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«Hitler-Tagebücher» als «programmierte Katastrophe»

25 Jahre nach dem Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher hat der damalige "Stern"-Ressortleiter Michael Seufert die Geschichte jetzt aus der zeitlichen Distanz in einem Buch («Der Skandal um die Hitler-Tagebücher») zusammengefasst.

Hamburg (dpa) - Es ist der 25. April 1983. Die Chefredaktion des «Stern» präsentiert in einer internationalen Pressekonferenz in Hamburg vor 250 Journalisten die Medien-Sensation des Jahrzehnts: Adolf Hitlers geheime Tagebücher, aufgespürt vom «Stern»-Reporter Gerd Heidemann. Nun müsse die Geschichte des Nazi-Staates «in großen Teilen neu geschrieben werden», ist im Magazin zu lesen. Zwei Wochen später ist der Spuk vorbei. Die angeblichen Tagebücher des Diktators sind als Fälschung entlarvt und der «Stern» stürzt in eine Ansehens- und Auflagenkrise, von der er sich erst nach Jahren erholt.

Seitdem sind 25 Jahre vergangen. Der damalige Ressortleiter Michael Seufert hat die Geschichte jetzt aus der zeitlichen Distanz in einem Buch («Der Skandal um die Hitler-Tagebücher») zusammengefasst. Für ihn bleibt es «bis heute eigentlich unbegreiflich», wie es zu der Riesenblamage kommen konnte. In einem «Stern»-Interview zum Jahrestag meint er, die Welt im Verlagshaus Gruner + Jahr sei damals «auf den Kopf gestellt» worden. «Alle Kontrollmechanismen zwischen Redaktion und Verlag waren außer Kraft gesetzt. Die Katastrophe war programmiert.»

Kurz nach der Pressekonferenz von 1983 ergeben Untersuchungen des Bundesarchivs, des Bundeskriminalamts und des Bundesamtes für Materialprüfung: Bei den angeblichen Tagebüchern handelt es sich um eine «grotesk oberflächliche Fälschung». Ganze Passagen sind aus einer längst veröffentlichten Sammlung von Hitler-Reden abgeschrieben. Einbände, Papier und Klebstoffe enthalten zum Teil Materialien, die vor 1955 gar nicht auf dem Markt waren.

Bei der Suche nach dem Fälscher kann der «Tagebuch-Entdecker» Heidemann zunächst wenig helfen. Er hat die Hefte gegen viel Bargeld von einem Stuttgarter Militaria-Händler namens Konrad Kujau erhalten, der sie seinerseits aus einer geheimen Quelle bekommen haben wollte. Für 60 Bände hat der «Stern» insgesamt 9,3 Millionen Mark (knapp 4,8 Millionen Euro) ausgegeben. In Plastiktüten hat Heidemann das Geld zu Kujau getragen, der ihm mal einen, mal drei Bände übergab. Dass Kujau alles selbst geschrieben hatte, dämmerte Heidemann damals nicht. Er fiel auf dessen Geschichte herein, die Bände seien in einem gegen Kriegsende in Sachsen abgestürzten Flugzeug gefunden worden.

Sowohl Kujau als auch Heidemann werden wegen Betrugs verurteilt. Kujau gibt an, von dem Geld nur 2,4 Millionen Mark erhalten zu haben. Das Gericht glaubt ihm und nicht Heidemann, der beteuert, die 9,3 Millionen komplett an Kujau weitergegeben zu haben. So erhält der «Stern»-Reporter mit vier Jahren und acht Monaten Haft sogar die härtere Strafe; Kujau kommt mit zwei Monaten weniger davon. Heidemann ist noch heute verbittert und fühlt sich unfair behandelt. Er lebt in bescheidenen Verhältnissen in Hamburg und hat nach eigener Aussage keine Ahnung, wo die verschwundenen «Stern»-Millionen geblieben sind.

Kujau macht nach der Haft seinen Namen als Fälscher zu - diesmal ehrlich verdientem - Geld. Er malt Kopien bekannter Gemälde von Künstlern wie Salvador Dali oder Marc Chagall und signiert sie mit dem Namen des echten Meisters und seinem eigenen. Die «echten Fälschungen» verkaufen sich gut und der Meisterfälscher betätigt sich auch als Galerist und Gastronom, bis er im Jahr 2000 im Alter von 62 Jahren an Krebs stirbt.

Ein echter Knüller ist die Verfilmung der Tagebuch-Geschichte in Helmut Dietls Erfolgskomödie «Schtonk», die 1993 für den Oscar nominiert wird. Heidemann ist während der Dreharbeiten am Set und erzählt später in einem Interview: «Ich habe Tränen gelacht über Götz George, der mich spielt in dem Film. So einen Typen hätte (der damalige ,Stern´-Herausgeber) Henri Nannen schon nach drei Minuten gefeuert, so einen hätte der nie ertragen.»