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Gehen Sie als Chefredakteurin mit einem reinen journalistischen Gewissen nach Hause, Frau Steinke?

Gehen Sie als Chefredakteurin mit einem reinen journalistischen Gewissen nach Hause, Frau Steinke? Bettina Steinke

Funkes Reichweitenportale stehen für viele vor allem für schamloses Clickbaiting. Die neue Chefredakteurin Bettina Steinke stellt sich nun erstmals der Kritik, räumt Fehler ein – und kündigt im „medium magazin“-Interview einen spürbaren Strategiewechsel an.

Essen – Der häufigste Vorwurf an derwesten.de ist hemmungsloses Clickbaiting – also die absolute Zuspitzung von Schlagzeilen, um möglichst viele Klicks zu erzielen. Umso mehr, da die Überschriften – ähnlich wie bei der Yellow Press – oft eindeutig die Leser in die Irre führten. Wie geht die neue Chefredakteurin Bettina Steinke mit den Vorwürfen um, was wird sie ändern?, fragt sie Alexander Graf in der aktuellen Ausgabe des „medium magazins“.

 

Die sogenannten Reichweitenportale von Funke werden immer wieder scharf kritisiert. Hans Hoff von DWDL bezeichnete etwa die Angebote als „Mistschleuder“. Gehen Sie als verantwortliche Chefredakteurin abends mit einem reinen journalistischen Gewissen nach Hause?

Bettina Steinke: Ich stehe zu hundert Prozent hinter diesen Portalen. Schließlich habe ich sie auch maßgeblich mit aufgebaut, seit ich 2018 das erste Mal zu Funke gekommen bin und ab 2019 auch stellvertretende Chefredakteurin war. Es stimmt aber, dass wir in der Vergangenheit Fehler gemacht haben – und dafür wurden wir in der Tat immer wieder kritisiert.

 

Sie können die Kritik also nachvollziehen?

Es ging dabei ja um einen Zeitraum in den Jahren 2019 und 2020 – und dabei häufig um die Berichterstattung zum gesundheitlichen Zustand von Michael Schumacher. Und es stimmt, dass wir hier in einem überschaubaren Zeitrahmen Zeilen und Überschriften zu sehr überdreht haben. Das würden wir aber heute so nicht mehr tun. Ich glaube, wo gearbeitet wird, da fallen Späne – das heißt, dort passieren auch einmal Fehler. Wichtig ist, auch rückwirkend zu hinterfragen, was genau man falsch gemacht hat, und sich anschließend selbst zu hinterfragen.

 

Aber überzogene Clickbait-Überschriften sind doch elementarer Bestandteil der publizistischen Strategie Ihrer Portale. Was waren denn dann diese tatsächlichen Fehler, von denen Sie sprechen?

Zum einen, dass wir sehr starkes Clickbaiting auch bei Themen gemacht haben, die sich dafür einfach nicht eignen. Es macht nun mal einen Unterschied, ob man eine Geschichte zum neuen Kassensystem bei Aldi so aufmacht oder ob das bei einer tragischen Geschichte wie dem Unfall von Michael Schumacher geschieht. Ich muss aber gleichzeitig Ihren Vorwurf zurückweisen, dass diese Fehler quasi in der Natur der Sache liegen. Man kann durchaus Boulevardjournalismus sinnvoll mit Clickbaiting verbinden, wenn man sich darüber im Klaren ist, was man verantworten kann und was nicht. Bei uns hat die starke Kritik dazu geführt, dass wir nach der internen Aufbereitung klare Regeln dazu aufgesetzt haben, wo Clickbaiting eingesetzt werden darf.

 

  • Wenn maximale Reichweite das primäre publizistische Ziel ist: Steckt man da nicht zwangsläufig
  • in einer Dynamik, die einen dazu verleitet, im Klickrausch immer weiter zu überdrehen?
  • Sie scheinen für so etwas wie „gesundes Clickbait“ zu plädieren. Ich würde dagegen sagen, der Journalismus braucht dieses Genre überhaupt nicht.
  • Der Vorwurf lautet ja auch, dass Menschen so zum Klick auf Inhalte verleitet werden, die sie eigentlich nicht interessieren. Wie sieht denn im Gegensatz dazu eine Person aus, die bewusst auf „Der Westen“ geht und dort Inhalte gezielt konsumiert?
  • Ist das jetzt etwa die heimliche Abkehr vom Reichweitengeschäft?
  • Warum braucht es überhaupt Angebote wie „Der Westen“?

 

Bettina Steinke (34) ist seit 1. Januar 2022 Chefredakteurin der Funke-Reichweitenportale derwesten. de, thueringen24.de, news38.de und moin.de. Die gebürtige Münchnerin war dort von August 2019 bis April 2021 bereits stellvertretende Chefredakteurin. Zuvor hatte sie als stellvertretende Redaktionsleiterin an der Neuaufstellung der Portale mitgearbeitet. Im Mai 2021 wechselte sie zu Springer und war dort bis Ende desselben Jahres stellvertretende Nachrichtenchefin von „Bild“.“