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Nachrichtenagenturen: Warum dpa immer weniger Eilmeldungen verschickt

Welche Nachrichten sind wichtig? Und welche sind wichtig, und müssen auch so gekennzeichnet werden? Ein wichtiger Indikator für Deutschlands Nachrichtenredaktionen sind die Eilmeldungen, die die Deutsche Presse-Agentur verbreitet. Von Bülend Ürük.

Berlin - Von 2000 bis 2009 verdoppelte sich nahezu die Zahl der dpa-Eilmeldungen auf mehr als 2.000 jährlich. „Und auch in den Jahren 2010 bis 2012 bewegte sie sich immerhin noch bei jeweils 1500 bis 1600“, erklärt dpa-Nachrichtenchef Froben Homburger gegenüber Newsroom.de.

Inzwischen ist aber ein rückläufiger Trend zu erkennen: Sowohl 2014 als auch schon 2013 sendete dpa jeweils nur noch um die 1.000 Meldungen mit der Priorität 2 – und damit in etwa so viele wie zu Beginn des Jahrtausends und rund 600 weniger als im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012.

 


Froben Homburger ist Nachrichtenchef der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

 

„Das hängt zum einen mit Formatänderungen in den Textdiensten der Deutschen Presse-Agentur zusammen: So haben wir früher beispielsweise bei Breaking News nicht nur den ersten kurzen Spot geeilt, sondern häufig auch noch den etwas längeren Überblick, der unmittelbar auf eine Eil-Meldung folgt. Bei wichtigen Wahlen in Bund und Ländern wurden teilweise sogar lange Zusammenfassungen als EIL gesendet“, so Homburger. Zusätzlich habe es bei dpa früher als Zwischenstufe zwischen Blitz- und Eilmeldung auch noch das Format „EILEIL“ gegeben: „Und auf „EILEIL“-Meldungen musste zwingend eine  „normale“ Eil-Meldung folgen, was die Zahl der Prio-2-Texte natürlich auch in die Höhe schraubte.“

All das führte dazu, dass dpa beispielsweise am 27. November 2009 über den Wechsel Ursula von der Leyens vom Familien- ins Arbeitsministerium in insgesamt fünf Eilmeldungen informierte. Selbst zum Jungfernflug-Start des Boeing-Dreamliners  am 15. Dezember 2009 sendete dpa gleich drei Eil-Meldungen.

Das hat Deutschlands größte Nachrichtenagentur inzwischen geändert: Bei herausragenden Ereignissen werden nur noch jeweils der erste kurze Spot beziehungsweise wichtige neue Entwicklungen (beispielweise der Anstieg der Opferzahlen bei schweren Unglücken) als Eil-Meldung gesendet. Eine dpa-EIL darf maximal zwei bis drei Sätze umfassen, soll die nüchternste Form der Information und damit frei von erzählerischen oder featurigen Formulierungen sein und nur die Fragen beantworten: „Was ist wann und wo (und eventuell auch warum) passiert – und woher wissen wir das?“, macht Homburger deutlich.

Die rückläufige Entwicklung der dpa-Eilmeldungen hängt aber auch mit der rasanten Informationsübertragung via Twitter, Facebook und andere soziale Medien zusammen: „Denn je mehr echte und falsche, wichtige und vernachlässigenswerte Informationen frei flottieren, desto dringender müssen sie nicht nur ausgesiebt, sorgfältig verifiziert und verständlich eingeordnet, sondern vor allem auch klar priorisiert werden“, sagt Homburger.

Für den dpa-Nachrichtenchef steht fest: „Verifiziertes von Gerüchten, Herausragendes von Wichtigem und Wichtiges von Unwichtigem sauber zu trennen, ist die beste Antwort, die Nachrichtenagenturen auf die Informationsflut via Internet geben können.“

Blitzmeldungen sind übrigens frei von allen Entwicklungen der Informationsgesellschaft: Sie sind bei dpa seit Jahrzehnten nur den wirklich epochalen Ereignissen vorbehalten, etwa Rücktritt, Wahl oder Tod eines Papstes. "Da gibt es keinen Trend nach oben oder unten", so Homburger. Der jüngste dpa-Blitz stammt vom 13. März 2013:

 


"Argentinier Jorge Mario Bergoglio neuer Papst" lautete die letzte Blitz-Meldung, die dpa am 13. März 2013 verschickte.

 

Damit wurde das Ereignis als Nachricht mit höchster Dringlichkeitsstufe eingeordnet.

Die Kategorie ist laut Definition "völlig überraschenden, weltweit interessierenden Ereignissen vorbehalten".

Weitere "Blitzmeldungen" in der Vergangenheit waren unter anderem: "Truman unterzeichnet Entschließung zur Kriegsbeendigung mit Deutschland" (19.10.1951); "Kurt Schumacher gestorben" (20.8.1952); "Deutschland Fußballweltmeister durch 3:2-Sieg über Ungarn" (4.7.1954); "Kennedy tot" (22.11.1963); "Adenauer gestorben" (19.4.1967); "Apollo 11 Fähre auf Mond gelandet" (20.7.1969); "Amtlich: Brandt bleibt Kanzler – keine absolute Mehrheit für Barzel" (27.4.1972); "US-Präsident Richard Nixon erklärt Rücktritt" (9.8.1974); "Botschaft (Stockholm) gesprengt" (24.4.1975); "GSG 9 befreite Geiseln" (18.10.1977); "Schleyer tot aufgefunden" (19.10.1977); "Papst Johannes Paul I. ist gestorben" (29.9.1978); "Ägyptischer Staatspräsident Sadat bei Attentat getötet" (6.10.1981) oder  "Helmut Kohl ist neuer Bundeskanzler. Helmut Schmidt über konstruktives Misstrauensvotum gestürzt" (1.10.1982).

Bülend Ürük