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Jan Böhmermann gegen die FAZ – was der Streit zeigt

Jan Böhmermann gegen die FAZ – was der Streit zeigt Jan Böhmermann

Viel Medienwirbel um die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. Vor einer Woche löste Julia Encke an der Spitze des Feuilleton-Ressorts Claudius Seidl ab, dem Seidl 19 Jahre vorstand. Nun soll Herausgeber Jürgen Kaube ein Interview mit dem ZDF-Moderator Jan Böhmermann verhindert haben. Um was es geht – und was der Streit zeigt.

Frankfurt – Laut Jan Böhmermann hätte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 6. September ein „großes, recht spannendes Interview“ mit ihm erscheinen sollen – als Aufmacher. In Wirklichkeit machte die „FAS“ an jenem Sonntag mit einem Text über den Roman „Alle Hunde sterben“ von der Schriftstellerin Cemile Sahin auf. 

 

„Sowas habe ich wirklich noch nie erlebt“, twitterte Böhmermann am vergangenen Donnerstag und präsentierte seinen mehr als 2 Millionen Followern einen öffentlichen Brief „zu Händen von ,FAZ‘-Herausgeber Jürgen Kaube“.

 

„Heute jedoch erreichte mich aus meinem Verlag die höchst irritierende Nachricht, dass das geplante Interview auf Ihre persönliche Anweisung wenige Stunden vor dem Druck aus der ,Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung‘ vom 6. September 2020 entfernt wurde und, ebenfalls von Ihnen persönlich angewiesen, unter keinen Umständen veröffentlicht werden sollte“, so die Darstellung von Böhmermann. 

 

Anlass für das Interview sei die Veröffentlichung von Böhmermanns Buch „Gefolgt von niemandem, dem Du folgst“ (Kiepenheuer & Witsch) „über die neurologischen Auswirkungen des digitalen Medienwandels auf das klassische Publikationswesen“ gewesen. In dem „FAS“-Gespräch ging es laut Böhmermann um Cancel Culture, Rechtsextremismus im Diskurs und Themen zum Schmunzeln. Wenn jemand ihn interviewe und dann ein Vorgesetzter entscheide, das Interview nicht zu veröffentlichen, wolle er wenigstens einen Grund wissen, so Böhmermann. Der ZDF-Moderator veröffentlicht seine Version des Interviews anschließend als Twitter-Thread in 73 Tweets.

 

Bei der „FAZ“ heißt es dazu nur, man wolle redaktionelle Entscheidungen nicht kommentieren. Was ist da los? Schon in der Nacht zu Freitag habe das Rätselraten begangen, schreibt Tomasz Kurianowicz in der „Berliner Zeitung“. „Ist Jan Böhmermann jener Cancel Culture zum Opfer gefallen, die er in dem Interview höchstpersönlich kritisiert? Herrschen in der ,FAS‘ Sprechverbote? Mag Jürgen Kaube als bekennender Luhmannianer den Altlinken Böhmermann nicht (das ist, zugegeben, leicht vorstellbar)? Oder gibt es professionellere Gründe? Hat Jan Böhmermann einfach zu viel Aufmerksamkeit bekommen und will Kaube schlicht verhindern, dass sein bürgerliches Feuilleton zum Werbeplatz und zur Spielwiese für Jan Böhmermanns ,taz‘-haftigkeit wird?“ Vieles spreche allerdings dafür, dass die Wirklichkeit facettenreicher sei. Böhmermann gelte als Kommunikationsgenie. Der Zensurvorwurf bringe ihm (und der „FAS“ auch) viel Sichtbarkeit, meint Tomasz Kurianowic.

 

Für Anne Fromm von der „taz“ zeigt diese Geschichte auch, welche neuen Kräfteverhältnisse sich im öffentlichen Diskurs ergeben haben. „Böhmermann gegen Kaube – da krachen neue auf alte Medien und damit Welten aufeinander. Jeder der beiden bedient sich des Mediums, dessen er mächtig ist: Kaube, der als Herausgeber der ,FAZ‘ auch gleichzeitig der für das Feuilleton der ,FAS‘ verantwortliche Chefredakteur ist. Natürlich darf er in redaktionelle Entscheidungen eingreifen und ein Interview herausnehmen. Schön ist das nicht immer, aber es passiert ab und zu, auch in anderen Zeitungen“, weiß Fromm. Und Böhmermann habe so viele Twitter-Follower wie kaum ein Deutscher in diesem Medium. Wenn Böhmermann etwas twittere, dann erreiche das so viele Leute, davon könne die Feuilleton-Redaktion der „FAS“ nur träumen. 

 

„Böhmermann versus Kaube“, das ist für Anne Fromm ein weiterer Beleg dafür, „dass die neuen MedienmacherInnen die klassischen Medien nicht mehr brauchen“.