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Journalistin mit Kindern: Warum das immer noch ein Problem ist

Journalistin mit Kindern: Warum das immer noch ein Problem ist Anja Reumschüssel (Foto: Jan Stradtmann)

Warum die „Stern“- und „Spiegel“-Reporterin Anja Reumschüssel schon mal mit Baby zu Interviews fährt und was sich in Redaktionen für Eltern ändern muss.

Magdeburg – Anja Reumschüssel ist freie Journalistin und Mutter von drei Kindern. Sie ist Absolventin der Henri-Nannen-Schule, lebt in Sachsen-Anhalt und arbeitet regelmäßig für „Stern“, „Spiegel“ und den MDR. Außerdem ist sie Autorin mehrerer Jugendbücher. Im „medium magazin“-Interview mit 

Isabell Prophet erklärt sie, wie Redaktionen für Eltern attraktiver werden können.

 

Erfülltes Familienleben und erfolgreiche Reporterinnen-Karriere – ist das nicht manchmal etwas viel?

Anja Reumschüssel: Familie und Job in Einklang zu bringen ist immer mal etwas viel, oft wird man den eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Aber nur Karriere ohne Kinder oder andersherum würde ich nicht wollen. Meine Kinder inspirieren mich. Sie eröffnen mir eine neue Sicht auf Themen und bringen mich auf Ideen.


Wie viele Stunden arbeiten Sie?
Das ist unterschiedlich, irgendwas zwischen 15 und 60 Stunden pro Woche, einschließlich Samstag. Den Sonntag halten wir als Familie so weit wie möglich frei, was nicht immer klappt. Wenn alle Deadlines in weiter Ferne liegen, arbeite ich auch mal sehr wenig. Und dann kommt eine Anfrage für ein aktuelles Thema so kurzfristig oder eine Geschichte reißt mich so mit, dass ich sehr viel arbeite und nur kurze Pausen zum Essen mache, oder um die Kinder mit ins Bett zu bringen.


Was tun Sie, wenn eines der Kinder krank wird, Sie aber einen Termin haben?
Ideal ist es, wenn man ein Netzwerk hat, nette Nachbarn, einen Großvater, Freunde mit Kindern. Im schlimmsten Fall müsste ich den Termin verschieben, das ist aber noch nicht vorgekommen. Gelegentlich bin ich auch schon mit Baby zu Interviews gefahren. Das kommt natürlich auf die Interviewpartner und das Thema an. Bei Interviews mit Menschen, die ihre persönliche Geschichte erzählen, kann ein Baby für eine entspanntere, persönliche Atmosphäre sorgen.


Wie müssten sich Redaktionen ändern, um attraktiver für Eltern zu werden?
Sie müssten, wenn sie es nicht schon tun, Homeoffice anbieten. Dann müssen sich Eltern keine Gedanken machen, wenn ein Kind krank wird oder wegen Personalmangel die Kita geschlossen ist. Dann arbeiten sie eben von zu Hause. Ansonsten gilt für Redaktionen das Gleiche wie für alle anderen Arbeitgeber: Wer attraktiv für Eltern werden will, sollte die passende Einstellung haben. Eltern verrichten neben der bezahlten Arbeit unverzichtbare unbezahlte Arbeit. Sie sind im Job am leistungsfähigsten, wenn sie ihre Kinder gut betreut wissen.


Aber Betreuung ist an vielen Orten schwer zu kriegen – und teuer.

Arbeitgeber können aber Babysitter und Betreuungsplätze in einer eigenen oder einer Kooperationskita vorhalten, flexible Arbeitszeiten ermöglichen, Besprechungen auf den Vormittag legen oder Ruheräume anbieten.

 

Da zeichnet sich eine ganz andere Kultur für den Journalismus ab.
Eltern wollen keine abfälligen Bemerkungen hören, weil jemand schwanger ist oder wegen eines kranken Kindes zu Hause bleibt. Und wer Eltern Anerkennung zollen will, kann neben der Redaktionsfeier auch eine für Familien organisieren oder Eltern zusätzliche Urlaubstage anbieten, die ja allzu schnell für Arzttermine und Schließtage in der Kita draufgehen. Oder gar mehr Gehalt zahlen, denn Kinder sind teuer.


Sie wünschen sich Wertschätzung?
Ja. Selbstverständlich darf ein Kind kein Karrierehindernis sein. Eine Frau kann – wenn sie das will – in der Schwangerschaft ein Projekt zu Ende führen, kann nach der Elternzeit Führungsverantwortung übernehmen und ist womöglich sogar die bessere Führungskraft. Sie hat neue menschliche Herausforderungen kennengelernt und weiß ihre Zeit besser einzuteilen.

 

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