalismus „zum Anfassen“, so Steingart, und das mitten in der Stadt. „Der eigentliche Zweck ist es, Teilhabe zu organisieren.“

 

Wer als Verlag an den Stadtrand zieht – aus Kostengründen, wie das unter anderem einst die „Süddeutsche Zeitung“ machte –, riskiere einen großen Fehler. „Zeitung ist mittendrin oder gar nicht“, sagte Steingart. „Wir wollen mit echten Menschen in echten Umgebungen kommunizieren.“

 

Steingart warnt vor Überdigitalisierung im Journalismus
Und dann darf’s fast ein wenig kuschelig werden: „Wir setzen auf Körperlichkeit.“ Steingart meint damit eine Rückkehr zur körperlichen Begegnung mit dem Publikum. Also, nahbares Arbeiten – vor aller Augen. „Wir versuchen, Menschen zu aktivieren – für die Demokratie und den Journalismus.“

Deswegen warnte er vor allzu stark ausgeprägter Technik-Fixierung. „Digitalisierung ist das Mittel zum Zweck, aber nicht Selbstzweck“, so Gabor Steingart. Und auch zur heiteren Ausgeruhtheit rät er. „Der Spaßfaktor beim Journalismus ist in den letzten Jahren abhanden gekommen. Das liegt an der Nachrichtenlage – aber nicht nur.“

 

Was Gabor Steingart hart kritisiert, ist die Trigger-Points-Fixierung der Branche, die auf schnelle Clicks setzt. „Viele Verlage sind dabei falsch abgebogen“, sagte er in Wien.

 

„Viele sind in den Newsrooms zu Angstverkäufern geworden.“

Am Geschäftsmodell bei Media Pioneer soll sich nichts ändern. Stolz berichtete der Selfmade-Unternehmer, dass zuletzt 100 sogenannte „Lifetime“-Memberships, für die Steingart immerhin jeweils 5000 Euro verlangt, angeblich innerhalb von nur 12 Stunden verkauft wurden. „Wir verzichten auf Werbung und fahren gut damit“, so der Gründer. „Leser mögen in Wahrheit Werbung nicht – schon gar nicht bei Podcasts.“

 

 

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Der European Publishing Congress ist ein Branchentreffen für Führungskräfte aus den Bereichen Redaktion, Digital, Design und Management. Zu den Reden